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Die Quadratur des Kraiss 16. Juni 2015

Verlogen und äußerst bedenklich

Der Satz „Schlimmer wird‘s nimmer“ scheint für die NSA-Affäre nicht zu gelten. Kein Tag, an dem nicht neue Peinlichkeiten veröffentlicht werden. Jedem Fachkundigen ist klar: Die NSA hat massiv spioniert und der BND hat dabei geholfen.

Noch nicht klar ist, in welchem Umfang, und welche Spionageziele verfolgt wurden und noch werden. Aufklärung könnte eine detaillierte Analyse der Selektorenliste geben. Laut Bundeskanzleramt unterliegt diese jedoch der Geheimhaltung und verbindlichen Vereinbarungen mit der NSA. Geheimhaltung ist ein hohes Gut, egal ob es Regierungen, Behörden, Organisationen oder auch Wirtschaftsunternehmen betrifft. Wir wissen aber auch, dass gerade Regierungen und deren nachgeschaltete Administrationen mit dem Argument der Geheimhaltung bewusst Verstöße gegen geltendes Recht vertuschen. Es lebe der Whistleblower – übersetzt bedeutet es: „in die Pfeife blasen“ (to blow the whistle). Im deutschen Sprachraum würde man sagen: „Enthüller“, „Skandalaufdecker“ oder auch „Hinweisgeber“.

Lügen und versagen mit System

Politiker und Geheimdienste fälschen und lügen mit System. Die Manipulation der Gründe für die Angriffskriege gegen Vietnam oder den Irak sind neuzeitliche Beispiele wie skrupellos Politiker sein können. Nur durch Whistleblower sind sie bekannt geworden. Rechtlich gesehen sind Whistleblower zwar Geheimnisverräter, moralisch entscheidend ist wohl eher das Motiv. Gerade in Amerika sind für die Aufdeckung der Machenschaften viele hochrangige Beamte und Mitarbeiter bewusst ins Gefängnis gegangen. Die eigentlich Verantwortlichen kamen in der Regel ungeschoren davon.

Dass die NSA permanent auf deutschem Boden gegen deutsches Recht verstößt, wird auch bei uns den übergeordneten staatlichen Interessen geopfert. Auch dass die USA unter dem Deckmantel der Terrorabwehr gezielt Wirtschaftsspionage betreibt, wird vehement bestritten. Es wundert daher nicht, dass ein Mitarbeiter des Verfassungsschutzes jüngst auf der VfS-Jahrestagung zum Stand der Wirtschaftsspionage darauf hinwies, dass nur von Chinesen und Russen eine Gefahr ausgeht. Auf meine Nachfrage, ob die USA bewusst nicht genannt werden, verwies er auf das angezapfte Telefon der Kanzlerin und darauf, dass es sonst keine Erkenntnisse zur gezielten Wirtschaftsspionage gibt.

Äußerst bedenklich ist: der Verfassungsschutz bietet deutschen Unternehmen zwar Beratungsleistungen zum Schutz gegen Wirtschaftsspionage an, blendet aber bewusst die Gefahr durch US-Geheimdienste aus. Nun gut, was noch alles ans Tageslicht kommt und was die Kanzlerin, der NSA-Untersuchungsausschuss, die Medien und die Wähler aus den Enthüllungen rund um die NSA machen werden, steht in den Sternen. Mir gefällt der Gedanke, dass es auch bei uns in der Bundesrepublik den einen oder anderen Whistleblower geben könnte. Ansonsten bleibt nur der deutschen Wirtschaft zu empfehlen: Mach auf keinen Fall die Augen zu! Hilf dir selbst, dann wird dir geholfen.

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Volker Kraiss, Senior Security Consultant, Kraiss & Wilke – Security Consult

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