Wie sich Unternehmen für den Klimawandel wappnen
Da die extremen Wetterereignisse rasant zunehmen, wird es für Unternehmen immer bedeutsamer Klimawandelanpassungs-Maßnahmen zu ergreifen.
Am Beispiel des Unternehmens Altenloh, Brinck & Co (ABC) erkennt man deutlich wie wichtig es ist Maßnahmen aufgrund des Klimawandels zu treffen. Spax-Schrauben kennt beinahe jeder Handwerker. Sie werden in Ennepetal, in einer der ältesten Schraubenfabriken Deutschlands gefertigt. Seit der Gründung 1823 befindet sich der Hauptsitz der Unternehmensgruppe Altenloh, Brinck & Co direkt neben dem normalerweise beschaulichen Flüsschen Ennepe. In fast 200 Jahren Firmengeschichte gab es keinerlei klimatische Standortschwierigkeiten – bis das Produktionsgebäude infolge von Hochwasser nach den Starkregenereignissen im Juli 2021 drohte, unterspült zu werden. Inzwischen wurde im Rahmen aufwändiger Maßnahmen eine großflächige Flutschutzwand installiert.
Erst rund um den Jahreswechsel 2023/24 machten zahlreiche Überschwemmungen in Deutschland deutlich, dass extreme Wetterereignisse kein Einzelfall mehr sind. Starkregen, Hitzewellen, Stürme können jeden Standort treffen. Klimawandelanpassung wird daher zur unternehmerischen Notwendigkeit, um die eigene Wettbewerbsfähigkeit nachhaltig zu sichern. „Leider zeigen unsere Erfahrungen – und Untersuchungen bestätigen dies –, dass Unternehmen ihre Klimarisiken noch nicht hinreichend kennen. Deshalb ist es wichtig, Bewusstsein zu schaffen und die Handlungsbereitschaft zu erhöhen“, unterstreicht Dr. Hans-Peter Winkelmann, Inhaber des Ingenieurbüros für Klimaschutz und Klimaanpassung „s4c solutions4climate“.
Schritt 1: systematische Klimarisikoanalyse
Birgit Georgi, Klimaanpassungsberaterin bei „Strong in a changing climate“ empfiehlt Unternehmern als grundlegenden ersten Schritt, eine systematische Klimarisikoanalyse vorzunehmen. Sie hat einen Selbsttest zum Einstieg entwickelt, der unter birgitgeorgi.eu kostenlos abgerufen werden kann. Weitere Hilfestellung geben unter anderem:
- die Broschüre des Umweltbundesamts „Physische Klimarisiken managen – Eine Einführung für Unternehmen“,
- die Publikation des Umweltbundesamts „Durchführung einer robusten Klimarisiko- und Vulnerabilitätsanalyse nach EU Taxonomie – Empfehlungen für Unternehmen“,
- die Norm ISO 14091 „Anpassung an den Klimawandel – Vulnerabilität, Auswirkungen und Risikobewertung“
- sowie vielfältige, teils öffentlich geförderte Beratungsangebote, darunter unter anderem Klima Profit NRW, Netzwerk Klimaanpassung & Unternehmen NRW (beide bundeslandbezogen) oder HDE-Adapt (auf die Unternehmer-Zielgruppe Einzelhändler ausgerichtet).
Erst der Gesamtüberblick über die Risiken stellt sicher, dass sowohl effektive als auch kostengünstige Strategien entwickelt und Maßnahmen ergriffen werden können. Entsprechende Risikoanalysen werden zudem immer relevanter in Bezug auf die Versicherbarkeit und die Kreditwürdigkeit eines Unternehmens. Ebenso werden sie im Rahmen von Unternehmensbewertungen bzw. der Due Dilligence durch potenzielle Kapitalgeber und Investoren herangezogen. Auch die gesetzlichen Vorgaben steigen. So fordern die EU Nachhaltigkeitsberichterstattung Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) und die EU Taxonomie Verordnung – zunächst von börsennotierten, großen und Finanzmarkt-Unternehmen – Maßnahmen zur Absicherung gegen die Risiken des Klimawandels. Indirekt umfasst die Berichtspflicht jedoch auch kleine Unternehmen als Zulieferer der großen.
