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Private Wirtschaft und Staat 6. November 2013

Kräfte bündeln

Seit gut 150 Tagen ist Gregor Lehnert nun Präsident des BDSW – dies nahm PROTECTOR zum Anlass, ihn zur Neuausrichtung des Verbandes und zur Sicherheitsarchitektur Deutschlands zu befragen.

Das Aufgabengebiet der Sicherheitsmitarbeiter ist vielfältig.
Das Aufgabengebiet der Sicherheitsmitarbeiter ist vielfältig.

PROTECTOR: Herr Lehnert, wie sieht denn Ihre „Zwischenbilanz“ als Präsident aus?

Gregor Lehnert: Für eine Zwischenbilanz ist es noch etwas zu früh. In den letzten Monaten habe ich eine ganze Reihe von Gesprächen sowohl inner- als auch außerhalb des Verbandes geführt und meine Vorstellungen über die zukünftige Verbandsarbeit dargelegt.

Außerdem habe ich einen ganzen Tag in Bad Homburg verbracht und mir von der Geschäftsführung des Verbandes einen Überblick über die Arbeit in 15 Landesgruppen und fast 20 Arbeitskreisen geben lassen. Die Vielschichtigkeit hat selbst mich überrascht.

Insgesamt bin ich mit meinem Einstieg als Präsident sehr zufrieden, und ich freue mich auf die Verbandsarbeit in den nächsten dreieinhalb Jahren.

Welche Themen haben Sie sich momentan als die dringlichsten auf die Agenda gesetzt?

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Das vorrangige Ziel ist die Weiterentwicklung unserer Tarifpolitik. Die Arbeitgeberfunktion steht für viele Mitgliedsunternehmen nach wie vor im Vordergrund. Leider war der Abschluss eines neuen Mindestlohntarifvertrags mit der Gewerkschaft Verdi aufgrund von Widerständen aus den einzelnen Landesbezirken bisher nicht möglich.

Dies ist vor dem Hintergrund der Bundestagswahl nicht unbedingt von Nachteil. Nun müssen wir abwarten, auf welchen Mindestlohn sich die voraussichtlich neue Bundesregierung einigt. Ich habe mich mit Verdi darauf verständigt, im Frühjahr 2014 die Verhandlungen wieder aufzunehmen.

Ein wichtiges Thema ist auch die Verschärfung des Gewerbezugangs. In einer Pressekonferenz in Berlin habe ich gefordert, dass die Zuständigkeit für unsere Branche von den Wirtschafts- auf die Innenbehörden übertragen wird. Auch hier erwarten wir uns von der neuen Bundesregierung eine wichtige Weichenstellung.

Berlin ist ein gutes Stichwort: Wie empfinden Sie denn die Zusammenarbeit mit den Sicherheitsbehörden? Haben Sie Wünsche an die Politik?

In den vergangenen Wochen habe ich mit den Präsidenten des Bundeskriminalamtes, des Bundesverfassungsschutzes und des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik gesprochen. Wir wollen die Sicherheitsbehörden gewinnen, unsere Mitgliedsunternehmen für die vielfältigen Herausforderungen der Unternehmenssicherheit zu sensibilisieren.

Wir sind der einzige Verband in Deutschland, der über seine Mitgliedsunternehmen Kontakt zu zehntausenden klein- und mittelständigen Unternehmen hat. Viele „Hidden Champions“ verfügen über ein besonderes Schutzbedürfnis und haben häufig nicht die Ressourcen in den Sicherheitsabteilungen. Darin sehen wir eine große Chance für unsere Mitglieder.

Damit eng verbunden ist ja die Qualität der Dienstleistung, die ihren Preis hat. Wird der Mindestlohn vom Kunden inzwischen akzeptiert?

Nach einer über vierjährigen Überzeugungsarbeit haben wir seit Sommer 2011 einen Mindestlohn unter dem Dach des Arbeitnehmerentsendegesetzes. Die damit verbundenen Erhöhungen waren in den 16 Bundesländern sehr unterschiedlich.

Die Akzeptanz unserer Kunden dafür war bisher vorhanden. Die entscheidende Frage wird sein, wie sich in den nächsten Jahren der gesetzliche Mindestlohn entwickeln wird. Sollten die Steigerungen zu hoch ausfallen, wird es zu zahlreichen Neuausschreibungen kommen. Davon würden insbesondere Nichtverbandsunternehmen profitieren, die im Unterschied zu unseren Mitgliedern nicht an Zahlungen von Zuschlägen für die Sonn- und Feiertagsarbeit gebunden sind.

Der Qualitätsansatz bringt es ja auch mit sich, dass ein Sicherheitsdienstleister inzwischen nicht nur die Technik beherrschen muss, sondern auch beratend aktiv werden kann. Wird dies vom Kunden nachgefragt?

Zu einer modernen Sicherheitsdienstleistung gehört heute zwangsläufig auch eine kompetente Beratung. Der Kunde muss über die unterschiedliche Qualifikation der Beschäftigten und der damit verbundenen Kosten genauso informiert werden wie über die möglichen Einsatzmöglichkeiten moderner Technik.

Damit machen wir qualifizierten Sicherheitsberatungsunternehmen keine Konkurrenz. Im Gegenteil, sie werden immer wichtiger, wenn es darum geht, für einen Kunden eine passgenaue Sicherheitslösung auszuwählen. Deshalb wollen wir ja noch mehr Beratungsfirmen für den Verband gewinnen.

