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Unternehmen 8. September 2021

Logistische Aufgaben in einer globalisierten Wirtschaft

In einer globalisierten Wirtschaft hat die Logistik entscheidende Bedeutung. Güter müssen zeitgenau und störungsfrei über weite Strecken bewegt werden. 

Die genaue Lokalisation von Gütern ist ein wichtiges Kriterium für transparente Lieferketten.
Die genaue Lokalisation von Gütern ist ein wichtiges Kriterium für transparente Lieferketten.

Das Thema Logistik ist heute stark vom Begriff Supply Chain Management geprägt, der den Aufbau und Steuerung moderner Lieferketten in der globalisierten Wirtschaft kennzeichnet, und zwar von der Rohstoffgewinnung über die Produktion (Veredelung) bis hin zum Endverbraucher. Güter sollen dabei möglichst zeitlich und räumlich punktgenau ihre jeweiligen Stationen entlang der Lieferkette erreichen, um Bestände möglichst gering zu halten und damit Kosten für eine Lagerhaltung zu sparen.

Die Logistikbranche ist dabei einer der größten Wirtschaftsfaktoren in Deutschland. Bereits kleinste Störungen innerhalb der Lieferkette können große Auswirkungen auf die Verarbeitung, Produktion und Verfügbarkeit beim Endverbraucher haben, mit teilweise großen wirtschaftlichen Folgen. Allein das Conatinerschiff „Ever Given“, das im April 2021 im Suezkanal stecken blieb führte zu einem Stau Hunderter Schiffe, der zu Ausfällen in der Produktion etwa bei Automobilherstellern und deren Zulieferern führte, die gewöhnlich „just-in-time“ produzieren. Der Zwischenfall ereignete sich zudem während der weltweiten Covid-19 Pandemie, die ohnehin bereits die Weltwirtschaft und die Logistik schwer getroffen hat. Und schließlich sind, ebenfalls begünstig durch die Pandemie, eine zunehmende Zahl an Cyber-Angriffen auf Unternehmen zu registrieren, die ebenfalls zu schwerwiegenden Ausfällen führen können.

Globalisierte Wirtschaft mit empfindlichen Lieferketten 

Die Pandemie mit ihren nachgelagerten Folgen wie der Zunahme von Cyberangriffen hat zu Herausforderungen in bis dato unbekannten Ausmaßen bei der verarbeitenden Industrie geführt. Da die Pandemie sich wellenartig über die Länder ausgebreitet hat, sind die Effekte vielerorts verzögert eingetreten. Die Lieferketten sind branchenübergreifend durch Ausfälle innerhalb der Kette und die Folgen für nachgelagerte Partner vielfach unterbrochen worden. LKWs in Quarantäne, festsitzende Schiffe und Container in Häfen sowie leerlaufende Bestände an Rohmaterialien und allgemeine Lieferengpässe haben weltweit spürbare ökonomische Auswirkungen zur Folge. Ein weiteres Risiko ist durch die Verlagerung vieler Arbeitsplätze ins Homeoffice entstanden. Die Folge hiervon ist eine starke Zunahme an Cyberangriffen auf Unternehmensnetzwerke, IoT-Systeme und private IT-Geräte. Laut eines Berichts von Hornetsecurity waren bereits 2019 weltweit mit 16 Prozent der Energiesektor und an zweiter Stelle mit 14 Prozent der Logistik- und Transportsektor von Cyberattacken betroffen.

Führt ein solcher Angriff zu einer Unterbrechung oder Einschränkung von Liefernetzwerken entlang der Supply Chain, stehen die Betroffenen vor einer Reihe von Problemen. Dies gilt vor allem für die Folgen der Pandemie, aber auch Ausfälle durch Cyberangriffe können schlimmstenfalls ähnliche Folgen für eine Lieferkette haben. Ein zentrales Thema ist dabei die fehlende Transparenz innerhalb der Lieferkette, unabhängig von einem Ereignis. Wo ist wie viel Bestand vorhanden? Wann kommen Bestände an einem bestimmten Ort an? Ebenso fehlt es häufig an Informationen über die Lieferanten und deren Kapazitäten sowie den Status von Sub-Lieferanten und möglichen Liquiditätsproblemen durch finanzielle Einbußen. „Die Realisierung einer ausreichenden Transparenz über den Lieferantenstatus und die Erstellung eines umfassenden Abbilds der Supply Chain (etwa auch des Lieferantenstandorts und der Anteil an der Wertschöpfung) ist die Grundlage für die Identifikation der kritischen Abhängigkeiten innerhalb der Lieferkette“, erläutert Holger Schulz, Projektleiter Informations- und Sicherheitslogistik am Fraunhofer-Institut für Materialfluss und Logistik IML.

