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Ziel erreicht

Am 3. Juni 2012 geht der komplett neu erbaute Flughafen Berlin Brandenburg Willy Brandt (IATA-Code BER) in Betrieb. Erstaunlich genug für ein Objekt dieser Größenordnung hat sich die Bauzeit lediglich um ein halbes Jahr verschoben, und die Kosten sind mit knapp drei Milliarden innerhalb des vorgesehenen Rahmens geblieben. Über zwei Start- und Landebahnen werden fortan bis zu 27 Millionen Passagiere pro Jahr in dem 1.760 Hektar großen Midfield Airport abgefertigt.

750 Bundes- sowie 150 Landespolizisten werden zusammen mit 250 Zollbeamten für den reibungslosen Ablauf des Geschehens auf dem neuen Flughafen sorgen. Sie sind in einem Sicherheitsgebäude im nördlichen Teil des neuen Flughafens untergebracht, wo alle Sicherheitseinrichtungen gebündelt sind und die Leitstelle der Flughafensicherheit eingerichtet ist. Die Bundespolizei ist für den gesamten Luftverkehr zuständig, sie führt die Passkontrollen durch, läuft Streife im Gelände, durchleuchtet Gepäckstücke und sorgt auch für die Sicherheit im neuen unterirdischen Flughafenbahnhof.

Dabei muss der gesamte Flughafen sorgsam in unterschiedliche Bereiche getrennt werden: nicht nur in land- und luftseitig, sondern auch nach grenzüberschreitend, innerdeutsch, Transit, oder nach EU/Nicht-EU, Schengen/Nicht-Schengen, was im Notfall enorme Komplikationen erzeugen kann. Entsprechend schwierig ist die Fluchtwegkennzeichnung. Aufgabe der Landespolizisten sind Delikte, wie Diebstähle, Krawalle oder die Schlichtung von Streitigkeiten zwischen Reisenden.

Argusaugen

300 IP-Dome-Kameras, 260 HD-Videokameras sowie weitere 900 Videokameras wachen rund um die Uhr über den gesamten Flughafen. Sie sind in einem Netz zusammengeschlossen, das von der Bundespolizei, Aviation Flughafensicherheit, der Feuerwehr und der Deutschen Flugsicherung in den jeweiligen Sicherheitsleitstellen genutzt werden kann.

Für die Sicherung des Geländes wurde der Sicherheitszaun mit Übersteig- und Unterkriechschutz auf fünfundzwanzig Kilometer erweitert und umlaufend mit modernster Videotechnik und Bewegungsmeldern ausgestattet: 50 Autodome-Video- und Infrarotkameras und 22 Kilometer Sensorkabel wurden dafür installiert. Das Vorfeld des BER mit dem dazugehörigen Rollverkehr wird von insgesamt 212 Videokameras überwacht.

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Nichts anbrennen lassen

Laut ICAO-Vorschrift (Internationale Zivilluftfahrt-Organisation) müssen die Einsatzkräfte der Feuerwehr die Enden der Start- und Landebahnen innerhalb von 180 Sekunden erreichen. Mit Spezialgerät werden Flugzeuge, die von der Landebahn abgekommen sind, zurückgeholt, Notlandungen mit Schaumteppichen vorbereitet, oder auch Triebwerkbrände gelöscht. Dazu stehen drei Feuerwachen mit Spezial-Löschfahrzeugen zu Verfügung. Die bereits im alten Flughafen Schönefeld existierende Feuerwache Nord ist für den noch im Bau befindlichen Regierungsflughafen und das nördliche Start- und Landebahnsystem zuständig. Die Feuerwache West beherbergt neben der Feuerwehrleitstelle das Airport Control Center, die Notfalleinsatzzentrale, die Sicherheitsleitstelle und die Leitstelle Technik. Zudem befinden sich hier feuerwehrspezifische Einsatzräume und Hallen für Großfahrzeuge.

Auch im Terminal selbst ist man gegen Brand gerüstet: 50.000 Sprinkler sind über die sechs Geschosse des Hauptgebäudes und die diversen Nebengebäude verteilt. 420 LSNi-Ringe (Lokales Sicherheitsnetzwerk improved) mit 19.000 automatischen und manuellen Brandmeldern sind an neun UGM-Zentralen angeschlossen, sie werden Brandherde melden und gleichzeitig Entrauchungsanlagen in Betrieb setzen.