Wie sieht es denn beim „Nachwuchs“ aus – gewinnen Sie noch die nötigen Mitarbeiter für die Branche?

Seit vielen Jahren beginnen circa 1.200 jungen Menschen eine zwei- oder dreijährige Ausbildung in der Sicherheitswirtschaft. Es war von Anfang an klar, dass die Servicebeziehungsweise die Fachkraft für Schutz und Sicherheit keine Massenausbildungsberufe werden.

Wir haben damit jedoch die Voraussetzung geschaffen, auf eine zunehmend komplexer werdende Anforderung unserer Kunden reagieren zu können. Es ist nicht immer leicht, diesen jungen Menschen nach einem erfolgreichen Abschluss ihrer Ausbildung eine adäquate Verwendung zu vermitteln.

Die damit verbundene Lohnerhöhung, von rund 30 Prozent sind nur wenige Kunden bereit zu bezahlen. Dies muss sich ändern, damit die Berufe noch attraktiver werden.

Welche Maßnahmen kann der Verband dazu ergreifen?

Bei einer Branche mit bundesweit 185.000 Mitarbeitern ist die Nachwuchsgewinnung sehr unterschiedlich. Generell gilt, dass wir uns umso schwerer tun, je besser es der Wirtschaft insgesamt geht. Insofern führt die erfreulicher Weise gute Konjunktur in Deutschland tatsächlich dazu, dass es in manchen Regionen sehr schwierig ist, geeignete Bewerber zu gewinnen.

Deshalb werden die Löhne auf Grund der demografischen Entwicklung in einigen Regionen überproportional ansteigen müssen, ob über den Tariflohn oder über außertarifliche Zulagen. Mit einer intelligenten Kombination von Technik und Mensch lassen sich die Kundenbedürfnisse zukünftig noch besser abbilden, und es kann so auf die demografische Entwicklung reagiert werden.

Werfen wir einen Blick auf die deutsche Verbandslandschaft zum Thema Sicherheit, die momentan etwas im Umbruch ist. Warum tritt der BDSW zum Jahresende aus der ASW aus?

Der BDSW ist Mitte der 90er Jahre als einer der ersten Mitgliedsverbände außerhalb der VSW in die ASW eingetreten. Mein Vorgänger, Wolfgang Waschulewski, und ich waren und sind Vorstandsmitglieder.

Durch die Neuausrichtung unseres eigenen Verbandes greifen wir jedoch zunehmend Themen auf, die von der ASW ebenfalls besetzt werden. Leider sind auch die Spitzenverbände der Wirtschaft, DIHK, BDI und BDA inzwischen ausgetreten. Diese waren in den vergangenen 20 Jahren die großen Förderer der ASW.

Die ASW muss sich gemeinsam mit den VSW neu definieren. Wir werden jedoch auch in Zukunft mit der ASW gemeinsame Veranstaltungen, wie zum Beispiel eine gemeinsame Ausbildungstagung, durchführen.

Ist es nicht zu befürchten, dass es zu einer „Zerfledderung“ des Themas Sicherheit kommt, da zu vieles parallel läuft?

Durch den Austritt von BDI, DIHK und BDA ist die Politik eines „Single point of contact“ beendet. Damit hat die ASW ihre bisherige Monopolstellung als Ansprechpartner der Sicherheitsbehörden für die Wirtschaft verloren.

Die ASW ist vor allem ein Zusammenschluss der Sicherheitsabteilungen der großen Unternehmen in Deutschland. Diese, wie Sie sagen „Zerfledderung“, muss kein Nachteil sein. In einem föderalen Land wie Deutschland sind in 16 Bundesländern fast 50 Sicherheitsbehörden aktiv. Deshalb kann kein einziger Verband für sich den Anspruch haben „die Sicherheitsbedürfnisse“ der deutschen Wirtschaft zu vertreten. Best-Practice-Lösungen sind vor diesem Hintergrund eher zu erwarten als bisher.

Und wie stellen Sie sich den künftigen Weg des BDSW vor?

Die Bedeutung der privaten Sicherheit wird in Deutschland weiter zunehmen. Die Polizei wird sich weiter aus der Fläche und auch aus bestimmten Aufgaben zurückziehen. Dies schafft unternehmerische Spielräume, die es für die Sicherheitswirtschaft zu nutzen gilt.

Wir werden daher den eingeschlagenen Weg weiter erfolgreich fortsetzen, auf die Leistungsfähigkeit der Sicherheitswirtschaft hinweisen und neue Mitglieder aus der Dienstleistung, der Technik und Unternehmensberatung gewinnen.

Die Gespräche mit den Sicherheitsbehörden und Vertretern der Innenministerien haben mir gezeigt, dass wir ernst genommen und unsere Anliegen aufgegriffen werden. Unsere Bedeutung als Verband wird damit weiter zunehmen.

Wichtig werden auch die Ergebnisse in der Koalitionsvereinbarung zwischen CDU/CSU und der SPD sein. Wir erhoffen uns davon unter anderem einen Zuständigkeitswechsel: weg von den Wirtschafts- zu den Innenbehörden. Öffentliche und private Sicherheit gehören unter das Dach der Innenbehörden!

Interview: Annabelle Schott-Lung

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