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IT-Sicherheit 13. Juni 2023

Wie Beschallung Reisende zuverlässig schützt

Nicht nur an Bahnhöfen ist die Beschallung ein wesentlicher Baustein in der Reisendenwarnung. Eine IP-basierte Anlage bietet den Nutzern zahlreiche Vorteile und erhöht die Sicherheit der Reisenden.

An Bahnhöfen, wie hier an einer S-Bahn-Station in München, sammeln sich schnell viele Menschen an, die durch Beschallung geschützt werden müssen.
An Bahnhöfen, wie hier an einer S-Bahn-Station in München, sammeln sich schnell viele Menschen an, die durch Beschallung geschützt werden müssen.

Ferienzeit, volle Bahnsteige, alle freuen sich auf die wohlverdiente Auszeit. Kaum jemand denkt in diesem Moment an die Gefahren, die auf dem Bahnsteig beziehungsweise an der Bahnsteigkante lauern. Jeder will sich die beste Ausgangslage sichern, um als erster im Zug einen Sitzplatz zu ergattern. Dabei sind die Gefahren im Bahnumfeld nicht zu unterschätzen. Häufig kommt es auf überfüllten Bahnsteigen zum Gedrängel. Zudem können herannahende Züge von Fahrgästen nicht akustisch wahrgenommen werden. Sie erzeugen aber bei ihrer Durchfahrt mit Geschwindigkeiten ab 160 km/h einen gewaltigen Luftsog am Bahnsteig und stellen eine extreme Gefahrenquelle dar. Personen, Kinderwägen und andere Gegenstände, die sich bei einer solchen Durchfahrt unweit der weißen Warnlinie befinden, sind großer Gefahr ausgesetzt, mitgerissen zu werden.

Doch woher wissen die Wartenden auf dem Bahnsteig, wann eine Zugdurchfahrt bevorsteht? Hier greift die Reisendenwarnung in Form einer Warnansage: „Bitte zurücktreten, ein Zug fährt durch“. Damit diese Warnansage eine ausreichende Wirksamkeit erzielt, ist es wichtig, dass sie rechtzeitig und gut verständlich ausgegeben wird, bevor der Zug den Bahnsteig erreicht. Eine für die Reisendenwarnung zugelassene Beschallungsanlage ist somit unerlässlich. Die Beschallungsanlage „Cura“ aus dem Hause Funkwerk in Karlsfeld hat bereits mit der ersten Systemgeneration im Jahr 2017 die Zulassung vom Eisenbahnbundesamt für den Einsatz in der Reisendenwarnung erlangt. Diese Funktion erfüllt die „Cura“ an mehr als 200 Bahnhöfen in Deutschland. Zudem nutzen die Österreichischen Bundesbahnen (ÖBB) „Cura“-Anlagen an über 800 Betriebsstellen. Auch in Luxemburg (70 Anlagen) und in der Schweiz (20 Anlagen) ist sie bereits etabliert. Aktuell befindet sich Generation drei in der Entwicklung und wird im Frühjahr 2024 bei den ersten Kunden zum Einsatz kommen.

Beschallungsanlage mit erheblicher Sicherheitsrelevanz

Die „Cura“ ist eine kompakte und wartungsarme Beschallungsanlage. Mit der Größe von nur einer Höheneinheit bietet sie ein umfangreiches Leistungsportfolio. In der Reisendenwarnung ermöglicht die Beschallungsanlage die unmittelbare Warndurchsage in bestechender Tonqualität. Die betroffenen Personen sind in der Lage, die Information aufzunehmen, zu verarbeiten und rechtzeitiges Handeln, also das Zurücktreten von der Bahnsteigkante, umzusetzen. Dieser enge zeitliche Kontext ist wesentlicher Bestandteil für die Sicherheit der Reisenden.

Die Beschallungsanlage arbeitet auf Basis einer gesicherten und überwachten IP-Infrastruktur. Die Warnansagen sind lokal auf dem Gerät gespeichert. Die Daten und Steuerinformationen werden mittels Datendiagramm übermittelt, die Ansagen werden am bahnzugelassenen Software-Bedienclient der Funkwerk Mobility Platform ausgelöst. Die Durchsage selbst erfolgt innerhalb von 30 Sekunden. Das Personal bekommt im Anschluss eine direkte Rückmeldung vom System, dass die Ansage ordnungsgemäß abgespielt wurde. Zudem archiviert „Cura“ alle Ansagen inklusive exaktem Zeitstempel. Bei Qualitätskontrollen oder im Schadensfall geben diese Protokolle den exakten Nachweis, wann welche Ansage lief und leisten somit einen wichtigen Beitrag im Beweisverfahren.

