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Ungenutzte Potenziale

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Hemmende Komplexität

In der erhöhten Komplexität sieht auch Horst Eckenberger von Primion ganz praktische Hemmnisse: „Die Multiapplikationskarte ist heute Standard, wenn es die Einbindung biometrischer Templates oder um die Verknüpfung von Zeit und Zutritt geht. Aber in der Praxis stellt man häufig fest, dass die Integration kaum tiefer geht. Nachgelagerte Funktionalitäten sind nur dann wirkungsvoll umzusetzen, wenn man seine Prozesse ganz klar definiert hat und auch im Alltag fest im Griff hat. Genau daran hapert es allerdings oft in den Projekten.“

„Man sollte solche Verknüpfungen auch nicht bedenkenlos pauschal empfehlen. Schon was die automatische Scharfschaltung der EMA angeht, bin ich skeptisch. Ich meine, die Alarmanlage muss bewusst eingeschaltet werden. Auf der anderen Seite haben natürlich Multiapplikationen auf der Karte Einzug gehalten, vor allem was Zeiterfassung und und Payment angeht. Diese Anwendungen sind auch weniger kritisch.“
Albrecht Kimmich, Head of Product Marketing, Kaba GmbH

„Die Diskussion in den letzten Jahren auch im Zutrittsforum zeigt, dass unsere Branche mit einigen Ausnahmen gar nicht darauf eingestellt ist, solch multifunktionale Lösungen anzubieten. Wenn man die Lichttechnik oder die Heizung in Verbindung mit einer Zutrittsbuchung steuern will, muss man natürlich genau wissen, ob und wie sich diese MSR-Systeme überhaupt ansteuern lassen. Man muss klare Vorstellungen haben, wie sich ein solches integriertes System gestaltet. Natürlich gibt es globale Anbieter, die hierfür Lastenhefte und Lösungsansätze parat haben, ob der klassische Mittelstand, welcher sich auf traditionelle Sicherheitstechnik spezialisiert hat, das leisten kann, bleibt abzuwarten.“
Jürgen Schneider, Geschäftsführer, Nedap Technology Partner for Security Management GmbH

„Natürlich gibt es heute schon Projekte, wo Systeme in einem Gebäude intelligent verknüpft werden. Dort hat man auch realisiert, dass eine Smartcard die kompletten Anwendungen übernehmen kann. Ein Mitarbeiter kommt ins Gebäude und mit seiner Buchung werden andere Aktionen verknüpft: Lichtsteuerung, Heizung, Telefon, IT. Das lässt sich alles umsetzen, aber selbstverständlich ist so etwas auch in großen Gebäuden noch lange nicht.“
Ludger Weihrauch, Referent Access, Systems & Solutions, Siemens AG, Building Technologies Division

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Dem kann auch Jürgen Schneider von NTP Nedap Technology Partner beipflichten: „Natürlich gibt es interessante Ansätze, wir sollten dabei immer bedenken, dass die Komplexität hier erheblich erhöht wird und es eine ganze Reihe von neuen Herausforderungen gibt. Das sind zum einen vielschichtige Kundenbedürfnisse, zum anderen wird es nur recht wenige Anbieter geben, die diese größere Komplexität im Griff haben. In meinen Augen wird es hier noch eine deutliche Marktentwicklung und einen Ausleseprozess geben.“

Verantwortung und Zuständigkeit

In der Theorie ist die technische Verknüpfung der einzelnen Gewerke zu intelligent vernetzten Systemen also bereits sehr weit, die Praxis hinkt jedoch hinterher. Nicht zuletzt auch, weil die einzelnen Verantwortlichen in den Unternehmen – Facility Manager, Sicherheitsverantwortliche und IT-Administratoren – weniger kompatibel zu sein scheinen als die Lösungen, die es zu installieren gilt.

Volker Kraiss von Kraiss & Wilke Security Consult spricht sogar von verschiedenen Welten: „Wir bekommen kaum Forderungen nach solchen Multifunktionssystemen. Die Welten der Beteiligten aus dem IT-Bereich und dem Sicherheitsbereich, die darüber zu bestimmen hätten, liegen noch zu weit auseinander. Was das Facility Management angeht, so zeigen sich erste Ansätze, Gebäudetechnik und Sicherheit enger zu verknüpfen und zu kombinieren. In den Unternehmen fehlen die Visionäre, die die Möglichkeiten, Anforderungen und Wertschöpfung so bündeln und darstellen, dass sie Gehör finden.“

Kester Brands stimmt der Notwendigkeit einer übergeordneten Instanz zu: „Es braucht jemanden, der sämtliche Prozess beschreibt und auch die Umsetzung überwacht. Aber in den meisten Unternehmen definiert einer die Prozesse und mehrere andere müssen sie umsetzen. Das funktioniert oft nicht richtig.“ Das liegt vor allem an den unterschiedlichen Zuständigkeiten meint Jürgen Schneider: „In der Regel ist es doch so, dass es derzeit noch verschiedene Ansprechpartner für die Gebäudeautomation und die Sicherheitstechnik gibt. Die schauen von selbst nicht unbedingt über den Tellerrand, sondern kümmern sich vorrangig um ihren Verantwortungsbereich. Effiziente Sicherheitsprozesse und Energiesparen sind übergeordnete Themen, für deren Integration sich keiner der beiden wirklich zuständig fühlt.“

Dilemma Investition

Ein weiteres Dilemma, das der intelligenten Vernetzung nicht gerade förderlich ist, betrifft die finanzielle Seite. Denn für ein solches System muss zunächst kurzfristig mehr investiert werden, bevor die mittel- und langfristigen Einsparpotenziale zum Tragen kommen. Hier gilt es, das Bewusstsein zu schärfen, wie auch Ludger Weihrauch von Siemens weiß: „Energiesparen ist in der Gebäudetechnik im Grunde ein sehr wichtiges Thema – alle versuchen hier die Wertschöpfung zu erweitern, weil sich das mit der Zeit enorm rechnet. Das mit dem Rechnen ist bei der Sicherheit traditionell aber so eine Sache. Und auch wenn man nun verstärkt den ganzen Lifecycle eines Unternehmens betrachtet, das Thema Security wird hier häufig noch nicht angemessen einbezogen.“

Robert Karolus von Interflex versteht die Sichtweise der Budgetverantwortlichen: „Natürlich stellt man sich vor jeder Investition die Fragen: Was für eine Art von Projekt möchte ich umsetzen und über welchen Zeitraum amortisiert es sich? In welchem Zeitfenster werden die Einsparungen schließlich realisiert? Der Energieverbrauch wird künftig ein wesentlicher Aspekt sein, denn jeder weiß, dass die Strom- und Gasrechnungen jedes Jahr höher werden. Von daher ist es absehbar, dass sich eine solche Investition lohnt. Dennoch sind mir neben der klassischen Anbindung einer Alarmanlage bisher kaum größere Projekte bekannt.“

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