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Rechtsextremismus 24. September 2012

Unternehmens-Image in Gefahr

Maximaltätowierte „Glatzen“, randalierende Schläger, die durch Multi-Kulti-Viertel streifen – es sind vorwiegend „liebgewonnene“ Klischees, die das öffentliche Bild vom gewöhnlichen Rechtsextremismus prägen.

Längst nicht jeder Rechtsextremist outet sich bei Demonstrationen.
Längst nicht jeder Rechtsextremist outet sich bei Demonstrationen.

Im Schatten dieser wenig differenzierenden Vorstellungswelt hat sich eine „neue Rechte“ mit neuen subtileren Aktionsformen herausgebildet, die zunehmend auch in Deutschlands Unternehmen Fuß zu fassen versucht.

Rechtsextremisten agieren längst nicht nur in Randzonen, sondern in allen gesellschaftlichen Bereichen. Als Beispiel mögen die jüngsten Erfahrungen eines deutschen Großunternehmens dienen. Nachdem bekannt wurde, dass einige junge Mitarbeiter und Auszubildende in sozialen Netzwerken wie Facebook in sehr offensiver Weise rechtsextremistische Positionen vertreten, wurden die Personalverantwortlichen mit einem Worst-Case-Szenario konfrontiert, wie es folgenreicher kaum sein konnte. Denn der besagte Konzern beschäftigt, wie viele andere Unternehmen auch, zahlreiche Arbeitnehmer ausländischer Herkunft. Den Managern wurde schnell bewusst, welches Gefahrenpotenzial sich unter diesen Bedingungen aus rechtsextremistischen Tendenzen in der Mitarbeiterschaft entwickeln kann.

Unvermittelt rückte eines der höchsten Güter in den Fokus der zuständigen Manager: der Betriebsfrieden. Es wurde deutlich, dass fremdenfeindliche Parolen schieres Gift für das geordnete partnerschaftliche und weitestgehend konfliktfreie Miteinander im Unternehmen gewesen wären. Störungen des Betriebsfriedens beeinträchtigen die innerbetrieblichen Abläufe und Prozesse und führen unausweichlich zu schweren wirtschaftlichen Schäden.

Doch damit sind die negativen Folgewirkungen für ein international aufgestelltes Unternehmen noch längst nicht beschrieben. Als ebenso gravierend sehen Rechtsextremismus-Experten wie der Politologe Wolfgang Freter die katastrophale Außenwirkung. Wenn Zusammenhänge zwischen Unternehmen und Rechtsextremen öffentlich, und das heißt vor allem medienöffentlich, werden, geraten die Betriebe in Rechtfertigungszwang, so der Mitarbeiter der niedersächsischen Verfassungsschutzbehörde. Selbst wenn die relevanten Personen lediglich zum Mitarbeiterstamm gehören und sich in keiner Weise aktiv betätigt haben, stehen nach Beobachtungen von W&S stets die mediale Fragen im Raum: Weshalb hat niemand etwas bemerkt?

Der aus solchen Berichterstattungen resultierende Imageschaden ist immens. Negative Schlagzeilen, die im Kontext mit einer extremistischen politischen Strömung stehen, sind geeignet, den Ruf eines Unternehmens massiv und mit globaler Wirkung zu beschädigen. Gerade im europäischen und überseeischen Ausland werden Tendenzen, die auch nur im Geringsten in Richtung Rechtsextremismus gehen, extrem kritisch bewertet.

