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Brandschutz 17. Januar 2024

Neubau einer Universitätsklinik mit umfassendem Brandschutzkonzept

Beim Neubau der Chirurgischen Universitätsklinik in Heidelberg kam dem Brandschutz ein hoher Stellenwert zu.

Der Neubau der  Chirurgischen Universitätsklinik umfasst etwa 21.000 m2 Nutzfläche – und entsprechendem Brandschutzkonzept.
Der Neubau der Chirurgischen Universitätsklinik umfasst etwa 21.000 m2 Nutzfläche – und entsprechendem Brandschutzkonzept.

Brände in Krankenhäusern/Kliniken können verheerende Auswirkungen haben; ein effektiver Brandschutz mit entsprechendem Brandschutzkonzept ist daher unabdingbar, um das Leben der Patienten und Mitarbeiter im Ernstfall wirkungsvoll zu schützen. Vor diesem Hintergrund spielte der Brandschutz beim 2020 fertiggestellten Neubau der Chirurgischen Universitätsklinik Heidelberg eine wesentliche Rolle. Als Teil des Heidelberger Klinikrings werden im ambulanten Bereich pro Jahr 85.000 Patienten erwartet, die stationäre und tagesklinische Betreuung umfasst 313 Betten. Das Gebäude vereint eine moderne und funktionale Architektur, die sich an den benachbarten Bestandsgebäuden orientiert. Der Bau ist als kammförmige Struktur konzipiert, mit Bettentrakten, die zum Innenbereich hin ausgerichtet sind und an eine „Patientenstraße“ anschließen. Richtung Vorplatz verläuft ein viergeschossiger Gebäudewinkel parallel zur Patientenstraße.

Wichtig war bei der Konzeption, dass das Gebäude modular aufgebaut ist. Die Pflegebereiche sowie die Untersuchungs- und Behandlungsbereiche weisen einheitliche Gebäudetiefen auf. Alle Aufzüge, Treppenhäuser und Versorgungsschächte sind systematisch angeordnet. Dies erleichtert die Orientierung für Besucher und Mitarbeiter gleichermaßen. In der Ebene E00 befinden sich neben der zentralen Leitstelle mit Anmelde-Kabinen die Intermediate Care-Stationen. In den Ebenen 01-03 sind Normalpflegestationen und in der E03 auch die Wahlleistungsstation untergebracht. Im Untergeschoss der Ebene E99 sind die OP-Abteilung mit 16 OP-Sälen, einschließlich zweier Hybrid-OPs und ein IORT-OP (intraoperative Strahlentherapie) in zwei breiten Flügeln angeordnet. Die gesamte Versorgung der Notfälle wird auf dieser Ebene durchgeführt.

Schutz der Patienten und Mitarbeiter in der Universitätsklinik

Gemäß § 2 der LBO BW ist der Neubau der Gebäudeklasse 5 zuzuordnen und § 38 LBO BW führt mehrere Merkmale auf, die Krankenhäuser zu den Sonderbauten zählen lassen, an die besondere Anforderungen im Einzelfall zu stellen sind. Da sich in einem Krankenhaus viele Menschen aufhalten, die im Evakuierungsfall auf die Hilfe anderer angewiesen sind, ist das primäre Schutzziel die Brandverhütung und Brandausbreitung. Die vollständige Evakuierung des Klinikums ist zwar ebenfalls in angemessenen Zeiträumen zu berücksichtigen, stellt aber nicht das primäre Schutzziel dar. Aufgrund der Ausdehnung des Gebäudes und der sich darin befindenden Personen gilt es ferner, die Feuerwehr baulich, technisch und organisatorisch zu unterstützen. Dabei geht es oftmals darum, Abweichungen von den gesetzlichen Normen, die der Transparenz, Funktionalität und Ästhetik des Gebäudes geschuldet sind, mit entsprechenden Maßnahmen zu kompensieren.

