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Theorie und Praxis

Teil 2

Schwieriger Privatmarkt

Einen großen Nutzerkreis könnte man an anderer Stelle womöglich erschließen, gibt Moderator Boris Stamm zu bedenken: „Ein weiteres Einsatzszenario wäre vielleicht der Privatbereich. Nachdem die Nutzer dort schon die Heizung, den Fernseher und vieles andere mit Smartphone steuern, wäre es für sie wohl auch interessant, den Zugang damit zu regeln.“

Dies hält jedoch Carsten Hoersch aufgrund der Erfahrungen der Vergangenheit für eher unwahrscheinlich: „Hier hatte man vor zehn Jahren schon prophezeit, dass dies der Privatkunde gerne mit Bluetooth machen würde – und vor fünf Jahren hieß es, er regelt den Zugang mit dem Fingerabdruck. Aber was macht er wirklich? Er nimmt zu 95 Prozent nach wie vor den klassischen Schlüssel.“

Gerade Bluetooth, dass von einigen momentan wieder als NFC-Konkurrenz hochstilisiert wird, scheint kaum geeignet, um Zutrittsanwendungen umzusetzen. Robert Karolus erklärt: „Bluetooth ist in dem Zusammenhang wenig vielversprechend, denn sämtliche Zutrittleser, oder zumindest die große Masse, sind mit 13,56-Megahertz-Technik ausgestattet – auf der gleichen Basis arbeitet NFC. Bluetooth wird von keinem Leser unterstützt, das würde erst eine riesige Hardwareentwicklung erfordern.“

Thomas Weber sieht ein weiteres Problem: „Es wäre für Zutrittsanbieter generell schwierig, mit NFC im Privatmarkt erfolgreich zu sein, denn sie kennen in der Regel den privaten Markt nicht gut und haben dort wenig Zugang. Es bräuchte zudem andere Vertriebsstrategien und gegebenenfalls andere Partner als im professionellen Sektor.“

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„Ende letzten Jahres wurde für Android-Smartphones eine neue Funktion eingeführt, die sogenannte Host Card Emulation. Das ist eine eine gute Möglichkeit, mit der Umsetzung ein Smartphone in Verbindung mit NFC und der Zutrittskontrrolle zu bringen ohne an einen Mobilfunkanbieter gebunden zu sein. Hier gibt es nämlich Möglichkeiten, das Secure Element in Form einer SD-Karte zur Verfügung zu stellen. Dadurch ergeben sich ganz neue Möglichkeiten.“
Robert Karolus, Produktmanager, Normbau/Allegion

„Es geht auch um die Kenntnisse, was man mit NFC machen kann. Smartphone-Benutzer wissen zwar ganz genau, welche Spiele und Apps sie auf dem Handy haben, aber was sie mit der integrierten NFC-Technik machen könnten, davon haben sie keine Vorstellung.“
Gerhard Haas, Bereichsleiter Datentechnik, PHG Peter Hengstler GmbH + Co. KG

Recht und Ordnung

Bevor man sich also einem komplett neuen und größtenteils unbekannten Anwenderkreis widmet, sollte man zuallererst die Schwierigkeiten im Stammmarkt bewältigen, denn auch hier gibt es noch ungelöste Problematiken, wie Gerhard Haas anmerkt: „In Unternehmen ist der NFC-Einsatz mittels Handy auch noch nicht einwandfrei geklärt, vor allem aus rechtlicher Sicht. Das war auch Thema auf dem letztjährigen NFC-Kongress in Düsseldorf. Geben die Mitarbeiter ihre NFC-Smartphones für die Unternehmensanwendung her oder kann ein Unternehmen umgekehrt wirklich jedem ein Firmenhandy geben? Der Knackpunkt ist: Was passiert, wenn ein solches Handy mit samt Zutrittsrechten abhanden kommt oder der Mitarbeiter ausscheidet? Diese Fragen müssen geklärt werden, ganz unabhängig von der nötigen Sicherheit über das Secure Element.“

Carsten Hoersch ergänzt: „Man muss hier unterscheiden, ob der Arbeitgeber sagt: Wir regeln den Zutritt mit NFC, und alle bekommen die entsprechenden Geräte zur Verfügung gestellt, oder ob der privaten Endbenutzer selbst frei entscheiden kann, in wieweit er sein Handy dafür hergibt. Manche fühlen sich auch nicht wohl dabei. Ein Beispiel aus einem anderen Bereich ist die elektronische Bordkarte für den Flug. Mittlerweile hat eigentlich jeder ein Smartphone, aber nur wenige nutzen diese Funktion. Es sind vielleicht auch psychologische Dinge, die dort eine Rolle spielen.“

Das kann Gerhard Haas nachvollziehen: „Ich will auch aus eigener Erfahrung sprechen, ich würde mich nicht wohl fühlen, wenn ich wirklich alles nur hier im Smartphone hätte – auch die Brieftasche und die Zutrittsrechte. Wenn das Smartphone defekt geht oder der Akku leer ist, dann geht gar nichts mehr.“

NFC 2.0?

Trotz der Schwierigkeiten, die aktuell noch bestehen, gibt es auch positive Weiterentwicklungen in Sachen NFC. Robert Karolus nennt eine vielversprechende neue Variante: „Ende letzten Jahres wurde für Android-Smartphones eine neue Funktion eingeführt, die sogenannte Host Card Emulation. Das ist eine eine gute Möglichkeit, mit der Umsetzung ein Smartphone in Verbindung mit NFC und der Zutrittskontrrolle zu bringen ohne an einen Mobilfunkanbieter gebunden zu sein. Hier gibt es nämlich Möglichkeiten, das Secure Element in Form einer SD-Karte zur Verfügung zu stellen. Dadurch ergeben sich ganz neue Möglichkeiten. Andererseits müssen wir auch abwarten, was der bei Firmenhandys noch recht starke Konkurrent Apple plant.“

Manfred Golfels sieht es ähnlich. „Das Thema Host Card Emulation (HCE) kann ich noch nicht genau einschätzen, aber in jedem Fall wird es interessant, was der NFC-Verweigerer Apple macht. Im Moment sieht es so aus, als würden sie versuchen, ein Konkurrenzprodukt iBeacon basierend auf Bluetooth 4.0 aufzubauen. Aber das sehe ich in der Zukunft auch eher skeptisch.“

Für Axel Schmidt steht ein Umdenken in Richtung NFC 2.0 an: „Wir haben aktuell schon NFC-Lösungen, die etwa in Saudi Arabien laufen. Dies ist für mich NFC 1.0. Zur Security erwarten wir dann NFC 2.0. Für mich würde das heißen, dass man mit dem Handy Karten programmieren kann und auch andere Service-Funktionen auf das Mobiltelefon verlegt – auch damit man nicht mehr mit dem Programmiergerät für die Offline-Komponenten herumlaufen muss. Das würde es auch ermöglichen, dass ein Mitarbeiter, der draußen unterwegs ist, seine Karte updaten kann, indem man ihm eine Anforderung auf sein Mobiltelefon schickt.“

Die Diskussion zeigt also, NFC sollte man nicht vorschnell aufgeben, denn die Potenziale und Anwendungsfelder sind nach wie vor vorhanden und ließen sich in spannenden Projekten umsetzen. Doch inwieweit es sich in der Praxis durchsetzen kann, werden die nächsten Jahre erst zeigen.

Michael Gückel

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