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Der betroffene Konzern, ein Global Player, für den es in operativer Hinsicht weltweit kaum weiße Flecken gibt, hatte folglich allen Grund zu handeln. Nach Informationen von W&S wurden mit den rechtsextremistischen Jungmitarbeitern Einzelgespräche geführt. Dabei wurde definitiv klargestellt, dass ein den Betriebsfrieden störendes Verhalten auch außerhalb des Unternehmens nicht geduldet werden kann. Von einer harten Lösung wurde dabei Abstand genommen. Den Mitarbeitern wurde ein klares Angebot unterbreitet. Wer bereit war, sich von seinen bisherigen fremdenfeindlichen Ansichten zu verabschieden und/oder aus seinem rechtsextremistischen Umfeld auszusteigen, konnte seinen Arbeits- oder Ausbildungsplatz behalten. Als zweiter Schritt wird eventuell eine Initiative gegen rechts oder sogar ein betriebsinternes Aussteigerprogramm folgen, aber das ist von der Unternehmensspitze noch nicht abgesegnet.

Ebenso wie der genannte Konzern erkennen immer mehr Unternehmen die negativen Wirkmechanismen von rechten Extremisten in der Mitarbeiterschaft. Spätestens seit den Ermittlungen gegen die NSU-Terrorzelle von Zwickau ist vielen Managern bewusst geworden, dass der Rechtsextremismus lange Jahre falsch eingeschätzt wurde. Begünstigt wurden solche Fehlschlüsse dadurch, dass von den Ultrarechten keine unmittelbare Bedrohung für die Unternehmen ausging. Abgesehen von einigen Splittergrüppchen ist dieses Spektrum nicht grundsätzlich antikapitalistisch eingestellt. Im Gegensatz zu radikal-marxistisch oder anarchistisch orientierten Vereinigungen verüben sie auch keine Anschläge auf Unternehmen, sofern diese „rein deutsch“ sind.

So wurden die ultranationalistischen Lehren nicht selten als harmlosere Variante abgetan. Rechtsextremismus wurde als Phänomen der Straße gesehen, und nicht als Problem der Betriebe.

Nach Auffassung von Reinhard Koch, dem Leiter des 2011 eröffneten Zentrums Demokratische Bildung in Wolfsburg, bildet die betriebliche Ansprache von Mitarbeitern, „die rechtsaffin unterwegs sind“, eine „erhebliche Ressource“ in der Arbeit gegen Rechtsextremismus und pro Demokratie. Die Zivilgesellschaft und die Behörden könnten die gesamtgesellschaftliche Aufgabe, rechtsextremistischen Aktivitäten entgegenzutreten, nicht allein bewältigen. Auch die Wirtschaft als Teil der Gesellschaft sei gefordert. Und das an einem Ort, an dem Rechtsextremisten einen wesentlichen Teil ihres Tages verbringen und der ihnen als persönliches Anerkennungsfeld besonders wichtig ist: dem Arbeitsplatz.

Wie der Diplompädagoge gegenüber W&S deutlich macht, befinden sich die Unternehmen dabei in einer gut begründbaren Ausgangsposition. Der Standort Deutschland sei nach seinen Worten nicht nur eine geografische Umschreibung, sondern stehe für freiheitliche Grundordnung, gesellschaftliche Vielfalt, Arbeitnehmermitbestimmung und Menschenrechte. Wer diese Wertewelt kategorisch ablehne, stelle letzten Endes auch seinen Arbeitsplatz in einem demokratisch verfassten Unternehmen in Frage.

Auch das Deutsche Forum für Kriminalprävention (DFK) hat als unabhängiges Zentrum der gesamtgesellschaftlichen Prävention in Deutschland diese brisante Thematik entdeckt. Im Rahmen einer Tagung will die unter dem Vorsitz von Professor Gerd Neubeck (Deutsche Bahn) stehende Stiftung beleuchten, welche Möglichkeiten die Unternehmen haben, rechtsextremistischen Infiltrierungsversuchen Einhalt zu gebieten. Damit wird dieser Ansatz, den Experten als überaus erfolgversprechend einschätzen, erstmals in einem größeren Rahmen und vor einem größeren Publikum thematisiert. Das Bundesinnenministerium und das Bundesministerium der Justiz, die beide personell im DFK-Vorstand vertreten sind, unterstützen das Projekt.

Klaus Henning Glitza

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