Aufgrund der notwendigen Funktionsbereiche werden die zulässigen Brandabschnittslängen vielerorts überschritten. Für die Feuerwehr sind daher einzelne Brandabschnitte mit maximal 400 m2 eingerichtet worden, um noch gut beherrschbare Bereiche zu schaffen. Die Öffnungen in Gebäudetrennwänden sind, mit einigen Ausnahmen, mit feuerhemmenden und rauchdichten Türen verschlossen. Notwendige Flure oder unmittelbar angrenzende Bereiche mit Sprinklern sind ebenfalls durch rauchdichte Türen abgetrennt. Diese Maßnahmen sorgen dafür, dass ein Brand sich nur auf einen kleinen Bereich ausbreiten kann und eine Brand- und Rauchweiterleitung wirksam behindert wird.

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Grundsätzlich gilt es, die Patienten aus den vom Brand gefährdeten Bereichen horizontal, also ohne Wechsel des Stockwerks, zu evakuieren (Verzögerungstaktik). Hierbei werden die Patienten in den jeweils nicht gefährdeten Bereich gebracht, anstatt ganze Ebenen zu räumen, was nur im absoluten Notfall angebracht wäre. „Deswegen war es uns wichtig bei der Planung, die Menschenströme innerhalb der Klinik sauber lenken zu können. Auf der Ebene E00 finden Behandlungen statt, die getrennt sind von denen der Notaufnahme und der OPs eine Ebene tiefer, sodass es hier nicht zu Kreuzungen verschiedener Patientengruppen kommt“, erläutert Gunnar Kirrmann vom Amt Vermögen und Bau Baden-Württemberg.

Vorbeugender Brandschutz auf Höhe der Zeit

Eine der zentralen Maßnahmen und wesentlicher Bestandteil des Brandschutzkonzepts ist daher der Einsatz einer selbsttätigen flächendeckenden Sprinkleranlage in den Bereichen, deren Fläche nicht durch Brandschutzabschnitte auf die vorgeschriebene Maximalgröße begrenzt worden ist. Hierzu sind im Gebäudekomplex insgesamt rund 1.000 Sprinkler verbaut worden.

Die Sprinkleranlage ist als Nassanlage ausgeführt, das Rohrnetz hinter der Alarmventilstation ist also mit Wasser gefüllt. Bei einem Brand lösen die Sprinkler in unmittelbarer Näher des Brandherds aus und der hieraus resultierende Druckabfall im Rohrnetz löst das Öffnen der Alarmventilstation und eine Alarmierung aus. Die Sprinklerung kommt vor allem in der Magistrale, die die Ebene E00 und Ebene E99 durchläuft, sowie im Luftraum in der Ebene E01 zum Einsatz. Zusätzlich erlaubt der Aufbau des Gebäudeteils es Personen, sich auf kurzen Wegen (etwa 20 m) zu Ausgängen ins Freie oder einen gesicherten Treppenraum zu begeben. Das Wasser für die Sprinkleranlage wird nicht in Tanks bevorratet, sondern wird direkt aus dem Netz eingespeist. Die Alarmventilstation der Sprinkleranlage ist auf die Brandmeldeanlage aufgeschaltet. Im Auslösefall wird über den Alarm neben dem technischen Dienst auch sofort die Feuerwehr informiert, die innerhalb von sieben Minuten vor Ort ist.

Künstliche Intelligenz wird die Brandbekämpfung und die Präventionsmaßnahmen nachhaltig beeinflussen, damit es erst gar nicht zu großen Brandereignissen kommt. 
Künstliche Intelligenz bei der Brandbekämpfung
Künstliche Intelligenz macht auch bei Brandschutz und Brandbekämpfung nicht halt. Gebäude werden künftig über einen smarten aktiven oder vorbeugenden Brandschutz verfügen.

