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Unternehmen 15. Juni 2023

Logistikdienstleister: Kampf gegen Cyberattacken und kriminelle Machenschaften

Logistikdienstleister stehen vor großen Herausforderungen: Eine Expertin schildert ihren Kampf gegen Cyberattacken und kriminelle Machenschaften von Subunternehmen.

Cyberattacken und kriminelle Machenschaften von Subunternehmen sind Herausforderungen für Logistikdienstleister. 
Cyberattacken und kriminelle Machenschaften von Subunternehmen sind Herausforderungen für Logistikdienstleister. 

Hermes Germany, mit Sitz in Hamburg und als Teil der Otto Group, ist einer der führenden Logistikdienstleister Deutschlands und Partner zahlreicher Onlineshops und Multi-Channel-Händler im In- und Ausland mit dem Fokus auf der nationalen Paketzustellung – mit immer neuen Herausforderungen wie Cyberattacken oder kriminelle Machenschaften durch Subunternehmer. Vor 37 Jahren stieg Sylvia Exner bei Hermes ein. Seit 27 Jahren gehört sie der Leitung der Konzernsicherheit an, davon 23 Jahre als Head of Corporate Security. Nun geht sie in den verdienten Vorruhestand. PROTECTOR sprach mit ihr über diese prägende Zeit.

Wie sind Sie in den Bereich der Unternehmenssicherheit gekommen?

Sylvia Exner: Während meiner Studienzeit und auch danach habe ich in der Operativen am Standort Bielefeld in unterschiedlichen Funktionen gearbeitet. Durch Audits und Ermittlungen am Depot kam ich in Kontakt mit der Abteilung Sicherheit und fand die Tätigkeit so interessant, dass ich mich bei der nächsten Ausschreibung beworben habe. 1996 als erste weibliche Mitarbeiterin in der Abteilung Sicherheit, wie zuvor auch schon als erste weibliche Führungskraft in der Operativen. Im Gegensatz zu heute war die Logistik und auch die Sicherheit im letzten Jahrtausend noch sehr männlich geprägt. Meine Abteilung umfasst heute 23 Mitarbeitende, von denen 15 bundesweit mobil an den rund 60 Standorten der Hermes Germany sowie den Standorten unserer Vertragspartner unterwegs sind.

Logistikdienstleister  mit hoher  Servicequalität

Stiftung Warentest hat Hermes als günstigsten Paketzusteller bewertet. Hermes ist sogar ein TOP-Arbeitgeber im E-Commerce. Auch ein Verdienst von Ihnen und Ihrer Mannschaft?

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Sylvia Exner: Mit Blick auf den angesprochenen Paketdienstleister-Test wurde positiv hervorgehoben, dass wir den absoluten Großteil der Sendungen mit einer hohen Servicequalität zu den Empfängern bringen. Dies spiegelt sich auch in unserer Schadens- und Verlustquote als Unternehmen wider, die trotz seit Jahren steigender Sendungsmengen auf einem konstant niedrigen Niveau im unteren Promillebereich verbleibt. Und diese Performance gibt es in der Tat zu einem wirklich niedrigen Preis: Ein C2C-Paket wird binnen 2-3 Tagen quer durch Deutschland geschickt für einen Betrag, der in einer Metropole wie Hamburg für eine Stunde Parken aufgerufen wird. Als Sicherheitsabteilung sind wir nur eines von vielen Zahnrädern, die dafür sorgen, dass jede Woche Millionen von Sendungen sicher, zuverlässig und schnell zu den Empfängern gelangen. Einer unserer Unternehmenswerte lautet nicht umsonst „gemeinsam stark“ – nur, wenn alle Zahnräder ineinandergreifen, können wir im wahrsten Sinne des Wortes abliefern. Ich selbst habe meine Karriere damals im Operations-Bereich gestartet und weiß, was das für ein herausfordernder, wichtiger und toller Job ist, denn an dieser Stelle wird maßgeblich dafür gesorgt, dass alles reibungslos läuft.

Mit Awareness gegen Cyberattacken 

Die Bedrohung durch Cyberattacken hat ein neues Niveau erreicht. Immer stärker im Visier: Globale Lieferketten. Wie schützt Ihre Abteilung das Unternehmen?

Sylvia Exner: Für die IT Security gibt es eine gesonderte Abteilung, das gehört nicht zu unserem Aufgabenbereich. Da wir mobil überall unterwegs sind, unterstützen wir die Kollegen im Bereich der Informationssicherheit, wenn es um Ermittlungen oder Sicherstellung von Beweismitteln geht.

