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Von der Insel in die Wolken

Teil 2

Selige Unwissenheit

Wie verbreitet Cloud-Lösungen abseits der Sicherheitstechnik schon sind, weiß Hagen Zumpe von Salto Systems: „Ich denke, es ist nicht entscheidend für die Nachfrage, ob man Sicherheitssysteme über eine Cloud laufen lässt oder nicht. Es ist eher die Frage, wie es um die Rezeption des Begriffs Cloud in Deutschland bestellt ist. Dieser hat momentan einen negativen Beigeschmack. Aber ich glaube, dass die meisten gar nicht wissen, welche Dienstleistungen heute schon über die Cloud laufen. Wenn man zum Beispiel mit Datev zusammenarbeitet, dann werden sämtliche Lohnbuchhaltungsdaten in der Cloud gespeichert. Und das sind durchaus sensible Daten. Es stellt sich also vielmehr die Frage, welche Sicherheitsmechanismen dahinter stehen. Es gibt genügend Möglichkeiten, die Daten zu schützen und das Risiko zu minimieren, angefangen bei der Verschlüsselung der Datenübertragung über die Verschlüsselung der gespeicherten Daten bis hin zur Zwei-Faktor-Authentifizierung für das Verändern und Nutzen der Daten.“

Die Nutzer wiegen sich aber nicht generell in seliger Unwissenheit, sie nutzen Cloud-Anwendungen freiwillig und ausgiebig jeden Tag, wie Wilhelm Fischer von Netzwerkservice-Fischer anmerkt: „Die Kunden haben über die zunehmende Verbreitung von Smartphones und Tablets gelernt, ganz selbstverständlich mit Cloud-Lösungen umzugehen und alle möglichen teils sehr persönlichen Daten dort abzulegen. Paradoxerweise scheuen sie aber zuhause davor zurück, wenn es darum geht ein Cloud-basiertes System zu installieren. Andererseits überweisen sie dann ihre Rechnungen wieder über das Handy. Man darf es nicht so schwarzweiß sehen, denn die Weisheit, dass es die hundertprozentige Sicherheit nicht gibt, müssen wir auch auf die Cloud-Systeme übertragen. Denn klar ist auch, wir werden künftig kaum mehr um diese herumkommen.“

Treibende Kräfte

Bei allen Hindernissen, die den smarten Systemen noch im Weg liegen, gibt es auch einige treibende Kräfte, die den Markt nach vorne bringen können. So glaubt etwa Markus Groben: „Es ist auch die Möglichkeit gegeben, das über smarte Geräte der Markt von hinten aufgerollt wird. Wenn der Appgesteuerte Kühlschrank nur 30 Euro mehr kostet als ein herkömmlicher, dann wird er sich durchsetzen. Oder denken wir an Appgesteuerte Staubsauger-Roboter – wenn auch hier der Preisunterschied zu den herkömmlichen Staubsaugern klein genug wird, werden sie massenweise Verbreitung finden. Solche Produkte können Druck erzeugen, sie in einem smarten Haus zu vernetzen. Denn wenn man als Kunde all diese Dinge nutzt, dann möchte man sie auch unter einem gemeinsamen Dach vereinen.“

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Christian Sittner pflichtet bei: „Ich glaube auch, dass viele noch überfordert sind mit der Komplexität einer kompletten Smart-Home-Lösung. Deshalb werden viele meist mit einer kleinen Lösung, einer Single-Use-Lösung anfangen. Außerdem wird gerade auch viel im Nachrüstbereich passieren, weil das der einfachste und billigste Einstieg in das Smart Home ist. Dabei wird fast schon erwartet, dass Geräte, die man neu kauft, vernetzt sind und über das Smartphone bedient werden können.“

Dass wichtige Impulse aus dem Nachrüstmarkt kommen werden, glaubt auch Wilhelm Fischer: „Wir reden in Bezug auf Smart Home eben nicht nur von Neubauten, sondern müssen auch den gewaltigen Nachrüstmarkt einbeziehen. Oft haben die Kunden bereits elektrische Jalousien oder eine Lichtsteuerung und würden diese Systeme jetzt gerne über eine App steuern. Der Kunde möchte oft gar nicht ein allumfassend smartes Gebäude, sondern zum Beispiel nur das Garagentor mit dem Handy aufmachen oder ähnliche Anwendungen realisieren. Hierfür bräuchte es clevere Lösungen und vor allem einen einheitlichen Standard.“

