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Produkte 3. September 2021

Baulicher Schutz im öffentlichen Raum

Verschiedene Anschläge mit Fahrzeugen im öffentlichen Raum haben die Menschen verunsichert. Hier sind bauliche Schutzmaßnahmen gefragt.

Eine „Verpollerung“ des öffentlichen Raums ist nicht immer der effektivste Schutz.
Eine „Verpollerung“ des öffentlichen Raums ist nicht immer der effektivste Schutz.

Der öffentliche Raum ist in Städten im Rahmen baulicher Schutzmaßnahmen auch ein zentrales gestalterisches Element, das der Kommunikation und Begegnung, Auseinandersetzung im demokratischen Umfeld und als Erholungsbereich dient. Die Neukonzeption solcher urbanen Räume steht oftmals unter kreativen und ästhetischen Gesichtspunkten, doch gerade sicherheitstechnische Aspekte dürfen nicht vernachlässigt werden. Dies gelingt leichter bei der kompletten Neugestaltung eines Platzes oder städtischen Raums, doch auch bei der Umgestaltung vorhandener Räume sollte die Sicherheit nicht vernachlässigt werden.

Risikoanalyse für den öffentlichen Raum

Verschiedene Anschläge mit Fahrzeugen der letzen Jahre (etwa Berlin Breitscheidplatz 2016) haben zu einem Umdenken in Bezug auf die Risikobewertung öffentlicher Räume geführt. Die Politik, aber vor allem Städte und Gemeinde haben begonnen, Risikoanalysen für ihre öffentlichen Räume wie Plätze, Fußgängerzonen und Orte für Großveranstaltungen durchzuführen. Dabei geht es nicht darum, jedweder möglichen Gefahr umfänglich zu begegnen, denn das würde etwa in Städten zu einer Verpollerung führen, wenn alle Bereiche durch massive Anfahrtsschutzbarrieren gesichert würden und diese damit letztlich die Freiheit der Menschen einschränken. Ziel einer vorab notwendigen Risikoanalyse muss es sein, die Eintrittswahrscheinlichkeit mit der möglichen Schadenswirkung zu ermitteln und danach zu planen. Aktionismus ist dabei nicht förderlich, wenn nach einem Ereignis überall temporäre Barrieren aufgestellt werden, um etwa jeden Dorf-Weihnachtsmarkt mit einem quergestellten LKW abzusichern. Es geht vielmehr darum, die Verhältnismäßigkeit zwischen Aufwand und Ertrag zu wahren und urbane Räume hinsichtlich ihrer Bedeutung (Symbolträchtigkeit) und ihrer Zugänglichkeit in Verbindung mit der Anzahl der sich dort in der Regel aufhaltenden Menschen nüchtern zu betrachten.

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Menschliches Verhalten in Gefahrensituationen
Seien es Naturkatastrophen oder terroristische Anschläge: Sicherheitskräfte müssen das menschliche Verhalten in Gefahrensituationen kennen und miteinbeziehen.

Zum Schutz sind verschiedene Systeme möglich

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Zur Absicherung gefährdeter Bereiche steht eine Vielzahl an Systemen, stationärer wie mobiler Art, bereit. Viele Städte verfügen aus historischen Gründen bereits über Poller oder ähnliche Konstrukte, die in die Planung mit einbezogen werden sollten. Je offensichtlicher die Einschränkung durch Hindernisse (Behinderung des Verkehrs, Einschränkung der Barrierefreiheit), desto größer auch die öffentliche Diskussion, die geführt wird. Dabei gibt es durchaus städtebauliche Maßnahmen, die den Sicherheitsanforderungen Rechnung tragen und gleichzeitig sich dezent in ein Stadtbild einfügen. Denn Poller sind häufig nicht nur ästhetisch ein Problem, sondern nicht selten auch verkehrstechnisch. Die versenkbaren Systeme sind praktischer, aber auch ungleich teurer. Alternativen können mobile Lösungen darstellen oder unter dem Stichwort „Stadtmöblierung“ Hindernisse, die als solche auf den ersten Blick nicht erkennbar sind. Pflanztröge, aber auch Skulpturen oder strategisch aufgestellte Wartehäuschen, Lichtmaste oder massive Bänke können bereits einen wirkungsvollen Schutz gegen Fahrzeuge darstellen. Auch dichte Hecken sind geeignet, etwa den Explosionsdruck wirkungsvoll zu mindern, wie Versuche ergeben haben. Neben statischen Schutzwerken können auch intelligente Verkehrskonzepte zu mehr Sicherheit beitragen. So können bei planbaren Veranstaltungen Fahrspuren gesperrt werden, um den Verkehrsfluss an bestimmten Stellen zu bremsen und so zu verhindern, dass ein Attentäter mit einem Fahrzeug eine hohe Geschwindigkeit aufbauen könnte.

Eine einhundertprozentige Sicherheit kann es gerade im öffentlichen Raum nicht geben. Verantwortliche müssen daher Schutzziele in Abhängigkeit einer Risikobewertung definieren und diese effektiv umsetzen, beispielsweise Sicherung öffentlicher Plätze gegen Angriffe mit LKWs. Risikobewertung und Schutzziele sind dabei immer individuell den vorhandenen baulichen und sozialen Gegebenheiten anzupassen. Schutzkonzepte können dabei eine noch größere Wirkung entfalten, wenn sie Teil gesamtstädtischer Planungen sind. Auch bei den „Smart-City“-Ansätzen, bei denen Verkehrslenkung, städtische Beleuchtung und andere Elemente eine wichtige Rolle spielen, lässt sich urbane Sicherheit mitdenken und wirkungsvoll einbinden. Die Verantwortlichen sollten dabei die Bedrohungslage regelmäßig neu bewerten und Szenarien entwickeln, die es so vielleicht noch nicht gegeben hat, um auch auf eventuelle künftige Angriffsformen besser vorbereitet zu sein.

Tillmann Schulze ist seit 2010 als Gutachter im Bereich „Zivile Sicherheit“ tätig. Seit 2020 ist er zudem Dozent an der Hochschule Luzern für den CAS „Bedürfnisgerechtes Planen und Bauen“ für das Thema „Sicherheit öffentlicher Räume“.
Tillmann Schulze ist seit 2010 als Gutachter im Bereich „Zivile Sicherheit“ tätig. Seit 2020 ist er zudem Dozent an der Hochschule Luzern für den CAS „Bedürfnisgerechtes Planen und Bauen“ für das Thema „Sicherheit öffentlicher Räume“.

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