Wir versuchen zudem, an den Standorten eine Awareness zu fördern, was den Umgang mit digitalen Medien angeht. Die Prozesse werden zunehmend digitaler und damit auch angreifbarer.

Gleiches gilt für unsere Sicherheitstechnik und Zutrittssysteme. Gemeinsam mit der IT Security führen wir regelmäßig Penetration Tests durch, um einen Angriff über diese Technik auszuschließen. Bestes Beispiel die Log4j-Sicherheitslücke Ende 2021, die zur Aktualisierung der Software auf allen Komponenten der Sicherheitstechnik führte.

Sich um verschwundene Pakete kümmern ist kein „sexy crime“. Was war das Spannende an Ihrer Tätigkeit?

Sylvia Exner: Das Spannende war und ist die ständige Veränderung der Modi Operandi und der Versuch, immer einen Tick schneller in der Prävention zu sein. Durch die Digitalisierung und die Möglichkeit, von überall in der Welt Daten zu manipulieren, ist es auch für uns schwieriger geworden, Täter zu ergreifen und Lücken zu schließen. Aber weiterhin ist bei aller Digitalisierung ein großer Teil der Tätigkeit operativ. Auch wenn wir heute durch Auswertungen schneller kriminelle Handlungen entdecken, ist „auf frischer Tat ertappen“ immer noch die Tätigkeit vor Ort, die die Spannung und das Adrenalin hochhält. Zu verstehen, wie genau gehandelt wurde, welche Personen involviert waren, welche Prozesse lückenhaft sind, wie wir die Prozesse und unsere Prävention verbessern können, ist die ständige Herausforderung, die den Job so spannend macht.

Neben den Ermittlungen zu Diebstählen ist in den letzten Jahren der Warenkreditbetrug in den Fokus gerückt. 2018 ein neues Thema für uns, mittlerweile gibt es ein weiteres Team in der Abteilung: das Fraud Management mit vielen neuen spannenden Themenfeldern.

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Mehrschichtiges Sicherheitssystem

Vor vier Jahren hatte die Gewerkschaft Verdi der Paketbranche kriminelle Machenschaften durch die Subunternehmer vorgeworfen. Trifft dies zu und hat sich danach etwas geändert?

Sylvia Exner: Täglich realisieren tausende Zusteller eine herausfordernde und ehrliche Arbeit. Daher sind faire Arbeitsbedingungen für uns die absolute Grundvoraussetzung in der Zusammenarbeit mit unseren Servicepartnern. Von diesen lassen wir uns vertraglich zusichern, dass sie sich vollumfänglich an gesetzliche Vorgaben halten und zudem hohe Sozialstandards für ihre Mitarbeitenden sicherstellen. Und die vollumfängliche Einhaltung sämtlicher Gesetze – insbesondere solcher, die die Entlohnung sowie Arbeits- und Ruhezeiten regeln – erwarten wir nicht nur, wir halten das auch mit einem mehrschichtigen Sicherungssystem, bestehend aus Auditierungsverfahren, Ombudsmann und Hinweisgebersystem, intensiv nach. Sofern zum Beispiel in unserem Hinweisgebersystem Hinweise zu potenziellen Missständen oder auch Gesetzesverstößen eingehen, werden gezielte Überprüfungen durch gesondert geschulte Auditoren durchgeführt. Darüber hinaus sind wir der einzige Paketdienst in Deutschland, der all seine Servicepartner regelmäßig von unabhängigen, externen Prüfinstituten kontrollieren lässt.

Mit dem „Präqualifizierungsverfahren“, das unser Branchenverband, der Bundesverband Paket und Expresslogistik e. V. (BIEK), gemeinsam mit seinen Mitgliedsunternehmen eingeführt hat, ist ein weiteres Verfahren hinzugekommen, das die Prüfung von Servicepartnern noch engmaschiger macht: Die Präqualifizierung ist seit dem Geschäftsjahr 2021/22 bei Hermes Germany grundsätzlich eine Voraussetzung für das Vertragsverhältnis.

Da die Zusammenarbeit mit Servicepartnern auf der „letzten Meile“ häufig pauschal kritisiert wird, ist es mir auch wichtig, noch einmal zu betonen, dass die Mehrheit dieser Unternehmen ehrlich und rechtschaffend arbeitet. Leider gibt es auch in der Paketbranche teilweise Unternehmen, die entgegen gesetzlicher Vorgaben agieren und damit dazu beitragen, viele hundert meist mittelständische Unternehmen zu Unrecht in Misskredit zu bringen. Hier sind sowohl wir als Paketdienst gefordert, indem wir klare Verhaltenskriterien aufstellen und deren Einhaltung intensiv überprüfen, als auch der Gesetzgeber, indem zum Beispiel die Zollbehörden vollumfänglich und regelmäßige Kontrollen durchführen.

