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Editorial 2. Mai 2017

Wenn alles zur App wird

Digitalisierung, Internet der Dinge und wahlweise Industrie 4.0 oder vierte industrielle Revolution: Derzeit gibt es kaum eine Veranstaltung, kaum einen Kongress und schon gar keine Messe, auf denen diese Begriffe nicht ganz oben auf der Agenda stehen.
Andreas Albrecht, Chefredakteur.
Andreas Albrecht, Chefredakteur.

Zuletzt war das wieder auf dem Intersec Forum Mitte März in Frankfurt zu beobachten (siehe dazu auch den Bericht auf Seite 18), das im jährlichen Wechsel der weltweit größten Automationsmessen, der Light + Building und der ISH, nach Vorstellung der Messe Frankfurt als verbindendes Element langfristig etabliert werden soll. Und natürlich ging es während des zweitägigen Forums vor allem um die Digitalisierung und die damit verbundenen Auswirkungen auf die Sicherheitstechnik-Branche.

Dass diese gravierend sein werden, daran zweifelten weder Redner noch Zuhörer. Doch die Einschätzungen darüber, ob die Veränderungen als Chance oder als Gefahr zu werten sind, gingen – wie eigentlich immer bei diesem Thema – weit auseinander. Die gegensätzlichen Positionen ergeben sich dabei vor allem aus der Perspektive, aus der die Veränderungen beurteilt werden. Software-Unternehmen bietet der Trend zu immer mehr Software natürlich gute Aussichten, Firmen, die ihr Hauptgeschäft nach wie vor aus dem Verkauf oder der Installation analoger Kameras generieren, eher nicht. Dass Software eine immer größere Rolle für alle Branchen der Wirtschaft spielt, ist unstrittig. Vielmehr gehe es darum, die richtigen Antworten zu finden, und neue innovative Geschäftsmodelle zu entwickeln, sagte etwa Bosch-Geschäftsführer Dr.

Stefan Hartung auf dem Intersec Forum. Wer weiter ausschließlich auf Hardware setze, der laufe Gefahr „irgendwann nach Kilo abgerechnet zu werden.“ Als „Dematerialisierung“ bezeichnet der Autor des gleichnamigen Buchs mit dem Zusatz „Die Neuverteilung der Welt in Zeiten des digitalen Darwinismus“, Karl-Heinz Land die Veränderungen, die Wirtschaft und Gesellschaft durch die Digitalisierung seiner Meinung nach zu erwarten haben. Langfristig werde fast alles zur Software, so Land, dematerialisiere sich also. Als Beispiel, das gut in die Zutrittskontroll-Branche passt, nennt er einen Schlüssel, der zur App auf dem Smartphone wird. Damit entfalle zunächst die Produktion des Schlüssels, was in der Konsequenz auch die Maschinen zur Schlüsselproduktion sowie die Maschinen für die Ersatzteile dieser Maschinen überflüssig mache. Schließlich sei auch die Logistik für den Transport des Schlüssels unnötig. Noch stehen wir aber am Anfang dieser Kette, und auch, dass die Digitalisierung Gesellschaft und Wirtschaft so schnell verändern wird, wie allgemein erwartet, scheint keineswegs sicher. Denn materielle Schlüssel existieren noch genauso wie Zeitungen und Zeitschriften, denen seit bald 20 Jahren ihr baldiges Verschwinden prophezeit wird. Und selbst Drucker gibt es noch. Obwohl die Vision vom papierlosen Büro bereits Ende der 1970er Jahre aufkam. Damals besiedelten die ersten Computer die Büros und fundamentale Veränderungen des Büroalltags wurden erwartet.

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