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State of Security 2014 4. Dezember 2014

Die Welt in der Orientierungskrise

Anfang November veranstaltete die German Business Protection mit ihren Partnern Kötter Security und Allianz SE die State of Security 2014. Hochrangige Politiker, Wissenschaftler und Wirtschafts-fachleute referierten über den Stand der Sicherheit in Europa und der Welt. Dem Bahnstreik war es geschuldet, dass nur rund einhundert Teilnehmer den Weg ins Allianz Gebäude am Pariser Platz im Zentrum der Hauptstadt fanden.

Dirk Bürhaus, Friedrich P. Kötter, Prof. Dr. Michael Heise, Dr. Günther Schmid, Dr. Norbert Röttgen und Maxim Worcester (von links) bei der Sicherheitskonferenz am Brandenburger Tor.
Dirk Bürhaus, Friedrich P. Kötter, Prof. Dr. Michael Heise, Dr. Günther Schmid, Dr. Norbert Röttgen und Maxim Worcester (von links) bei der Sicherheitskonferenz am Brandenburger Tor.

Wenig Erfreuliches wussten die Referenten zu berichten und ihre Ausblicke waren der Natur der Sache entsprechend wenig tröstlich. Im Zentrum der Ausführungen stand die Situation in der Ukraine. Durch die Transforma-tionskrise des Ostens falle die globale Ordnung, so Wolfgang Ischinger, ehemaliger Staatssekretär im Auswärtigen Amt und heutiger Leiter der Münchner Sicherheitskonferenz, zunehmend auseinander: Der Sicherheitsrat blockiere sich, G7, G8 und G20 ebenfalls, es gebe keine Entscheidungen. Der klassische Nationalstaat mit dem Monopol für militärische Aktionen werde immer weniger akzeptiert, neue Technologien ermöglichten eine andere Kriegsführung, Stichwort: Drohnen und Cyberkriminalität.

Die Bedrohung aus dem Osten sieht Ischinger länger anhaltend, dennoch: Sicherheit in Europa könne es nur mit Russland geben, deshalb sei einerseits die Tür zu Verhandlungslösungen mit Hilfe der OSZE offen zu halten, andererseits müsse der Westen die Krise ernst nehmen und zumindest militärisch bereit sein. Die Minimalmaßnahme der EU sei ein „sharing and pooling“ bei der Beschaffung auf militärischem Gebiet.

Fundamentale Machtverschiebung

Dr. Norbert Röttgen, Mitglied des Bundestages und Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses, geht einen Schritt weiter: „Mit dem Bruch der europäischen Friedensordnung geht es Putin nicht nur um die Krim und die Ukraine, sondern um eine fundamentale Machtverschiebung“. Für den russischen Präsidenten sei der Zusammenbruch der Sowjetunion die größte geopolitische Katastrophe des 20. Jahrhunderts: „Er fühlt sich durch den Westen bedroht“.

Putin wusste, dass der Westen seiner hybriden Kriegsführung erst auf der Krim und dann in der Ostukraine militärisch nichts entgegensetzen würde. Umso wichtiger ist die Entwicklung eines Konzepts und einer Strategie, wie dem Machtstreben des Ostens begegnet werden kann. Im Klartext bedeutet dies eine Erhöhung der Wehrausgaben und eine engere Verzahnung der EU-Einzelstaaten untereinander sowie der Nato.

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Erosion der Werte

„Die Welt steckt durch die fortschreitende Erosion der Werte in einer Orientierungskrise“, postulierte Dr. Günther Schmid, ehemaliger Professor an der Fachhochschule des Bundes für öffentliche Verwaltung. Mit strukturloser Politik, der die Sprache fehle, seien wir in eine Weltunordnung geraten. Weder Deutschland noch die EU betrieben eine strategische Außenpolitik, „deshalb sehen wir eine Wiederkehr autoritärer Regime“. Die hybride Bedrohung durch das klerikalfaschistische Kalifat sieht er als nicht berechenbar, sie entziehe sich schlicht der Vorstellungskraft westlicher Politiker. Es sei davon auszugehen, dass die Grenzen nach Ende des Krieges verändert sein werden. Das Interesse der USA am mittleren Osten als Öllieferant dürfte weiter sinken – sie sind in Kürze energietechnisch autark.

Druck durch Demografie

Auf den enorm wachsenden Demografiedruck Afrikas wies Prof. Dr. Michael Heise, Chefvolkswirt der Allianz hin. Im Schnitt gebären afrikanische Frauen sieben bis acht Kinder, was eine Verdreifachung der Bevölkerung auf rund 3,3 Milliarden bis zur Mitte des Jahrhunderts bedeutet. Die zumeist jungen Menschen ohne Bildung und Perspektiven bilden ein hohes Migrationspotenzial insbesondere nach Europa. Es sei zwingend nötig, Konzepte zu entwickeln, die vor Ort Arbeitsmärkte entstehen lassen, um die Menschen davon abzuhalten, ihre Heimat zu verlassen. Aktuell müsse ein Verteilungsschlüssel der Flüchtlinge für alle EU Staaten vereinbart werden. Wenn sich die Volksparteien des Themas Immigrationsdruck nicht annähmen, sprängen populistische Parteien in die Bresche und gefährdeten so die Demokratie.

Die Konzeptlosigkeit des Westens müsse ein Ende haben, die EU mit einer Stimme sprechen, ihre Verteidigungsfähigkeit demonstrieren und Energiesicherheit erzielen. Der sinkende Ölpreis wird insbesondere dort zu Änderungen führen, wo der Verkauf von Öl den Staatshaushalt stützt. Das ist nicht wirklich neu: Sicherheit kostet Geld – und um den aufgezeigten Gefahren zu begegnen, müssen unter anderem die Wehretats erhöht werden.

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