Wünschen Sie sich für Ihr Unternehmen mehr Unterstützung durch Behörden oder den Gesetzgeber?

Sylvia Exner: Mehr Unterstützung können wir in jedem Fall gebrauchen, denn die Herausforderungen haben sich in meiner Zeit bei Hermes stark verändert und auch vervielfältigt. Lokal benötigen wir beispielsweise die Unterstützung durch Behörden, wenn es etwa darum geht, geeignete Flächen und verkehrsgünstige Standorte für unsere Mikrodepots und unsere emissionsfreie Zustellflotte zu finden. Um unsere Anstrengungen im Bereich Nachhaltigkeit weiter intensivieren können, braucht es zudem faire Wettbewerbsbedingungen. Hierfür kann der Gesetzgeber bei der anstehenden Reform des 25 Jahre alten Postgesetzes sorgen. Wichtig in dem Zusammenhang ist, dass künftig klar zwischen Brief- und Paketmarkt getrennt wird. Hierfür setzen wir uns aktuell ein und wünschen uns, dass alle Markteilnehmer künftig gleichbehandelt werden und kein Unternehmen bevor- oder benachteiligt wird.

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Kunden schützen

Kunden von Hermes und anderen Paketzustellern wurden wiederholt Opfer von Cyberkriminellen mittel Pishing-Mails. Konnten Sie dieses Treiben eindämmen?

Sylvia Exner: Als Unternehmen können wir nur versuchen, vor diesen Machenschaften zu warnen, und die Paketkunden an relevanten Touchpoints darüber aufklären, wie diese Methode funktioniert. Die Täter haben die E-Mail-Adressen nicht von uns, sondern schreiben wahllos E-Mail-Adressen an in der Hoffnung, einen Treffer zu landen. Das passiert nicht nur im Namen der Paketbranche, sondern auch im Namen von Banken oder anderen Plattformen –eben überall, wo eine Chance besteht, an Kundendaten zu gelangen. Bei dieser Thematik ist jeder individuell aufgefordert, die eigenen (digitalen) Daten zu sichern und nicht jeden Link in einer E-Mail anzuklicken oder Kreditkartendaten preiszugeben. In jedem Fall raten wir unseren Kunden dazu, nur auf vertraute Hermes Kommunikationswege zu reagieren und dabei vor allem die E-Mail-Absender zu überprüfen, sollte ihnen eine Anfrage komisch vorkommen. In solchen Fällen sollte unser Kundenservice auf den bekannten Wegen per Twitter, Kontaktformular oder per Telefon kontaktiert werden, um die Richtigkeit der Anfrage zu überprüfen.

Was wünschen Sie Ihrem Unternehmen Hermes für die Zukunft?

Sylvia Exner: Da unser Hauptsitz in Hamburg liegt, halte ich es hanseatisch: immer eine Handbreit Wasser unterm Kiel!

Wie sieht Ihre Zukunft im Ruhestand aus? Welche Planungen haben Sie?

Sylvia Exner: Zunächst einmal mehr Zeit mit meinem Mann auf Reisen verbringen. Wir haben jahrelang durch meinen zweiten Wohnsitz in Hamburg „getrennt“ gelebt und werden die gemeinsame Zeit nun auskosten.

Und dann möchte ich gerne ehrenamtlich tätig werden und habe mich schon als Schöffin in meiner Stadt beworben. Da dies aber erst nächstes Jahr starten wird und wahrscheinlich nicht so viel Zeit in Anspruch nimmt, bin ich gerade im Austausch mit verschiedenen Organisationen, um mich in der Jugendarbeit zu engagieren. Mir ist es wichtig, weiterhin in Kontakt mit anderen Menschen zu bleiben und, wenn möglich, meine Erfahrungen und mein Gelerntes weiterzugeben. Im Rahmen meiner Tätigkeit bei Hermes durfte ich an dem Programm „Seitenwechsel“ teilnehmen und habe dabei festgestellt, dass mir die Arbeit mit Jugendlichen liegt.

Vielen Dank für das interessante Gespräch! Ihrem Nachfolger, Wolf Rückert, wünschen wir einen guten Start in seine Führungsaufgabe.

Klaus Kapinos für PROTECTOR

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