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Spuren nicht zerstören

Tatorte können maximalen Aufschluss über Tat und Täter geben, sofern sie nicht verändert oder verfälscht werden. Denn nur unbeeinflusste Spuren sind Garanten für Ermittlungserfolge und die Erhellung der Tathintergründe. Die erste Sorge von Geschädigten sollte deshalb der möglichst vollständigen Erhaltung des vorgefundenen Originalzustands gelten.

Der unbedarfte Laie kann an einem Tatort unbewusst viele Spuren verändern und der Polizei so die Arbeit erschweren.
Der unbedarfte Laie kann an einem Tatort unbewusst viele Spuren verändern und der Polizei so die Arbeit erschweren.

Diese Hinweise sind notwendig, denn der oder die Erste am Tatort ist folglich häufig eine Person, die keinerlei Erfahrungen mit solchen Sachverhalten hat und auch nicht mit Sicherheitsaufgaben vertraut ist. Zwar gibt es Berufsgruppen, die sich ausgezeichnet mit der Thematik Spuren auskennen, doch sie sind nicht immer gleich direkt vor Ort.

Gut gemeint, nicht gut gemacht

Das bedeutet, es kann bis zum Eintreffen von Fachkräften in aller Unschuld viel falsch gemacht werden. Wird der Schutz des Tatortes und der Spuren als Erstmaßnahme nicht oder nicht richtig vollzogen, sind die folgenden Schritte zumindest erheblich erschwert. Nehmen wir ein negatives Beispiel, das einen Raub betrifft. Als im süddeutschen Raum eine Bank überfallen wurde, „inspizierte“ noch vor dem Eintreffen der Polizei der komplette Vorstand des Instituts den Schauplatz des Verbrechens.

Mit dabei: weitere Mitarbeiter der Zentrale und herbeigerufene Medienvertreter. „Ein Spurenvernichtungskommando“, bilanziert ein polizeilicher Spurensicherer. Straftäter lassen immer, auch wenn sie noch so professionell vorgehen, „Visitenkarten“ zurück. Zwar versuchen Einbrecher oft, durch Tragen einer Art Schutzkleidung (beispielsweise Overall), Handschuhen und Sturmhauben die Spurenlegung zu minimieren, doch gänzlich vermeiden können sie sie nicht. Da Teile des Gesichts zwangsläufig frei bleiben müssen, werden immer DNA-Spuren hinterlassen.

Jeder Mensch sondert bis zu 100 Hautschüppchen pro Minute ab, ob er will oder nicht. Unvermeidbar sind ebenso Schuhspuren. Einbrecher mögen keine Überschuhe/ Überzüge, da sie zwar spurenvermeidend wirken, aber gleichzeitig die Flucht- und Bewegungsmöglichkeiten entscheidend einschränken würden. Wenig bekannt ist, dass Schuhspuren ebenso wie Fingerabdrücke unverwechselbare Individualmerkmale aufwiesen. Polizeiliche Experten sind nicht nur in der Lage, Marke, Modell und sogar Produktionszeit zu bestimmen, sondern auch den Abdruck anhand spezifischer Gebrauchsspuren definitiv einem bestimmten Träger zuzuordnen.

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Vorgehensweise

Ähnlich aussagekräftig sind Ohrabdrücke. Keiner dieser Abdrücke ist wie der andere. Viele Täter horchen erst einmal an Türen oder Fensterscheiben, um sicher zu gehen, dass sich niemand in einem Raum befindet. Dazu legen sie den Ohrbereich kurzzeitig frei. Wie sollten Sie also vorgehen, wenn Sie beispielsweise einen Einbruch feststellen? Bleiben Sie an dem Punkt stehen, an dem Sie zuerst die Feststellung treffen. Merken Sie sich den Punkt der Feststellung, damit sie ihn später genau beschreiben können.

