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Die Quadratur des Kraiss 30. Juni 2014

Völlig abgründig

Der Enthüller der Nation hat wieder einmal zugeschlagen. Es geht nicht um Burger King und McDonald’s, nicht um Fastfood aus dubiosen Quellen oder Cola aus Wasserhähnen, nicht um Hygiene oder unterdrückte Mitarbeiter, nein es geht um die Branche der Sicherheitsdienstleister.
Volker Kraiss.
Volker Kraiss.

Seit der Zusammenarbeit mit dem Sender RTL laufen Wallraff und sein Team aus enthüllungshungrigen Mitarbeitern zur Hochform auf. Für den Enthüllungsjournalisten sind Fastfood Ketten natürlich ein gefundenes Fressen, die Sicherheitsbranche allenthalben aber auch. Was in der RTL-Sendung berichtet wurde ist wirklich abgründig. Ist es aber typisch für eine Branche, die schon immer mit einem angekratzten Image kämpfte?

Gut oder schlecht?

Jüngst wurde vom Bundesverband der Sicherheitswirtschaft stolz verkündet: „Die Umsätze der privaten Sicherheitsdienstleister sind im Jahr 2013 um 3 Prozent, von 5 auf 5,15 Milliarden Euro gestiegen. Auch die Zahl der Beschäftigten stieg im selben Zeitraum von 182.575 auf 185.000. Diese Entwicklung unterstreicht, dass die private Sicherheitswirtschaft nach wie vor deutlich stärker wächst als die Gesamtwirtschaft. Da sich in diesem Marksegment circa 3.700 Unternehmen mit teils deutlich unterschiedlichen Qualitätsniveaus tummeln, davon aber nur ca. 850 Unternehmen im Bundesverband organisiert sind, stellt sich schon die Frage, was ist mit den anderen Unternehmen?

Geht man davon aus, dass die im Verband organisierten Unternehmen gewisse Standards erfüllen, fragt man sich gleichzeitig, nach welchen Regeln und Standards der Rest der Branche arbeitet. Sind die einen nun die Guten und die anderen grundsätzlich die Schlechten? Es darf wohl vermutet werden, dass die Guten und die Schlechten auf beiden Seiten zu finden sind, egal ob großes oder kleines Unternehmen und egal ob im Verband organisiert oder nicht. Das starke Wachstum der Branche hat seine Kehrseite. Es wird immer schwieriger, geeignetes Personal zu bekommen. Kein Sicherheitsdienstleister hat Personal bevorratet. Droht ein kurzfristiger und lukrativer Auftrag, muss Personal her, egal wie auch immer. Nicht wirklich geeignete Personen, geringe Entlohnung, schnelle und schlechte Ausbildung sowie mangelnde Überwachung sind ein Cocktail, der nichts Gutes erwarten lässt.

Wirklich ein Spiegelbild?

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Keine Frage, Wallraff und seine Undercover-Kollegen haben wirklich Bedenkliches zu Tage gefördert: Sicherheitspersonal begegnet betrunkenen Oktoberfestbesuchern mit übertriebener Gewalt. Sie schikanieren Flüchtlinge und Opfer von Fremdenfeindlichkeit. In einem Unternehmen erhalten Schüler nach drei Tagen einen Waffenschein. Ob sie auch eine Waffe erhalten, bleibt ungeklärt. Wallraff fasst zusammen: „Wer nicht ständig für Schichten zur Verfügung steht, wird abgestraft. Trotz langer Arbeitszeiten lohnt sich das Schuften für 8,50 Euro nicht. Geldnot, Angst vor Chefs und Jobverlust, das macht einen Menschen fertig. Entsprechend groß ist der Frust.“ Es ist nachvollziehbar wenn das, was als friedliche Konfliktbewältigung und Deeskalation geplant war, oft in Aggression und unnötiger Gewalt endet. Aber spiegeln die von Wallraff geschilderten Fälle das Niveau der gesamten Branche wieder? Das sicher nicht.

Auf der anderen Seite muss sich die Branche schon die Frage gefallen lassen, ob alles Notwendige getan wird, die unterschiedlichen Sicherheitsdienstleistungen qualitativ auf einen solchen Standard zu bringen und zu halten, der dem Sicherungsauftrag gerecht wird. Sicherheitsfachkräfte sind auch nur Menschen und der Mensch neigt nun mal zu Schwächen. Oft sind mangelndes Pflichtbewusstsein, Überheblichkeit, unklare Aufgabenbeschreibungen, Routine und Demotivation die Ursachen für Beanstandungen. Oft ist aber auch das Gegenteil feststellbar: hochmotivierte Mitarbeiter, korrekt, pflichtbewusst, loyal gegenüber Ihrem Auftraggeber und sogar an Qualitätsverbesserungen mitwirkend.

Vertrauen ist gut – Kontrolle ist besser

Wie dem auch sei, ich denke, die Branche der Sicherheitsdienstleister ist besser als ihr Ruf und der Spruch: „Die verdienen das Geld nicht mit dem was sie tun, sondern damit was sie nicht tun“ trifft nur sehr bedingt zu. Trotzdem ist Auftraggebern wie Auftragnehmern zu empfehlen, Dienstleistungen weniger an Stunden als vielmehr am Service zu orientieren. Die Bezahlung also nicht an den geleisteten Stunden, sondern am erbrachten Service zu bemessen. Eindeutige Service Level Agreement‘s (SLA’s) und entsprechende Strafen würden zwangsläufig zu Qualitätsverbesserung beitragen. Völlig abgründig dieser Gedanke, oder?

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