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Öffentliche Sicherheit 16. Oktober 2023

Blackout: Folgen für die Versorgungssicherheit

Der nächste Winter steht vor der Tür. Wie sieht es mit der Versorgungssicherheit aus? Wie beeinflusst ein möglicher Blackout unsere Lebensmittelversorgung?

Wie beeinflusst ein möglicher Blackout unsere Lebensmittelversorgung und die Versorgungssicherheit ?
Wie beeinflusst ein möglicher Blackout unsere Lebensmittelversorgung und die Versorgungssicherheit ?

Im vergangenen Herbst wurde das Thema Blackout angesichts einer möglichen Eskalation der Energiekrise im Winter 2022/23 verstärkt diskutiert. Doch entgegen vieler Warnungen gab es weder bei Gas noch bei Strom Versorgungsengpässe. Alles nur Panikmache, könnte man meinen. Oder einfach nur Glück gehabt?

Am Blackout 2022 vorbeigeschlittert

Eher letzteres, wie wir heute wissen. Zum großen Teil hatten wir einfach Glück mit dem milden Winter, weil der Energiebedarf nicht so hoch war, wie er sonst gewesen wäre. Ein Winter wie 2012 oder 2017 wäre sicher anders verlaufen. Natürlich hat auch die eine oder andere Maßnahme dazu beigetragen, die zu erwartenden Probleme zu reduzieren, und so verschwand nach dem Winter das Thema Energiekrise und ihre möglichen Folgen schnell wieder in den Schubladen. Auch die Abschaltung der letzten drei Kernkraftwerke in Deutschland verlief erwartungsgemäß ohne Probleme. Die nächste Bewährungsprobe kommt jedoch absehbar im kommenden Winter. Wenn es wieder so mild wird wie im letzten Winter, dann ist alles kein Problem. Wenn nicht, steuern wir erneut auf größere Unsicherheiten und die Gefahr von Großschadensereignissen zu. Umso wichtiger ist es, sich weiterhin mit den Folgen möglicher Gas- oder Stromengpässe und großflächiger Abschaltungen und im schlimmsten Fall ungeplanter großflächiger Ausfälle zu beschäftigen. Denn die Gefahr ist nicht geringer geworden, nur unsere Aufmerksamkeit.

Folgen einer großflächigen Stromunterbrechung für Versorgungssicherheit

Die Folgen eines großflächigen Stromausfalls, sei es geplant durch rotierende Flächenabschaltungen im Rahmen einer möglichen Energielenkung („Brownout“) oder ungeplant durch eine europäische Großstörung („Blackout“), werden in vielen Bereichen unterschätzt. Auch wenn die Ursache und die Dauer eine Rolle spielen, würde ganz generell ein großflächiger Stromausfall bereits nach wenigen Stunden erhebliche Folgen und Schäden in anderen Kritischen Infrastrukturen und insbesondere in der gesamten Versorgungslogistik auslösen, auf die wir als Gesellschaft kaum vorbereitet sind. Zur Veranschaulichung ein Blick auf die Lebensmittelversorgung.