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Je stärker die Vernetzung der Logistikpartner desto höher auch die Anfälligkeit für Störungen. Ferner anhängig sind Faktoren wie die Gewährung der eigenen Produktionsstabilität, die mögliche Unklarheit über benötigte Lagerkapazitäten sowie die Beeinflussung der Mitarbeiterverfügbarkeit, etwa aufgrund von Homeoffice.

Vor allem hochtechnsiche Sektoren wie die Automobilindustrie sind auf genau abgestimmte Lieferketten angewiesen.
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Die Simulation als Teil der Lösung in der Logistik

Einen Produktionsprozess entlang der Lieferkette nach einer Störung wieder in Gang zu setzen (Anlaufmanagement, Ramp-up) ist eine große Herausforderung für alle Beteiligten. Es gilt in einem solchen Fall, die notwendige Transparenz und ein Abbild über die Supply Chain in Erfahrung zu bringen. Kundenbedürfnisse und die Nachfrage spielen dabei ebenso eine wichtige Rolle wie der Überblick über Kapazitäten, Bestände und Transportressourcen. Nicht jeder Ausfall oder Störung muss eine Lieferkette nachhaltig beeinträchtigen, doch um das im Vorfeld einschätzen zu können, müssen Szenarien entwickelt werden, anhand derer sich Risiken bewerten und Kompensationsstrategien entwickeln lassen. Für die Beurteilung der Unterbrechungen von Lieferketten sowie deren Auswirkung auf die eigene Produktion bietet sich insbesondere eine Supply Chain Simulation an, wie der vom IML entwickelte Order-To-Delivery-Network Simulator (OTD-NET). Mit einer solchen Simulation lassen sich etwa Schwachstellen- und Engpassanalysen anhand dynamischer Entwicklungen von Kapazitätsbedarfen und -restriktionen entlang der Supply Chain darstellen und visualisieren.

Damit eine Simulation verlässlich Daten für verschiedene Szenarien aufzeigen kann, muss sie entsprechend mit Daten vorab gefüttert werden. Dazu zählen Strukturinformationen (Lieferorte, Transportzeiten), Produktinformationen mit Stücklisten, Kapazitäten und Bandbreiten sowie Bedarfs- und Bestandsdaten. Das Zusammenspiel von Entwicklungsverläufen lässt sich im dynamischen, also sich verändernden Kontext anhand einer Simulation prüfen. Dadurch werden etwa notwendige Einstellungen der Kapazitäten oder das Auftreten von Engpässen erkennbar. „Zum Zweck der Entscheidungsunterstützung können entsprechend abgeleitete Maßnahmen in die Simulation überführt und szenariobasiert bewertet werden“, führt Philipp Klink vom Fraunhofer IML aus.

Schutz der Lieferkette beginnt beim einzelnen Standort

Zur Stärkung der Resilienz von Logistikketten gehört neben der prozessgesteuerten Optimierung auch der Blick auf den physischen und cybertechnischen Schutz des Waren- und Güterverkehrs. Ein effektiver Schutz der Supply Chain muss entlang der gesamten Kette erfolgen. Dazu zählt auch die Absicherung von Gebäuden, Waren und Mitarbeitern. Die ISO 28000 beinhaltet beispielsweise die Prüfung aller wichtigen Aspekte, die die Sicherheit entlang der gesamten Lieferkette betreffen. Dazu zählen unter anderem die die Bereiche Finanzierung, Produktion und Lagerung und der Transport von Gütern zwischen den verschiedenen Transportmitteln und Lieferorten. Hier ist nach wie vor der physische Schutz von Anlagen und Standorten ein wichtiger Baustein in der Absicherung der Lieferkette.

„Die physische Sicherheit beginnt beim Perimeterschutz, häufig in Kombination mit einer externen und internen Videoüberwachung“, so Carsten König, Bereichsleiter Systemgeschäft bei TAS. Ebenso wichtig ist ein auf den Standort bezogenes Zutrittskontrollsystem, mit dem vor allem die sensiblen Bereiche abgesichert sind. Dazu zählen nicht nur die Produktion oder die Lagerhaltung, sondern auch die Verwaltung und alle relevanten IT-Systeme. Der Einsatz einer Einbruchmeldeanlage ist ein weiterer Aspekt der physikalischen Sicherheit um eine Anlage oder einen Logistikstandort vor unbefugtem Zutritt zu schützen. Der Brandschutz wiederum ist gesondert zu betrachten und je nach Objekt zu konzipieren. Gerade bei Lieferketten mit Bezug zu Ländern, in denen nicht dieselben Standards wie in Deutschland oder Europa gelten, haben verheerende Brände zu Ausfällen in Produktion und Transport geführt.