Von diesem Festpunkt aus treffen Sie zunächst Maßnahmen der Eigensicherung: Stellen Sie sicher, dass sich keine Täter mehr vor Ort befinden. Dazu mögliche Verstecke visuell kontrollieren. Achten Sie auf Brandgeruch, verdächtige Geräusche und mögliche Gefahrenquellen zum Beispiel freiliegende Kabel, ausströmende Gase, ausgegossene Flüssigkeiten. Verständigen Sie die zuständigen Stellen im Unternehmen oder über Notruf die Polizei. Eine klare betriebliche Anweisung für solche Fälle erleichtert das richtige Vorgehen. Informieren Sie die Polizei oder die zuständige betriebliche Stelle über Besonderheiten wie offene/eingeschlagene Fenster, aufgebrochene Türen und Behältnisse oder flüchtige Spuren (feuchte Schuhabdrücke, Blutflecken, Sandspuren) oder eigentümliche Gerüche (auch Parfüm, Deo). Sie werden dann sicherlich erste Hinweise erhalten, die Sie unbedingt beachten sollten. Sie sind ein wichtiger Zeuge.

Verschaffen Sie sich deshalb vom Festpunkt aus einen allgemeinen Überblick. Den Tatort mit den Augen statt mit den Füßen „betreten“, lautet die Maxime. Nichts verändern, nichts berühren. Am Tatort nicht essen, trinken oder rauchen. Halten Sie Drittpersonen vom Tatort fern. Jedes unnötige Betreten des relevanten Bereichs kann nicht nur wichtige Spuren beeinträchtigen, sondern durch eigene Spurenlegung die spätere Spurensicherung verkomplizieren.

Dokumentation

Wenn möglich die Auffindesituation fotografisch dokumentieren. Ein Handy/Smartphone mit Fotofunktion hat heute nahezu jeder dabei. Schießen Sie zunächst frontale Übersichtsaufnahmen. Sollten komplette Übersichtsaufnahmen aus räumlichen Gründen nicht möglich sein, fotografieren Sie Teilbereiche überlappend. Aus den Einzelbildern kann dann eine Gesamtübersichtsaufnahme angefertigt werden. Fotografieren Sie anschließend in unterschiedlichen Richtungen diagonal in den Raum hinein. Im Außenbereich gelegene Tatorte sollten Sie aus allen vier Himmelsrichtungen und möglichst auch von oben (beispielsweise aus Gebäuden) fotografisch festhalten. Sollte es aber unumgänglich sein, den Tatort zu betreten (Gefahrenabwehr, Versorgung von Verletzten), wählen Sie eine möglichst spurenschonende Variante.

Gehen Sie direkt an einer der Wände entlang, statt mitten durch den Raum zu laufen. In diesem äußersten Randbereich wird sich mit hoher Wahrscheinlichkeit kein Täter aufgehalten haben. Protokollieren Sie jeden Schritt und jede zwingend erforderliche physische Veränderung, damit die später eintreffenden polizeilichen Spurensicherer die richtigen Schlüsse ziehen können und nicht der Gefahr von Trugspuren erliegen. Besser noch: Bevor Sie einen Gegenstand anfassen, fotografieren Sie ihn im ursprünglichen Zustand und in der vorgefundenen Position. Schießen Sie jeweils Detailaufnahmen des Gegenstands und Übersichtsaufnahmen, die neben dem eigentlichen Gegenstand auch dessen räumliches Umfeld festhalten.

Berücksichtigen Sie die Position der Gegenstände. Optimal ist es, wenn Sie einen Maßstab (Lineal oder jeden anderen Gegenstand mit feststehenden Maßen) am Bildrand mitfotografieren. Ist der Einsatz von Rettungsdiensten erforderlich, legen Sie eine Spurensicherungsgasse, auch Trampelpfad genannt, fest. Das ist ein Weg durch den Tatort, der dem Rettungszweck genügt, aber auch der Gefahr der Spurenvernichtung entgegenwirkt. Soweit machbar, sollte der Trampelpfad über eine möglichst weite Strecke im äußersten Randbereich verlaufen und dann in direkter Linie zum relevanten Bereich führen.

Kann die Spurensicherung nicht zeitnah vor Ort erscheinen, was bei Überlastung der Fall sein kann, sorgen Sie dafür, dass Sie jederzeit für Nachfragen erreicht werden können. Verständigen Sie die betriebliche Stelle oder die Polizei, wenn Sie aus unabweisbaren Gründen den Tatort verlassen müssen, teilen Sie Ihre Mobilfunknummer mit und stellen Sie sicher, dass Sie dann auch kontinuierlich erreichbar sind. Bedenken Sie immer: Umsichtiges Verhalten am Tatort ist einer der wichtigsten Schritte in Richtung Tataufklärung.

Klaus Henning Glitza

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