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  • Kühlketten: Ein besonderes Problem stellt die gesamte Kühlkette dar, wo zum Beispiel im Lebensmittelhandel mit erheblichen technischen Störungen gerechnet wird. Bereits nach drei bis vier Stunden Stromausfall können viele Kühlmöbel zum Wartungsfall werden und müssen vom Servicepersonal wieder in Betrieb genommen werden. Dies würde aufgrund des hohen Gleichzeitigkeitsfaktors einige Zeit in Anspruch nehmen.
  • Entsorgung: Damit entsteht auch ein enormes Entsorgungsproblem, und je nach Jahreszeit ist mit enormen Mengen an verdorbenen Lebensmitteln oder Rohstoffen zu rechnen. Solange die Entsorgung nicht gewährleistet werden kann, kann oft nicht wieder produziert oder verkauft werden.
  • Zahlungssysteme: Ein weiteres gravierendes Problem könnte sich bei den Zahlungssystemen ergeben, die nicht nur den Zahlungsverkehr direkt mit dem Kunden an der Kasse betreffen. Erhebliche Probleme könnten auch bei der Abrechnung in der Produktion oder Logistik auftreten, was wiederum zu einem hohen Koordinationsaufwand und damit zu erheblichen Verzögerungen führen dürfte.
  • Logistik: Bindeglied zwischen allen Bereichen ist die Logistik und damit häufig externe Dienstleister. Auch hier sind schnell vielschichtige Probleme zu erwarten: Welche Informationen und Anweisungen haben die LKW-Fahrer? Kann die Ware noch angenommen werden? Wie kommen die Fahrer nach Hause zu ihren Familien? Haben sie genügend Treibstoff im Tank? Können diese Fragen nicht zufriedenstellend beantwortet werden, droht schnell zusätzliches Chaos, das den Wiederanlauf erheblich verzögern würde. Ganz zu schweigen von der gleichzeitigen Abhängigkeit von der ebenfalls unterbrochenen Treibstofflogistik.
  • Telekommunikation und IT-Systeme: Zentrales Bindeglied zwischen allen Bereichen sind die Telekommunikationsversorgung und IT-Systeme, die eine permanente Synchronisation sicherstellen. Nicht zu vergessen sind dabei die Gebäudeleittechnik oder die Prozessleittechnik. In all diesen Bereichen ist bei großflächigen Stromausfällen mit erheblichen Schäden und Störungen zu rechnen. Ohne sie funktioniert jedoch weder ein Zahlungssystem noch ein Bestell- oder Liefersystem, meist auch keine Treibstoffversorgung. Auch die Entsorgung kann nicht organisiert werden. Von der Produktion ganz zu schweigen.
  • Unterschätzte Wiederanlaufschwierigkeiten: Wie die bisherigen Aktivitäten zur Blackout-Vorsorge gezeigt haben, werden die zu erwartenden Schwierigkeiten beim Wiederanlauf massiv unterschätzt. Der enormen Koordinationsaufwand zwischen den unterschiedlichsten Akteuren wird nur durch entsprechende Vorsorge, geplante Rationierungsmaßnahmen und ein koordiniertes und abgestimmtes Vorgehen gelingen. Dies erfordert eine klare Sicherheitskommunikation in Richtung Öffentlichkeit, um die vielen falschen Erwartungen auszuräumen.
Die Folgen eines Blackouts oder auch einer schwerwiegenden Gas- und Strommangellage würden unsere Gesellschaft als Gesamtes überfordern.
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Zusammenhänge

Die aufgezeigten Probleme und Abhängigkeiten sind nur ein kleiner Auszug. Denn was passiert, wenn, wie in vielen Regionen Deutschlands zu erwarten, auch noch die Wasserversorgung ausfällt? Nicht nur zu Hause, sondern auch in den landwirtschaftlichen Betrieben? Ein großer Knackpunkt wird auch der extrem hohe Gleichzeitigkeitsfaktor sein, sowohl bei Ersatzteilen als auch bei Dienstleistern. Der Wiederanlauf wird daher einige Zeit erfordern.

Während bei der Coronapandemie noch viele Ad-hoc-Verfahren möglich waren, wird dies bei einem möglichen Blackout nicht der Fall sein. Auch die gravierenden Verwerfungen in der Logistik, die sich aus möglichen Brownouts ergeben könnten, sind noch kaum irgendwo auf dem Radar. So würde etwa bei Brownouts auch der internationale Bahnverkehr ziemlich rasch zum Erliegen kommen, was wiederum schwerwiegende Logistikprobleme nach sich ziehen würde.

Das Thema Versorgungssicherheit betrifft also nicht nur einzelne Sektoren, denn fast alles hängt irgendwie miteinander zusammen. So können auch schwerwiegende Cyberangriffe, wie sie seit Jahren zunehmen, zu enormen Auswirkungen auf die Versorgungslogistik führen. Eine umfassende Blackout-Vorsorge deckt daher viele mögliche Szenarien ab, die zu Versorgungsunterbrechungen führen können. Denn ein Blackout ist nicht nur ein längerer Stromausfall, sondern führt zu einem Kollaps der gesamten Logistik mit kaum abschätzbaren Folgen. Die Auseinandersetzung mit dem Szenario Blackout betrifft also weit mehr als nur die Anschaffung eines Notstromaggregates. Es geht um unsere gesellschaftliche Abhängigkeit von überlebenswichtigen Versorgungsketten und deren Verletzlichkeit. Und bekanntlich ist eine Kette nur so stark, wie ihr schwächstes Glied. Vorsorge geht uns daher alle an!

Herbert Saurugg, internationaler Blackout- und Krisenvorsorgeexperte, Präsident der Gesellschaft für Krisenvorsorge (GfKV), Autor zahlreicher Fachpublikationen sowie gefragter Keynote-Speaker

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