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Eine runde Sache

Die diesjährige Fußball-WM der Frauen im eigenen Land sollte ein positives Schlaglicht auf das Gastgeberland werfen. Die Voraussetzung hierfür lag vor allem im reibungslosen Ablauf der Veranstaltung, sowohl was die Organisation betrifft als auch in der Sicherheit.

Hooligans und radikale Fans sind im Fußball nach wie vor das größte Sicherheitsproblem.
Hooligans und radikale Fans sind im Fußball nach wie vor das größte Sicherheitsproblem.

Als im März dieses Jahres ein mutmaßlicher Terrorist am Dortmunder Fußballstadion drei Sprengsätze versteckt hatte, die alle rechtzeitig entdeckt worden waren, war die Bedrohungslage auch für die nachfolgende Fußballwelt-meisterschaft der Frauen sprunghaft gestiegen. Im Vorfeld dieser Großveran-staltung sammelten die Behörden Hinweise, die auf mögliche Anschläge und andere Gefahren während der Spiele hindeuteten. Auch wenn das allgemeine Gefahrenpotenzial niedriger als bei einem vergleichbaren Turnier der Männer angesehen wurde, stand die Sicherheit aller Beteiligten an erster Stelle.

Bedrohungsanalyse

In der im Lagezentrum des Bundesinnenministeriums angesiedelten nationalen Informationsstelle (Nisa) liefen im Vorfeld und während der Fifa Frauen-WM alle für die politischen Entscheidungsträger auf Bundesebene sicherheitsrelevanten Informationen zusammen. Zu den gesammelten Daten zählten unter anderem Informationen zu politisch motivierter Kriminalität, anlassbezogener allgemeiner und organisierter Kriminalität, die bundesweite Veranstaltungs- und Fanlage sowie auch VIP- und Staatsbesuche. Für die konkrete Planung der Sicherheitsmaßnahmen fand daneben eine eingehende Lageanalyse statt, in der die Verantwortlichen der verschiedenen Behörden wie Polizei- und Rettungskräfte sowie die Sicherheitsverantwortlichen der Spielstätten verschiedene Szenarien besprachen und entsprechende Pläne formulierten.

Von Behördenseite rechnete man eher mit Taschen- und Trickdiebstählen sowie mit Betrugs- und Fälschungsdelikten; auch mit Personen, die versuchen, sich unbefugter Weise Zutritt zu gesperrten Bereichen zu verschaffen. „Die klassische Bedrohung durch Hooligans stand dabei weniger im Vordergrund, als etwa bei der WM der Männer 2006“, erklärt Oliver Lerch, Sicherheitsbeauftragter bei Eintracht Frankfurt. Dennoch wurden auch hier sicherheitshalber die einschlägigen Foren und Kommunikationsplattformen beobachtet.

Gesamtkonzept entscheidend

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Das Sicherheitskonzept für die WM wie auch für die regulären Spiele der Bundesliga besteht aus einer Vielzahl aufeinander abgestimmter Maßnahmen und umschließt zunächst immer Prävention und dann Intervention. Dies betrifft beispielsweise im Vorfeld der Spiele das Ticketing, also die Art und Weise der Ticketvergabe, das Anreiseverhalten der Fans und Besucher, bis hin zur Zuteilung bestimmter Sektoren im Stadion für die Fangruppen. Sollte es doch zu Rangeleien oder Störungen auf den Rängen kommen, muss sichergestellt sein, dass die Polizei- und Ordnungskräfte entsprechend aufgestellt sind und dass das Material, etwa Zäune, einen gewissen Widerstandswert bieten. Hierzu gehören auch die Einlasskontrollen zum Stadion selbst und die Vereinzelungsanlagen, die die Besucherströme mit lenken sollen und an denen Einlasskontrollen stattfinden.

„Elementare Bausteine der Sicherheitsarchitektur im Ligabetrieb bilden auch die Fanbetreuer und Fanprojekte“, erläutert Lerch. Diese können auch als Mittler dienen und spezielle Maßnahmen kommunizieren, etwa bei der Ticketvergabe oder der Stadionsicherheit im Vorfeld. Je nach Spiel und den zu erwartenden Fans werden die Sicherheitsmaßnahmen angepasst, denn auch wenn alle Fans eine Art „Grundverhalten“ an den Tag legen, unterscheiden sich die Fans der einzelnen Vereine mitunter deutlich voneinander.

In den Stadien selbst gibt es verschiedene sicherheitstechnische Einrichtungen, um einen reibungs- und störungsfreien Spielablauf sicherzustellen. So können etwa in der Commerzbank-Arena in Frankfurt die Sektoren für die Fanblöcke getrennt werden, um diese räumlich zu separieren.

Bilder der Videoanlage

Darüber hinaus verfügen alle Organisationen mit Sicherheits- und Rettungsaufgaben über eigene Leitstellen. Zudem besitzt die Arena eine moderne Videoüberwachungsanlage. Mit rund 60 Kameras, die in und um das Stadion installiert sind, haben Polizei und Ordnungsdienst alles in Blick. Die Anlage ist zweigeteilt, sodass in einem Raum Polizeibeamte, im anderen Mitarbeiter des Ordnungsdiensts auf die Bilder der Videoanlage zugreifen können. Störer können so frühzeitig lokalisiert und Gegenmaßnahmen eingeleitet werden. Durch die individuelle Ansteuerung der Kameras lassen sich einzelne Ereignisse genau beobachten und aufzeichnen. Aber auch wenn keine Veranstaltungen und Spiele stattfinden, lässt sich das Video-Sicherheitssystem zur Erkennung von Eindringlingen im Objektschutz nutzen, um Diebstahl und Vandalismus vorzubeugen.

In der Videotechnik sind inzwischen auch weitergehende Lösungen denkbar. So haben Informatiker des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) ein Verfahren zur Identifizierung gesuchter Personen in Videoströmen entwickelt. Ziel soll es sein, als gewaltbereit bekannte Fußballfans schon am Stadioneingang abzufangen. Allerdings machen rechtliche Bedenken gegen diese Art von Gesichtserkennung in Echtzeit den Einsatz zumindest in Stadien in naher Zukunft eher unwahrscheinlich. Vielmehr setzen die Verantwortlichen auf ein immer der Lage angepasstes Sicherheitskonzept, das insbesondere die präventive Arbeit der Fanbeauftragten und -projekte berücksichtigt, um Gewalt möglichst im Vorfeld gar nicht erst aufkommen zu lassen.

Hendrick Lehmann

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