Der drei Kilometer lange Tunnel unter dem Flughafengelände, durch den die Passagiere mit S- und Fernbahn direkt zum Bahnhof unter dem Terminal fahren, ist mit modernster Sicherheitsausstattung, was Beleuchtung, Notausgänge, Feuerlöschleitung und Ausrüstung für digitalen Polizeifunk anbelangt, versehen. Zudem werden hier von der Deutschen Bahn zwei speziell für Tunneleinsätze konzipierte Schienen-Hybridfahrzeuge mit Langzeit-Atemschutzgeräten und Wärmebildkameras stationiert.

Immer an Heathrow denken

Vor vier Jahren weihte der Londoner Flughafen Heathrow ein neues Terminal ein, ohne vorher die Abläufe ausreichend trainiert zu haben. Der Erfolg war verheerend: 20.000 Koffer mussten in Mailand auseinander sortiert werden, hunderte von Flügen wurden gestrichen. Es sieht so aus, als ob dieses Horrorszenario den Berlinern erspart bleibt: Seit November 2011 trainieren zehntausend Komparsen mit Polizei, Zoll, Flughafenpersonal, Airlines und Feuerwehr den Ernstfall – vom normalen Flug mit Gepäck über verlorene Bordkarten, versuchten Waffenschmuggel, hysterische Familienväter, Einchecken an falschen Countern. Bis hin zu weniger wahrscheinlichen Szenarien, wie Terroranschlägen, einer Geiselnahme oder einem Amokläufer, wurde alles geprobt. Eine komplette Evakuierung ist ebenfalls durchgespielt worden.

Die automatisierten Prozesse – wie die in der 20.000 Quadratmeter großen Gepäckabfertigungsanlage – werden unter Volllast getestet. Bis zu 15.000 Testkoffer – das ist die Stunden-Kapazität der Anlage – stehen dazu zur Verfügung. Permanent wird nachjustiert, alle Erfahrungen fließen sofort in die Abläufe ein, die damit ständig optimiert werden können. Die Erfahrungen sind so gut, dass die Verantwortlichen des Flughafens zuversichtlich sind, dass es am ersten Wochenende im Juni zu keinen Katastrophen kommen wird und alles nicht schlechter als vielleicht ein wenig holprig ablaufen wird.

Technische Abnahme

Längst sind auch die Sicherheitsüberprüfungen der etwa 20.000 Beschäftigten des Flughafens abgeschlossen. Sie alle sind mit Spezialausweisen mit teilweise biometrischen Merkmalen und Passwörtern versorgt, es ist festgelegt, auf welchen Wegen sie zu ihrem Arbeitsplatz gelangen können. Knapp 2.000 Ausweisleser und Tür-Controller sind über den Flughafen verteilt und sorgen dafür, dass niemand unberechtigt in Sicherheitszonen gelangen kann.

Bereits im Dezember hat der TÜV Rheinland mit der technischen Abnahme des gesamten Flughafens begonnen. Dabei werden die Funktion jedes einzelnen Systems und das Zusammenwirken der verschiedenen Anlagen von unabhängigen Sachverständigen überprüft. Dazu gehören auch die Sicherheits- und Notfallsysteme der Energieversorgung, Feuerlöschsysteme, Entrauchungsanlagen, Brandmelder und Aufzüge. Die erfolgreiche Prüfung und das endgültige OK durch den TÜV ist die Voraussetzung für die Freigabe durch die staatlichen Behörden.

Und dann noch der Umzug

Eine Besonderheit des Umzugs liegt darin, dass zwei Flughäfen – der fünfunddreißig Kilometer entfernte Flughafen Tegel und der nur wenige hundert Meter entfernt gelegene Flughafen Schönefeld – zum neuen Hauptstadt Airport Willi Brandt zusammengelegt werden. Bereits im April hat der Umzug der weniger wichtigen Teile begonnen, in der Nacht zum 3. Juni wird die Autobahn zwischen Tegel und dem neuen Flughafen komplett gesperrt und sechshundert Ladungen auf Tiefladern, LKW und anderen Fahrzeugen bewegen sich vom alten Flughafen Tegel TXL zum neuen Flughafen Berlin Brandenburg BER. Einige Umzugsstücke sind für die fünf Tunnel und neunundzwanzig Brücken auf dem Weg nach Schönefeld zu groß, sie müssen ausgesuchte Umwege fahren. Polizei, Feuerwehr, Abschleppdienste und Ersatzfahrzeuge stehen bereit und hoffen auf einen geschmeidigen Ablauf.

Am 2. Juni 2012 um 22:50 startet die letzte Maschine in Berlin Tegel. Die Lichter der Start- und Landebahn werden ausgeschaltet. Tegel ist Geschichte.

Michael Hassenkamp

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