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Mit dem Terrorismusrisiko leben

In wenigen Wochen beginnt in Frankreich die Fußball Europameisterschaft. Dabei mischt sich die Sorge vor terroristischen Anschlägen in die Vorfreude von Millionen Fußballfans. Das Eröffnungsspiel am 10. Juni wird im Stade de France stattfinden, wo die Pariser Anschläge im November 2015 ihren Auftakt nahmen.

Das individuelle Terror-Risiko in Europa und zur Fußball-EM bleibt gering.
Das individuelle Terror-Risiko in Europa und zur Fußball-EM bleibt gering.

Nach den jüngsten Anschlägen in Brüssel soll einer der Tatverdächtigen ausgesagt haben, dass die Gruppe eigentlich die EM in Frankreich im Visier hatte. Die Angriffe von Paris und Brüssel haben das Bedrohungspotential durch dschihadistischen Terror in Europa deutlich vor Augen geführt. Bei einer Serie von Terroranschlägen in der französischen Hauptstadt kamen im November 130 Menschen ums Leben. Bei den Bombenangriffen auf den Flughafen und eine U-Bahn-Station in der belgischen Metropole wurden im März 35 Menschen getötet. in beiden Fällen gab es hunderte Verletzte. In Paris hätte es darüber hinaus unzählige weitere Opfer geben können, wenn es den Tätern gelungen wäre, wie ursprünglich geplant ins Stadion zu gelangen. Die mutmaßlichen Äußerungen eines der Tatverdächtigen in Belgien haben die Sorge vor Anschlägen während der EM weiter befeuert.

Die Herausforderungen an die Sicherheitskräfte sind enorm. Als Großereignis, das weit über die Grenzen Europas hinaus von hunderten Millionen Zuschauern live am Bildschirm verfolgt wird, ist die EM für Dschihadisten ein besonders attraktives Ziel. Darüber hinaus werden für den Zeitraum der EM rund sieben Millionen Besucher erwartet, von denen zweieinhalb Millionen die 51 Spiele im Stadion anschauen werden.

Umfassende Sicherheitsvorkehrungen

Im Vorfeld der EM stehen Sicherheitsfragen daher noch stärker im Fokus als bei anderen sportlichen Großereignissen in der Vergangenheit. Dennoch wurde an der Durchführung nie ein Zweifel gelassen. Offizielle Stellen versichern immer wieder, dass Frankreich alles tun wird, um das Ereignis zu schützen. Von Seiten der Uefa wurde sogar schon diskutiert, Spiele bei akuter Bedrohung notfalls vor leeren Rängen auszutragen.

Vor diesem Hintergrund möchte die Regierung den nach den Attentaten im November verhängten Ausnahmezustand, der Ende Mai auslaufen würde, über die EM hinaus bis Ende Juli verlängern. Damit können beispielsweise Durchsuchungen und Verhaftungen ohne richterliche Genehmigung durchgeführt werden oder Besucher an der Einreise gehindert werden. Zusätzlich zu einem riesigen Aufgebot an Polizei und Spezialeinheiten werden rund 10.000 private Sicherheitsleute im Einsatz sein. Scharfschützen sollen die Eingänge an allen Fußballstadien überwachen. Darüber hinaus kommen Videokameras, Metalldetektoren, Spürhunde und Drohnen zum Einsatz. Aufgrund der intensiven Kontrollen müssen sich Besucher auf lange Warteschlangen vor Stadien und Fan-Zonen einrichten. Auch an Grenzübergängen, Flughäfen, Bahnhöfen und bei Verkehrskontrollen kann es zu Verzögerungen kommen.

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Der hohe Grad an Aufmerksamkeit und die enormen Sicherheitsmaßnahmen machen Anschläge innerhalb von Stadien oder auf Mannschaftsquartiere eher unwahrscheinlich. Obwohl die Fan-Zonen wesentlich schwerer zu überwachen sind und daher einen deutlich höheren Personalaufwand verlangen, werden auch hier die Sicherheitsvorkehrungen einen Anschlag schwierig machen. Wesentlich größer ist die Gefährdungslage überall dort, wo sich viele Fans spontan eintreffen, etwa beim gemeinsamen Feiern in den Innenstädten oder vor und nach den Spielen bei Menschenansammlungen vor den Stadien. Darüber hinaus lassen sich insbesondere Bars, Cafés und Terrassen nicht flächendeckend absichern.

