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Öffentliche Sicherheit 4. Oktober 2023

Interdisziplinäre Kriminalwissenschaften als Future Skills für Sicherheitsmanager

An Sicherheitsmanager werden immer höhere Anforderungen gestellt. Interdisziplinäre Kriminalwissenschaften gehören dabei zu den „Future Skills“.

An Sicherheitsmanager werden immer höhere Anforderungen gestellt. Interdisziplinäre Kriminalwissenschaften gehören dabei zu den „Future Skills“.
An Sicherheitsmanager werden immer höhere Anforderungen gestellt. Interdisziplinäre Kriminalwissenschaften gehören dabei zu den „Future Skills“.

Jobs mit Zukunftsperspektive und hohen Einstiegsgehältern, nicht selten ein Firmenwagen, Diensthandy und -laptop sowie hybrides Arbeiten: Attraktive Rahmenbedingungen in der privaten Sicherheit machen es den Sicherheitsbehörden zunehmend schwer, ausreichend Personal rekrutieren zu können. Mit der Attraktivität sind aber auch gleichzeitig die Anforderungen an diejenigen gewachsen, die in Unternehmen auf vielschichtigen Ebenen für Sicherheit und die Einhaltung von Gesetzen sorgen sollen. Die Kenntnisse über interdisziplinäre Kriminalwissenschaften gehören dabei für Sicherheitsmanager zu den Future Skills für die Anforderungen der Arbeitswelt von Morgen. Bei dieser Kompetenzvermittlung spielen private Hochschulen eine besondere Rolle.

 Nachwuchsprobleme bei der Polizei

 „Keiner will zur Polizei: Auch kreative Ausbildungskampagnen helfen kaum“ (Redaktionsnetzwerk Deutschland), „Bremer Polizei hat Probleme bei Nachwuchs-Rekrutierung“ (Weserkurier), „Nachwuchsmangel bei Bayerns Polizei“ (Frankenpost), „Polizeibehörden kämpfen mit Bewerberrückgang“ (Spiegel), „Job zu unattraktiv? Sorge um den Nachwuchs bei der Polizei“ (Hamburger Abendblatt), so lauten nur einige der jüngsten Schlagzeilen, die die Personalmisere der Polizeien in Bund und den Ländern deutlich machen. Obwohl die Einstellungskriterien mehrfach abgesenkt wurden, gehen den Sicherheitsbehörden die geeigneten Bewerber aus. Dabei ist in den Ländern derzeit schon eine beachtliche Zahl der Stellen unbesetzt. Auch wenn der Fachkräftemangel alle Branchen trifft, zeichnet sich bereits seit längerem ab, dass der Öffentliche Dienst davon besonders betroffen ist und es zukünftig in noch größerem Maße sein wird. Auch wenn der Öffentliche Dienst als vielfältiger, sicherer und familienfreundlicher Arbeitgeber gilt, hat er in Bezug auf den Verdienst, persönliche Entwicklungsmöglichkeiten und Karriereplanung ein deutliches Imageproblem. Gerade leistungsstarke junge Menschen entscheiden sich deshalb mehr und mehr gegen den Öffentlichen Dienst. Dazu kommt, dass aktuell bis zu 20 Prozent der Nachwuchskräfte eines Einstellungsjahrganges bei der Polizei ihr Studium abbrechen oder sie verlassen nach kurzer Dienstzeit ihren Job, weil die berufliche Realität eine andere ist als die, die sie sich vorgestellt haben. Viele von ihnen wechseln als Quereinsteiger in die private Sicherheit oder beginnen ein neues Studium, welches für die Tätigkeit in der Sicherheitsbranche qualifiziert.

Virtual Reality: Interaktives Sicherheitstraining
Der Einsatz von Virtual und Extended Reality bietet die Möglichkeit, Einsatz- und Rettungskräfte in einem interaktiven Sicherheitstraining zu schulen.