Rauch- und Wärmemelder als wichtiges  Element im Brandschutzkonzept

„Das Gebäude ist flächendeckend mit Rauchmeldern bestückt. Der Bereich des Automatischen Warentransports (AWT) ist mit Wärmemeldern abgesichert. Dort, wo herkömmliche Rauchmelder nicht zweckdienlich sind, kommen RAS-System zum Einsatz“, erläutert Kirrmann. Zur Rauchdetektion in Lüftungskanälen sind ferner Kanalrauchmelder installiert. Diese sind auf die BMA aufgeschaltet und lösen lediglich einen technischen Alarm aus und bewirken die Abschaltung der jeweiligen Lüftungsanlagen. Die Feuerwehr wird hierbei nicht automatisch alarmiert. An allen Ausgängen, den Zugängen zu den Treppenräumen und den Wandhydranten befinden sich zusätzlich Handfeuermelder. Diese sind so angeordnet, dass eine Person nicht mehr als 30 Meter zurücklegen muss, um einen Melder zu betätigen.

Im Alarmfall laufen alle Meldungen in der BMZ auf. Neben der Feuerwehr werden auch immer die Mitarbeiter der KSG (Klinik Service GmbH) benachrichtigt, die im ersten Schritt den Alarm untersuchen. Die Leitstelle der KSG ist ganzjährig rund um die Uhr besetzt. Die BMZ ist an zwei Feuerwehrinformationszentren (FIZ) an schnell erreichbaren Zugängen zu den Treppenräumen angeschlossen, in denen die Feuerwehr die notwendigen Informationen über das Anzeige-Tableau erhält und sich mit Hilfe der Laufkarten orientieren kann.

Besonderheit Hubschrauberlandeplatz

Um Notfallpatienten rasch behandeln zu können, ist die Chirurgie mit einem Hubschrauberlandeplatz auf dem Gebäude ausgestattet. Hier sind besondere brandschutztechnische Maßnahmen getroffen worden, um die möglichen Risiken durch einen Unfall mit dem Hubschrauber auf dem Platz oder während der Landung zu minimieren, denn die größte Gefahr geht vom betankten Treibstoff aus. Dazu gehören zwei an der Landeplattform angeordnete Löschmonitore, die sich aus dem Beobachterraum bedienen lassen. Um die Brandausbreitung im Gefahrenfall zu begrenzen, muss im Flugbetrieb oder während der Ladung eines Hubschraubers mindestens eine sachkundige Person im Beobachterraum anwesend sein. Diese übernimmt neben der Einweisung des Hubschraubers im Ernstfall auch die Steuerung der stationären Löschmonitore. Es wird davon ausgegangen, dass nach einer Minute Brandbekämpfung mit Schaum (mindestens 500 l/min) mindestens 90% des Feuers gelöscht sind. Für die Feuerwehr werden Rettungsgeräte für den Einsatz in der Nähe des Landeplatzes vorgehalten, damit diese nicht erst durch das Gebäude nach oben geschafft werden müssen.

Im Ernstfall können zwei Löschmonitore einen Brand auf dem Hubschrauberlandeplatz wirkungsvoll bekämpfen.
Im Ernstfall können zwei Löschmonitore einen Brand auf dem Hubschrauberlandeplatz wirkungsvoll bekämpfen.

Ein weiterer Faktor betrifft die Brandlasten, die in einem Krankenhaus auftreten. Dies sind neben dem notwendigen Mobiliar und medizinischen Geräten auf den Stationen auch die Betten und andere Einrichtungsgegenstände. Insbesondere Polstermöbel sind aus Materialien, die der DIN 66084 P-b und P-b entsprechen, gefertigt. Bei der Klasse P-c darf das Objekt beim direkten Kontakt mit einer Zigarette nach 60 min weder glimmen noch brennen. In der Klasse P-c darf ein Polsterverbund innerhalb von 15 sec nicht durch ein brennendes Streichholz im direkten Kontakt entzündet werden. Ferner bestehen die Betten weitestgehend aus nichtbrennbaren Stoffen.