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Automatische Überwachungsfunktion

Zur Sicherstellung einer technisch einwandfreien Funktion ist „Cura“ so gestaltet, dass sie sich und ihre Komponenten selbst überwacht. Der gesamte Audioweg zwischen den Eingängen und den Ausgangskreisen wird kontinuierlich überprüft. Fällt ein Lautsprecher aus, erkennt das System einen Abfall der Impedanz, einen Kabelbruch oder Erdschluss, so gibt es unmittelbar eine Warnung an das Servicepersonal vor Ort heraus. Dieses entscheidet, welche Maßnahmen zu treffen sind. Gegebenenfalls können Triebfahrzeugführer via Zugfunk informiert werden, dass die Durchfahrtsgeschwindigkeit auf dem Streckenabschnitt reduziert werden muss, da die Information für die Reisenden eingeschränkt sein könnte. Durch detaillierte Fehlermeldungen der Beschallungsanlage kennt der Servicetechniker für Instandhaltung die genaue Ursache des Schadens und kann gezielt mit der Entstörung beginnen.

Aus Redundanzgründen ist jeder Lautsprecherkreis auf den Bahnsteigen auf mindestens zwei separate Kreise aufgeteilt. Man spricht hier von „a/b-Verkabelung“. Fällt einer der Kreise aus, ist weiterhin die Informationsverteilung auf den Bahnsteigen gewährleistet.

Die Beschallungsanlage „Cura“ ist vom Eisenbahnbundesamt für den Einsatz in der Reisendenwarnung zugelassen.
Die Beschallungsanlage „Cura“ ist vom Eisenbahnbundesamt für den Einsatz in der Reisendenwarnung zugelassen.

Beschallungsanlage und Ansagegerät in einem

Neben dem Einsatz in der Reisendenwarnung ist „Cura“ auch als Ansagegerät für Reisendeninformationssysteme nutzbar. Durchsagen lassen sich nach ihrer Dringlichkeit priorisieren, Nutzer können flexibel ins System eingreifen, um eine Live- oder Notfalldurchsage zu tätigen. Das bietet dem Bahnhofspersonal wesentliche Vorteile: Kommt es zu überfüllten Bahnsteigen, zum Beispiel im Rahmen von Großveranstaltungen, lassen sich die Besucherströme mittels Liveansagen gezielt lenken. Die Menschen können zur Ruhe aufgefordert werden, was die Gefahr einer Massenpanik minimiert. Da über die Lautsprecher der Beschallungsanlage die Möglichkeit besteht, stets den Umgebungslärm zu messen und daraufhin die Lautstärke der Ansagen zu regulieren, ist zu jeder Zeit sichergestellt, dass die An-sagen gut verständlich ausgegeben werden.

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Beschallungsanlage im Einsatz

Im Zuge des Streckenausbaus Paris – Ostfrankreich – Südwestdeutschland, kurz POS, realisieren Frankreich und Deutschland bis 2025 eine grenzüberschreitende Schnellbahnverbindung. Der deutsche Abschnitt umfasst dabei eine Strecke von circa 128 Kilometer zwischen Saarbrücken und Ludwigshafen. Statt bisher 160 km/h erhöht sich die Geschwindigkeit der Züge bis auf 200 km/h. Im Abschnitt Ludwigshafen – Kaiserslautern – Bruchmühlbach/Miesau kommt die Beschallungsanlage zum Einsatz und warnt zuverlässig vor schnellen Zugdurchfahrten.

Bei den Österreichischen Bundesbahnen (ÖBB) sind aktuell über 800 der insgesamt 1.100 Betriebsstellen mit „Cura“ ausgestattet. Durch ihre hohe Skalierbarkeit lässt sich die Beschallungsanlage an die sehr unterschiedlichen Anforderungen der Betriebsstellengrößen anpassen. So erfüllen aktuell rund 1.400 Geräte bei den ÖBB ihren Dienst im Rahmen des Fahrgastinformationssystems „Auris“.

Vorteile im Sicherheitsbereich

Beschallungssysteme kommen nicht nur auf Bahnhöfen zum Einsatz. Auch in anderen Bereichen Kritischer Infrastruktur sind sie unerlässlich. So setzt die ÖBB die Beschallungsanlage „Cura“ beispielsweise auch als Sprachalarmanlage ein. Zudem unterstützt die Beschallungsanlage den Anschluss von Feuerwehrsprechstellen. Gegen Stromausfälle ist die Anlage dabei durch eine USV geschützt. In der Sparte Gefahrenmanagement hat die Funkwerk-Tochter vipro.sys eine PSIM (Physical Security Information Management)-Software (vipro.gms) entwickelt, die das Anzeigen, Auswerten und Steuern verschiedener, dezentraler Sicherheitssysteme auf einer einzigen Plattform ermöglicht. Hier ist das Beschallungssystem „Cura“ vollständig über IP-Strukturen eingebunden. Es kann Personen im Gefahrenbereich akustisch warnen und durch gezielte Informationen eine Evakuierung unterstützen.

Christian Ringler, Geschäftsführer Funkwerk Systems GmbH Karlsfeld.

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