Gestiegene Anforderungen an Unternehmen

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Unternehmenssicherheit ist „Business Enabler“, so PWC in ihrem „Corporate Security Survey 2022“. Diese Erkenntnis hat sich mehr und mehr auch in den Köpfen der Unternehmensverantwortlichen manifestiert, die die Unternehmenssicherheit nicht mehr als notwendiges Übel betrachten, sondern als Grundlage für ihre Geschäftstätigkeit anerkannt haben. Insgesamt sind die Risiken in den letzten Jahren komplexer und auch zahlreicher geworden. Wirtschaftskriminalität, Spionage, Vandalismus oder geopolitische Ereignisse sind nur einige Beispiele. Dazu kommen die gestiegen rechtlichen Anforderungen für Kritis-Unternehmen und Unternehmen im besonderen öffentlichen Interesse (UBI), nationale und internationale Vorgaben hinsichtlich Compliance und Risk Management für regulierte und nicht-regulierte Unternehmen, CSR- und ESG-Vorgaben, Anforderungen aus dem Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) und nicht zuletzt aus dem Hinweisgeberschutzgesetz (HinSchG).

Besonders die Anforderungen an die unternehmerische Compliance durch die jüngere Rechtsprechung („Neubürger-Urteil“, LG München I, Urteil vom 10.12.2013 – 5 HK O 1387/10 und OLG Nürnberg, Urteil vom 30.03.2022 – 12 U 1520/19) machten mit ihren hohen Schadensersatz- und Rechtsverfolgungskosten deutlich, dass es keine gute Idee ist, auf effektive Compliance-Strukturen im Unternehmen verzichten zu wollen. Um in diesem Anforderungsdschungel bestehen zu können, bedarf es des erforderlichen Know-hows, denn Grundlage jedes wirksamen Compliance Management Systems (CMS) ist die Qualifikation derjenigen, die in dem entsprechenden Bereich arbeiten. Die KPMG-Studie zur Wirtschaftskriminalität in Deutschland 2023 stellte fest, dass jede zweite wirtschaftskriminelle Handlung lediglich durch Zufall entdeckt wird. Unternehmen sollten deshalb dafür sorgen, dass ihre Compliance-Verantwortlichen in der Lage sind, mögliches „Non Compliance“-Verhalten möglichst früh zu erkennen beziehungsweise zu verhindern, interne Untersuchungen (rechtssicher) durchführen zu können und Informationen schon mit Blick auf ein mögliches Verfahren beweisverwertbar erheben zu können. Ob ein CMS im Schadensfall als ausreichend betrachtet wird, liegt in der Bewertung der Sanktionsbehörden. Bei der Implementierung eines CMS sowie im PDCA-Modus (Plan-Do-Check-Act) eines bestehenden CMS können sich Unternehmensverantwortliche damit nicht allein auf Zertifizierungen verlassen. Im Zweifelsfall kann das zu wenig sein.

Erfolgreicher Studiengang zum Sicherheitsmanager
Aus dem klassischen „Leiter Sicherheit“ wird ein „Sicherheitsmanager“. Details zu einem entsprechenden Studiengang erfuhr PROTECTOR von Prof. Dr. André Röhl.

Gestiegene Anforderungen an Sicherheitsmanager

Die Qualifikationsmöglichkeiten in der Sicherheitsbranche sind heute umfangreich und mehrstufig. Das Studium „Sicherheitsmanagement“, wie es beispielsweise die Northern Business School (NBS) in Hamburg anbietet, nimmt hierbei eine besondere Rolle ein. Die Aufgaben von Sicherheitsmanagern sind sehr vielschichtig. Sie sollen die Einhaltung aller relevanten Sicherheitsbestimmungen und gesetzlicher Vorschriften gewährleisten, Sicherheitsrisiken erkennen und Gefährdungsanalysen erstellen und integrierte Sicherheitskonzepte entwickeln. Daneben müssen sie Sicherheitsmaßnahmen definieren und umsetzen, die Koordination des internen und externen Sicherheitspersonals übernehmen, die Supervision der Mitarbeiterschulung zu Sicherheit und Arbeitsschutz erarbeiten und durchführen, Maßnahmen ergreifen, um Risiken und Unfallwahrscheinlichkeit möglichst gering zu halten. Außerdem sorgen sie für die Verbesserung der Sicherheitsprogramme und Schaffung einer anhaltenden Sicherheitskultur, verwalten das Sicherheits-Budget und vieles mehr.