Die Einführung von Grenzkontrollen im Zuge der Pandemie hat vielerorts zu nachhaltigen Störungen der Lieferketten geführt.
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Cybersicherheit und smarte Verträge

Durch die immer stärker zunehmende Vernetzung von Gewerken (IoT), Prozessen und dem notwendigen Austausch von Daten und Informationen (Transparenz) rückt das Thema Cybersicherheit zwangsläufig in den Vordergrund. Bereits vor Corona sind Unternehmen weltweit Ziel und Opfer von Cyberangriffen gewesen, die Pandemie hat den kriminellen Aktivitäten einen weiteren Schub verliehen, da viele Menschen nun von zu Hause arbeiten. Doch nicht selten fehlt die entsprechende sicherheitstechnische Ausstattung oder Anbindung an das Unternehmen. Im Bereich von Systemen und Gewerken ist etwa die Fernwartung ein kosteneffizientes Mittel, Mitarbeiter zur Wartung nur dann vor Ort einsetzen zu müssen, wenn es wirklich notwendig ist. Gleichzeitig müssen solche Remote-Lösungen aber auch sicher sein, damit Hacker kein Einfallstor in die sensible IT-Architektur finden. Dafür sind spezielle Lösungen gefragt, wie etwa das Unternehmen TAS sie anbietet. König: „Die TAS Secure Platform stellt eine sichere Verbindung zwischen dem Service-PC beim Errichterunternehmen und den angebundenen sicherheitstechnischen Gewerken im zu schützenden Objekt her.“ Mit einer solchen, abgesicherten und regelmäßig upgedateten Plattform, lassen sich unterschiedliche Alarmsysteme aus der Ferne warten, jedes Wartungsunternehmen bekommt seinen eigenen Zugriff auf seine installierte Technik.

Um generell die IT-Sicherheit zu stärken und gleichzeitig die Transparenz verfügbarer Daten für alle Beteiligten zu erhöhen, sind noch andere Entwicklungen notwendig. Eine davon ist die Nutzung der Blockchain-Technologie, wie sie bereits aus Kryptowährungen bekannt ist (Kasten). Mit Hilfe von Blockchains lassen sich digital alle Informationen zu Produkten, Beständen, Verlauf und Bestimmungsort manipulationssicher protokollieren. Alle am Lieferprozess beteiligten Akteure, vom Erzeuger über den Beförderer bis zum Empfänger, haben Zugriffsrechte auf dieselben Informationen. Mittels sogenannter Smart Contracts lassen sich Regeln zu Abläufen im Sinne einer Wenn-Dann Bedingung hinterlegen und Prozesse automatisiert auslösen. „So kann beispielsweise mithilfe eines Smart Contracts die Nachbestellung von benötigter Ware sowie die Zahlungsvorgänge zwischen den beteiligten Partnern in der Lieferkette automatisch ausgelöst werden, sobald der Empfänger die Ware erhalten hat“, erklärt Philipp Klink, vom Fraunhofer-Institut für Materialfluss und Logistik IML. Solche Smarten Verträge werden künftig auch in der Supply Chain viel stärker genutzt werden, was den Unternehmen den Aufbau automatisierter Lieferprozesse und vollständiger Transparenz über Warenströme ermöglichen würde.

Die Pandemie hat die Anfälligkeit von Lieferketten für disruptive Ereignisse deutlich vor Augen geführt. Die parallele Zunahme cyberkrimineller Aktivitäten verschlimmert die Lage zusätzlich, denn Unternehmen müssen bisweilen an zwei Fronten kämpfen: Die IT-Sicherheit gewährleisten und erhöhen und gleichzeitig Prozesse implementieren, die künftig Lieferketten resilienter gegen Störungen machen. Hier ist gerade für mittelständische Unternehmen noch einiges zu tun, gleichzeitig liegt hier ein großes wirtschaftliches Potenzial, da Technologien wie die Blockchain durchaus Wettbewerbsvorteile in der globalen Logistik bieten können.

 Carsten König, Bereichsleiter Systemgeschäft bei Telefonbau Arthur Schwabe GmbH & Co. KG (TAS).

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