Standards und Protokolle

Armin Anders sieht diesen einheitlichen Standard noch nicht, betont aber, worauf es seiner Meinung nach eher ankommt: „Beim Thema Standards kann es in der Tat schnell verwirrend werden, denn wir werden auch in Zukunft noch mehrere Standards haben. Das ist nur logisch, denn sie haben unterschiedliche Anwendungsbereiche – sichere Datenübertragung und Energieverbrauch sind recht gegensätzliche Dinge, weshalb es auch unterschiedliche Standards geben wird. Diese Standards müssen allerdings so angeglichen werden, dass sie miteinander kommunizieren können. Es geht im Prinzip um Konnektivität: Wir müssen es schaffen, dass für den Endanwender eine Transparenz der Technologien hergestellt werden kann und die eingesetzten Geräte und Programme miteinander kommunizieren können.“

Uli Schunk von der Euromicron AG skizziert seine Ansicht: „In Sachen Standardisierung setzen wir uns im Rahmen der IP500-Alliance für die Verbreitung eines einheitlichen Kommunikationsstandards ein. Es wird kurzfristig nicht diesen einen Standard geben, der alle Gewerke im Smart Building abdeckt. Vielmehr werden noch eine ganze Weile mehrere parallele Standards existieren, die es miteinander in Einklang zu bringen gilt. Durch die Verwendung allgemein akzeptierter Standards ermöglicht die IP500-Plattform eine größtmögliche Interoperabilität für das hersteller- und gewerkübergreifende Zusammenspiel unterschiedlicher Sicherheitsanwendungen.“

Gegen einen allzu engen einheitlichen Standard spricht auch die Individualität smarter Systeme, findet Tobias Schmid von Schmid Alarm: „Bei einem intelligenten Haus, einem echten Smart Home, möchte der Nutzer sein System so programmiert haben, wie er es sich gemäß seiner Bedürfnisse vorstellt. Was dabei umsetzbar ist, müssen wir im Einzelfall durch Beratung klären. Das Horrorszenario ist doch, dass man sich manche Wege schon allein dadurch verbaut, weil man ein bestimmtes System einsetzt, das nicht mit anderen kommuniziert.“

Und Florian Lasch von Abus Security-Center ergänzt in Bezug auf vernetzte Einzelanwendungen: „Die Integration von Smart-Home-Lösungen erfordert hohe Sicherheitsstandards von A bis Z. Das beginnt bei der intuitiven Bedienung aller Elemente möglichst über eine zentrale Schnittstelle und reicht über die zuverlässige Funktion bis hin zum sicheren Datenaustausch.“

Schrittweises Verschmelzen

Wie smart das Endergebnis bei vernetzen Einzelanwendungen sein wird, ist sicherlich eine der Fragen, die sich erst in Zukunft beantworten lassen, wenn es mehr Erfahrung mit tatsächlich in der Breite eingesetzten Lösungen gibt. Dass diese Verbreitung vermutlich nicht mehr allzu lange auf sich warten lassen wird, belegt auch das anhaltende Engagement großer Internetkonzerne, die versuchen, weitere Anbieter ins Boot zu holen.

Volker Brink von Winkhaus erklärt: „Auch wenn Smart-Home-Systeme großer Anbieter meist proprietär sind, so wird es zunehmend auch dort möglich, über Software-Development- und Device-Development-Kits Produkte und Services von Drittanbietern zu integrieren. Darüber können unter anderem Add-Ins für die Benutzeroberfläche der Smart-Home-Software dieser Anbieter erstellt werden. Damit wird es möglich, alle Smart-Home-Applikationen und Anwendungen mit nur einem User Interface, also einer App, zu bedienen. Der Erfolg steht und fällt aber mit der Bereitschaft der Anbieter, sich auch ohne finanziellen Anreiz dort einzubringen.“

Das Verschmelzen der Einzelanwendungen kann natürlich bis zu einem gewissen Grad durch ein durchdachtes Baukastensystem geschehen, wie es die großen Player der Internet- und Unterhaltungsindustrie anstreben. Oder man geht doch den Weg hin zu einer maßgeschneiderten Lösung. Welcher Ansatz jeweils besser ist, entscheiden die individuellen Ansprüche und Wünsche der Kunden – sofern diese schon selbst wissen, was sie genau benötigen.

Ein weiterer in Zukunft entscheidender Aspekt wird die Rolle von Errichtern und Integratoren sein. Sind sie bei der Installation einer vernetzten und als Plug-and-Play konzipierten Lösung noch vonnöten? Dies wird Thema eines ausführlichen Beitrags in einer der nächsten Ausgaben sein. Darüber hinaus widmen wir uns dann der Frage, wie man Smart-Home-Security im Segment der gewerblichen Anwendung sinnvoll nutzen kann.

Michael Gückel
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