Oft trifft man in der Unternehmenssicherheit und in den Compliance-Abteilungen auf Seiteneinsteiger, die - zumindest teilweise - eine entsprechende Fortbildung vorweisen können. In größeren Unternehmen findet man neben ehemaligen Soldaten regelmäßig auch Ex-Polizisten vor, die abgeworben wurden. Das macht auf dem ersten Blick zwar durchaus Sinn, gerade wenn diese aus dem Bereich der Wirtschaftskriminalität kommen. Wirtschaftskriminalisten sind allerdings auch innerhalb der Polizei rar und begehrt. Polizisten verfügen aber im Gegensatz zu Sicherheitsmanagern grundsätzlich weder über Kenntnisse in den Bereichen Betriebs- und Volkswirtschaftslehre, des Rechnungswesens, des Controllings, des Personalmanagements, des Compliance- und Risk Managements, des Krisen- und Notfallmanagements, des Resilienzmanagements, der Konzernsicherheit oder der Hafen- und Luftsicherheit, was eine langwierige Fortbildung erforderlich macht. Zudem ist es oft nicht ganz einfach, jahrelanges „Behörden- beziehungsweise Beamtendenken“ in ein erforderliches ganzheitliches „unternehmerisches Denken“ zu verwandeln. Sicherheitsmanager erhalten in ihrem Studium des Weiteren umfassende Kenntnisse über die Kriminalwissenschaften. Zum Kanon der Kriminalwissenschaften gehören die Disziplinen Straf- und Strafprozessrecht, Kriminologie und Kriminalistik. Im Bereich der Strafrechtwissenschaften werden im Studium die Grundlagen des Strafgesetzbuches, der relevanten Strafnebengesetze und der Strafprozessordnung vermittelt. In einem weiteren Modul werden die wesentlichen Aspekte der Kriminologie und der Kriminalistik vermittelt. Das eigenständige Modul „Wirtschaftskriminalität“ muss dabei im Zusammenhang mit den jeweiligen Modulen „Compliance & Risk Management“, „Grundlagen der Betriebswirtschaftslehre“, „Rechnungswesen“ und „Controlling“ betrachtet und bewertet werden. Die vermittelten Inhalte entsprechen in Tiefe und Breite dem Niveau von polizeilichen Bildungseinrichtungen des Studiengangs Polizei-/Kriminalkommissar oder übertreffen diese sogar.

Interdisziplinäre Kriminalwissenschaften als „Future Skills“

Um in einem Beruf erfolgreich und den Aufgaben entsprechend arbeiten zu können, bedarf es zahlreicher fachlicher und persönlicher Kompetenzen und Qualifikationen in verschiedener Ausprägung. Schlüsselqualifikationen sind objektbezogen und auf die Erfüllung vorgegebener Zwecke gerichtete beschreib- und abprüfbare Kenntnisse, Fähigkeiten und Fertigkeiten. Schlüsselkompetenzen sind hingegen subjektbezogen und geistige oder physische Selbstorganisationsdispositionen, Fähigkeiten, Einstellungen, Erfahrungen und Lernverhalten, die befähigen, mit unscharfen oder fehlenden Zielvorstellungen und Unbestimmtheit umzugehen.

Future Skills sind (Schlüssel-) Kompetenzen, die es Individuen erlauben, in hochemergenten Handlungskontexten selbstorganisiert komplexe Probleme zu lösen und (erfolgreich) handlungsfähig zu sein. Sie basieren auf kognitiven, motivationalen, volitionalen sowie sozialen Ressourcen, sind wertebasiert und können in einem Lernprozess angeeignet werden. Im behördlichen Ermittlungsverfahren ist für den Verdacht die subjektive Überzeugung der Polizeibeamten basierend auf Tatsachengrundlagen und kriminalistischer Erfahrung entscheidend. Der Verdacht wird durch den direkten oder indirekten Personal- oder Sachbeweis begründet und ist Grundlage für strafprozessuale Maßnahmen. Die Beweisfindung erfolgt mit systematischen und mit intuitiven Methoden, durch Fachwissen, Erfahrung und Logik. Zum Erkennen und Verfolgen von strafrechtlich relevantem Verhalten beziehungsweise zur Verhinderung entsprechenden Verhaltens benötigen Polizeibeamte im ermittelnden Bereich grundsätzlich neben guten Kenntnissen über die relevanten Gesetze und Regelungen sowie diverser persönlicher und intellektueller Fähigkeiten eine ganz besondere kognitive Fähigkeit: das sogenannte „kriminalistische Denken“.

