Direkt zum Inhalt

Wenn es kriselt

Evakuierungen eigener Mitarbeiter aus Gebieten mit politischen Unruhen können sich zum Albtraum eines jeden Unternehmens entwickeln. Eine detaillierte und fallorientierte Planung im Vorfeld hilft, Evakuierungen erfolgreich durchzuführen.

In den vergangenen Monaten mussten zahlreiche Unternehmen ihre Mitarbeiter aus Nordafrika evakuieren.
In den vergangenen Monaten mussten zahlreiche Unternehmen ihre Mitarbeiter aus Nordafrika evakuieren.

Der Wunsch nach Demokratie zieht sich wie ein Dominoeffekt durch die arabische Welt. Dabei kann man am Beispiel Syriens feststellen, dass diese Bewegung mit mehr oder weniger harten Auseinander-setzungen einhergeht. Ausländische Unternehmen stehen vor der Herausforderung, ihre Mitarbeiter geordnet und sicher aus den betroffenen Ländern zu evakuieren. Dazu ist eine gut strukturierte Evakuierungsplanung unabdingbar.

Gefährdungsszenarien definieren

Der Kerngedanke eines jeden Evakuierungsplanes ist, für das entsprechende Land verschiedene Evakuierungsmöglichkeiten auf Basis verschiedener Gefährdungsszenarien unabhängig von der Höhe des Gefährdungspotentials zu entwickeln. Ziel eines Evakuierungsplanes ist es, dem Unternehmen einen Handlungsleitfaden an die Hand zu geben für den Fall, dass die vorher definierten Gefährdungsszenarien eintreffen. Dazu werden in einem solchen Plan Rollen, Verantwortungsbereiche und Maßnahmen definiert und dokumentiert. Diese Richtlinien sollen in erster Linie die Sicherheit der Mitarbeiter vor Ort sicherstellen, aber auch aufzeigen, wie das Firmeneigentum eines Unternehmens geschützt werden kann.

Die Entwicklung eines solchen Evakuierungsplans umfasst die folgenden Punkte:

  • Abgrenzung des Anwendungsbereiches des Evakuierungsplans
  • Definition von Risikoereignissen innerhalb des abgegrenzten Anwendungsbereiches und Eingruppierung in Risikogruppen
  • Aufbau einer Notfallorganisation und Infrastruktur auf Grundlage der Risikogruppen.
Anzeige

Struktur eines Evakuierungsplans

Zunächst wird der Anwendungsbereich definiert. Hierbei geht es darum, welche Arten von Gefährdungsszenarien in dem Plan abgedeckt werden sollen, wie zum Beispiel politische Szenarien, terroristische Bedrohungen, Naturkatastrophen oder technische Schadenereignisse wie große Feuer oder Explosionen.

Zur Definition der Risikoereignisse sollten Fachberater zu Hilfe gezogen werden, die sich mit der politischen Situation und Sozialstruktur des entsprechenden Landes auskennen und abschätzen können, welche Gefährdungen in dem Land vorliegen oder welche Entwicklungen das Land in den nächsten ein bis zwei Jahren durchmachen wird. Diese Fachberater können von Beratungsbüros sein, aber auch Mitarbeiter der Botschaften und des Auswärtigen Amtes.

Die Definition von Risikoereignissen kann durchaus eine herausfordernde Aufgabe sein, da detaillierte Informationen über das Land vorliegen müssen. Es müssen neben den politischen auch infrastrukturelle, geografische und kulturelle Gegebenheiten berücksichtigt werden. Da nicht jedes Risikoereignis zwingend eine Evakuierung aus dem Land bedingt, sollten die einzelnen Risikoereignisse in Risikogruppen eingeteilt werden, für die im nächsten Schritt jeweils abgestimmte Maßnahmen definiert werden. Für jede Risikogruppe sollten Auslösekriterien festgelegt werden, um abschätzen zu können, wann genau welche Schritte eingeleitet werden müssen.