Alarmierung ohne Panik

Im Krankenhaus ist eine Alarmierungsanlage installiert, die innerhalb des Gebäudes in den Bereichen mit Patientenaufenthalt, im Bereich der Büro- und Verwaltung und im Bereich der Lehre bewusst als „Stiller Alarm“ ausgeführt ist. Im hinterlegten Alarmierungskonzept ist festgelegt, welche Bereiche und Personen (Pflegepersonal, technischer Dienst, Krankenhausleitung) zu alarmieren sind. In den Bettentrakten Ebene E99 bis E03, sowie den Gebäudeteilen E und F ist die Alarmierung als stiller Alarm über den Schwesternruf ausgeführt. Dort, wo kein Schwesternruf installiert ist, etwa Diensträume, erfolgt die Alarmierung optisch über Blitzleuchten. In Bereichen, in denen eine stille Alarmierung nicht zwingend erforderlich ist (Technik-Ebene E98, sowie die Ebenen E03 und E04), wird das Alarmierungssignal über Hupen ausgesandt. Das Signal wird in allen Räumen wahrgenommen. Die Ansteuerung der Signalgeber ist so ausgeführt, dass bei Auslösen der automatischen Brandmeldeanlage unverzüglich eine Alarmierung der Personen im betroffenen Bereich erfolgt.

Bei dem Neubau sind umfangreiche Erfahrungen der letzten Jahre aus den anderen Klinikbauten im Klinikring des Neuenheimer Feld eingeflossen. Bei der Konzeption des Brandschutzes konnte somit auf praktisches Wissen zurückgegriffen werden, um alle Schutzziele zu erfüllen, insbesondere dort, wo es zu baulichen Abweichungen von der Norm gekommen ist. Die Chirurgie in Heidelberg zählt damit sicherlich zu den modernsten Krankenhäusern in Deutschland, medizinisch und brandschutztechnisch.

§ 38 LBO BW

Sonderbauten sind Anlagen und Räume besonderer Art oder Nutzung, die insbesondere einen der nachfolgenden Tatbestände erfüllen:

(1) An Sonderbauten können zur Verwirklichung der allgemeinen Anforderungen nach § 3 Abs. 1 besondere Anforderungen im Einzelfall gestellt werden; Erleichterungen können zugelassen werden, soweit es der Einhaltung von Vorschriften wegen der besonderen Art oder Nutzung baulicher Anlagen oder Räume oder wegen besonderer Anforderungen nicht bedarf. Die besonderen und Erleichterungen können insbesondere betreffen (…)

4. die Bauart und Anordnung aller für die Standsicherheit, Verkehrssicherheit, den Brandschutz, Schallschutz oder Gesundheitsschutz wesentlichen Bauteile und die Verwendung von Baustoffen, (…)

6. die Zahl, Anordnung und Herstellung der Treppen, Treppenräume, Flure, Aufzüge, Ausgänge und Rettungswege, (…)

16. den Betrieb und die Nutzung einschließlich des organisatorischen Brandschutzes und der Bestellung und der Qualifikation eines Brandschutzbeauftragten,

17.Brandschutzanlagen, -einrichtungen und -vorkehrungen einschließlich der Löschwasserrückhaltung, (…)

(2) Sonderbauten sind Anlagen und Räume besonderer Art oder Nutzung, die insbesondere einen der nachfolgenden Tatbestände erfüllen: (…)

4. Büro- und Verwaltungsgebäude mit einer Grundfläche von insgesamt mehr als 400 Quadratmeter, (…) Krankenhäuser und ähnliche Einrichtungen, (…)

20. Gebäude mit mehr als 1.600 Quadratmeter Grundfläche des Geschosses mit der größten Ausdehnung, ausgenommen Wohngebäude und Gewächshäuser.

Hendrick Lehmann, freier Mitarbeiter PROTECTOR

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