Dieses „kriminalistische Denken“ zum effektiven und effizienten Vorgehen bei der Aufklärung von Straftaten, das Denken in Hypothesen und die Methode des Verifizierens oder Falsifizierens, muss aber nicht nur bei Polizeibeamten, sondern bei all denen vorhanden sein, die in einem Bereich mit vergleichbarer Aufgabenstellung tätig sind. Sicherheitsmanager benötigen zwingend umfangreiche Kenntnisse über die Disziplinen der Kriminalwissenschaften, speziell über das „kriminalistische Denken“ als Schlüsselkompetenz und Future Skill. Es besteht ansonsten die Gefahr, dass defizitäre kriminalistische Kenntnisse und Fähigkeiten in der Praxis zu Fehlern bei der Sachverhaltsbeurteilung und -bearbeitung führen können, was existenzbedrohend für ein Unternehmen sein kann. Fehlendes kriminalwissenschaftliches Wissen stellt ein nicht zu unterschätzendes Haftungsrisiko dar und kann Karrieren beenden.

Private Hochschulen als lebenslange Partner

Laut einem aktuellen Gutachten des Instituts der deutschen Wirtschaft im Mai dieses Jahres erwarten Studierende einen hohen Praxisbezug ihres Studiums, eine gute Betreuungsrelation sowie eine innovative Studienorganisation. Gerade privaten Hochschulen wird hierbei zugetraut, diese Ansprüche an Hochschulbildung in der Transformation zu erfüllen. Und es sind auch eben diese privaten Hochschulen, die in den letzten Jahren im Gegensatz zu staatlichen Bildungseinrichtungen einen großen Zulauf hatten. Vom Wintersemester 2011/2012 bis 2021/2022 hat sich die Zahl der Studierenden dort fast verdreifacht, während die Gesamtzahl der Studierenden in Deutschland in diesem Zeitraum nur um rund ein Viertel gestiegen ist. Mittlerweile studieren rund 12 Prozent aller Studierenden an privaten Hochschulen, knapp 54 Prozent davon sind über 30 Jahre alt. Ebenfalls bemerkenswert ist der Fakt, dass privat Studierende sich besonders hinsichtlich ihrer Leistungsbereitschaft und Studienmotivation auszeichnen. Die Studierenden sehen die privaten Hochschulen als Partner für ein lebenslanges akademisches Lernen an, was für die Hochschulverantwortlichen bedeutet, ein maßgeschneidertes Angebot aus Bachelor- und Masterstudiengänge anbieten zu müssen, welches mit weiteren berufsbegleitenden akademischen Fortbildungs- und Qualifizierungsangeboten ergänzt sein sollte. Der Haupthinderungsgrund für ein Studium an einer privaten Hochschule liegt bei knapp 60 Prozent der Befragten darin, dass ihnen eine Hochschule bzw. ein entsprechender Studiengang nicht bekannt war. Es gibt hier also noch einiges für die Marketingabteilungen der Hochschulen zu tun.

Die Systematik der Kritischen Infrastrukturen wurde deutlich verändert. Verstärkt sind auch KMU betroffen, die ein Krisenmanagement implementieren müssen.
Kritis: Krisenmanagement für KMU
Die Systematik der Kritischen Infrastrukturen wurde deutlich verändert. Verstärkt sind auch KMU betroffen, die ein Krisenmanagement implementieren müssen.

Sehr gute Karriereperspektive

Die private Sicherheitsbranche boomt. Die Karriereperspektiven dort sind als gut bis sehr gut zu prognostizieren. Die privaten Hochschulen sind dabei sowohl Partner der Studierenden als auch der Unternehmen und qualifizieren das dringend benötigte Personal akademisch, flexibel und praxisnah. Private Hochschulen vermitteln Sicherheitmanagern die Future Skills für die Anforderungen der Arbeitswelt von morgen.

Prof. Dr. jur. André Schulz LL.M. M.A., seit September 2022 Professor für Kriminalwissenschaften an der NBS

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