Lokales Notfallteam

Kernpunkt der Notfallorganisation ist die Bildung eines lokalen Notfallteams, das die Notfallorganisation im Land aufbaut, einen Evakuierungsplan erstellt, Maßnahmen vorbereitet und diese im Evakuierungsfall auch koordiniert. Dies umfasst auch die Vorbereitung und Erstellung notwendiger Dokumente, den Aufbau der Notfallinfrastruktur und die Bereitstellung von Ressourcen.

Das lokale Notfallteam sollte aus Personen bestehen, die im Umgang mit Krisenereignissen geschult sind, und umfasst den Teamleiter, Krisenkoordinator und unterstützende Funktionen, zum Beispiel aus der Personal- und Finanz-abteilung und Logistik. Die Notfallinfrastruktur umfasst hauptsächlich die Bestimmung sicherer Orte und Ausreisemöglichkeiten. Unter sicheren Orten versteht man Gebäude, von denen man ausgeht, dass sie auch in einer Krisensituation sicher sind, und zu denen sich die Mitarbeiter flüchten können. Diese sicheren Orte müssen redundant und so ausgewählt werden, dass sie in jeder Situation erreichbar sind. Dabei kann es sich um Gebäude handeln, die sich abseits von zentralen Orten befinden. Die Erfahrung zeigt, dass auch internationale Hotels durchaus sicher sind, da diese in der Regel nicht angegriffen werden.

Bei der Bestimmung von Ausreisemöglichkeiten im Krisenfall sollten in erster Linie immer normale Ausreisearten gewählt werden, wie zum Beispiel die Ausreise per Flugzeug oder Fähre. Sollte dies nicht mehr möglich sein, können weitere Ausreisearten in Betracht gezogen werden, wie zum Beispiel die Fahrt mit dem Fahrzeug über die Grenze oder das Chartern eigener Maschinen und Schiffen. In allen Fällen sollte immer enger Kontakt zu den ausländischen Botschaften und dem Auswärtigen Amt gehalten werden, da diese weitere Möglichkeiten zur Ausreise anbieten, zum Beispiel mit Bundeswehrmaschinen oder Marineschiffen.

Beschreibung der Maßnahmen

Die Maßnahmen müssen auf die einzelnen Gefährdungsszenarien und Risikogruppen abgestimmt sein und umfassen nicht nur Punkte, die das Notfallteam durchführen muss, sondern auch Punkte, die von den Mitarbeitern und deren Familien zu erfüllen sind. Die Maßnahmen umfassen die Vorbereitungen im Vorfeld von Evakuierungen aber auch Maßnahmen während der Evakuierung. Dazu gehören die Überprüfung der Gültigkeit des Evakuierungsplanes und aller Kontaktdaten, Dokumente, Checklisten, die Beschaffung notwendiger Ausrüstung sowie die Evakuierung aller Familienmitglieder und aller Mitarbeiter, die nicht notwendigerweise benötigt werden, und die Information der Hauptverwaltung und Sicherheitsberater über bevorstehende mögliche Verschlechterung der Situation. Jedem Mitglied des Notfallteams werden detaillierte Aufgaben zugeordnet und in dem Notfallplan dokumentiert, für die es sich im Notfall verantwortlich zeigt.

Der lokale Evakuierungsplan muss zwingend in die Evakuierungsplanung des Gesamtunternehmens eingebunden sein. Dazu müssen die Schnittstellen zwischen dem lokalen Evakuierungsplan und der Evakuierungsorganisation des Unternehmens im Heimatland beschrieben und aufeinander angepasst werden. Die Notfallpläne sollten regelmäßig überprüft werden, vor allem mit Hinblick auf die Kontaktdaten. Jeder Mitarbeiter, der Aufgaben innerhalb der Notfallplanung wahrnimmt, sollte regelmäßig geschult werden und sich mit den Details der Notfallpläne vertraut machen.

Patrick Krott, Martrick

Passend zu diesem Artikel