Auf den Ergebnissen der Klimarisikoanalyse aufbauend gilt es, ein ganzheitliches Anpassungskonzept inklusive Notfallplänen zu erstellen. Dies sollte möglichst im kommunalen und nachbarschaftlichen Austausch geschehen, damit alle Aktivitäten optimal ineinandergreifen. Birgit Georgi ist wichtig, zu betonen: „Es gibt keinen pauschalen Masterplan, der für alle richtig ist.“ Sie unterstreicht zugleich: „Oft reichen schon wenige Maßnahmen, wenn sie denn passgenau auf der Basis der Analyse vorgenommen werden.“
Lösungsoptionen am Beispiel Starkregen
Es gibt eine Fülle an individuellen Lösungsoptionen, die sich in sogenannte graue (bautechnische), grüne/blaue (naturbasierte) und weiche Maßnahmen (organisatorische) gliedern. Exemplarisch ein kleiner Ausschnitt zum Risiko Starkregen:
Dr. Hans-Peter Winkelmann rät, einen Blick in Starkregengefahrenkarten zu werfen, da diese unter anderem die Fließrichtung des Wassers angeben. „Hieraus lässt sich ableiten, welche Gebäudeöffnungen möglicherweise Eintrittsstellen für Wasser bieten. Bereits mit einfachen Maßnahmen wie vorgelagerten Schwellen lässt sich hier das Risiko deutlich senken. Rückstausicherung ist unbedingt erforderlich, beispielsweise durch Hebeanlagen oder Rückstauklappen. Ebenso ist die regelmäßige Kontrolle von Dächern angeraten.“ Birgit Georgi und Dr. Hans-Peter Winkelmann, die übrigens zu den ersten zertifizierten Klimawandelanpassungsberatern in Deutschland gehören, mahnen zudem: „Kritische Infrastruktur und Gebäudetechnik, wie Heizungen und IT-Server, Schaltschränke etc., sollten grundsätzlich nicht im Kellergeschoss, sondern oberhalb der Höchstwassergrenze untergebracht werden.“ Auch die Einrichtung eines dezentralen Systems zur Sicherstellung der (Notfall-)Energieversorgung kann sich lohnen.
Wer ohnehin einen neuen Standort sucht, kann direkt auf dessen Klima Resilienz achten, also beispielsweise eine leicht erhöhte Lage statt der Lage in einer Senke wählen. Bei Neubauten lässt sich von vornherein der Stand der Technik verbauen. Beispiel: Als das Unternehmen Mercedes-Benz Herbrand 2020 ein Nutzfahrzeug-Kompetenzzentrum in Krefeld-Fichtenhain errichtete, wurde von Anfang an eine Lösung zur Regenwasser-Versickerung mitberücksichtigt (in die Erde eingelassene Teilrigolen mit Tunnelelementen, umgesetzt von Intewa, Aachen). Das Institut für Leichtbau und Entwerfen (ILEK) der Universität Stuttgart wiederum hat ein textiles Fassadensystem entwickelt, das gleichermaßen hilfreich bei Starkregen als auch Hitze wirkt. Die hydroaktive Gebäudehülle speichert Regenwasser, das bei hoher Außentemperatur verdunstet. Innovationen wie diese sind immer öfter an der Tagesordnung. Viele Maßnahmen werden auch gefördert, ein Blick in Förderdatenbanken lohnt.
Idealerweise integraler Bestandteil betrieblicher Prozesse
„Um stets up-to-date zu bleiben und ganzheitlich nachzusteuern, sollte Klimawandelanpassung integraler Bestandteil betrieblicher Prozesse werden“, so Birgit Georgi. Risikomanagement, Arbeitssicherheit, Facility Management, Umweltabteilung, Finanzabteilung, Kommunikation und HR (mit Blick auf Mitarbeiterschulungen) – sie alle sollten eingebunden sein. Ebenso die Einkaufsabteilung: Denn es gilt, auch mögliche Störungen der Lieferketten in Betracht zu ziehen. So führte die Flutkatastrophe in Slowenien vom vergangenen August dazu, dass die Automobilindustrie in weiten Teilen Europas phasenweise lahmgelegt war. Größere Sicherheit schafft hier beispielsweise die Diversifizierung von Lieferanten und Logistik.
Stefanie Hütz, freie Mitarbeiterin PROTECTOR
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