  • Mobilfunknetze brechen zusammen
  • Massive Verkehrsbeschränkungen
  • Weitere Engpässe durch vorzeitige Rückreisewünsche
  • Massive Sicherheitsoperationen schränken die Bewegungsfreiheit ein

Ein Terroranschlag mit zahlreichen Toten während der EM hätte über die unmittelbaren Opfer hinaus enorme Auswirkungen. Angesichts der Millionen Besucher im Land würden die Anrufe von besorgten Angehörigen die Mobilfunknetze voraussichtlich innerhalb weniger Minuten zum Erliegen bringen. Je nach Art und Umfang des Anschlags könnte es zu massiven Einschränkungen des Straßen-, Schienen- und Luftverkehrs kommen. Der Wunsch zahlreicher Besucher, das Land vorzeitig zu verlassen, könnte zu zusätzlichen Engpässen führen. Gleichzeitig könnten massive Sicherheitsoperationen die Bewegungsfreiheit erheblich einschränken.

Über Frankreich hinaus: weitere Anschlagsziele

Angesichts der enormen Sicherheitsvorkehrungen vor Ort ist aber keineswegs gesagt, dass es während der EM zu Anschlagsversuchen kommen wird. Zum einen ist es den Sicherheitskräften in den vergangenen Monaten immer wieder gelungen, geplante Anschläge im Vorfeld zu vereiteln. Zum anderen beschränkt sich das nach wie vor sehr hohe abstrakte Terrorismusrisiko weder auf die Fußball-EM noch auf den Austragungsort Frankreich. Auch in den europäischen Nachbarländern werden Millionen die Spiele beim Public Viewing auf Fan-Meilen, in Bars oder Biergärten verfolgen.

Gleichzeitig könnten Dschihadisten die Konzentration der Sicherheitskräfte auf die EM für Angriffe auf andere Ziele nutzen, die derzeit weniger im Fokus stehen. In den vergangenen Wochen gab es immer wieder unbestimmte Hinweise auf potentielle Angriffsziele, darunter italienische Strände oder die schwedische Hauptstadt Stockholm. Weitere Großereignisse stehen unmittelbar bevor. Noch ehe die EM in Frankreich beendet ist, startet Anfang Juli die 103. Auflage der Tour de France. Parallel zum größten Radsportereignis der Welt werden noch zwei Viertelfinalspiele, die Halbfinale und das Endspiel ausgetragen. Auch in Deutschland stehen im September mit dem Berlin-Marathon und dem Oktoberfest in München bereits die nächsten Großevents ins Haus.

Auswirkungen auf das öffentliche Leben

Das von dschihadistischen Gruppen und Einzeltätern ausgehende Risiko wird in den nächsten Jahren nicht abnehmen. Angesichts der enormen Bandbreite potentieller Ziele ist die entscheidende Frage weniger ob, sondern wann und wo es zum nächsten Anschlag kommt. Nicht zuletzt aufgrund der immer wieder aufgedeckten Anschlagspläne wird es sich dabei weiterhin um Einzelfälle handeln. Das individuelle Risiko bleibt somit gering, auch im Vergleich zu anderen Risiken. Europa wird weiterhin die sicherste Weltregion bleiben.

Dennoch haben die Anschläge von Frankreich und Belgien den Kontinent bereits jetzt nachhaltig verändert. Im Gegensatz zum Terror der ETA, IRA oder RAF in vergangenen Jahrzehnten zielt der dschihadistische Terrorismus unmittelbar auf den westlichen Lebensstil und versucht dabei, möglichst viele unbeteiligte Opfer zu treffen. Gerade deshalb sind auch die Nachwirkungen der Anschläge in der Regel deutlich größer als bei anderen Sicherheitsvorfällen.

Seit den Anschlägen von Paris und Brüssel hat das Thema Reisesicherheit auch in Europa an Relevanz gewonnen. Unternehmen sollten daher ihre bestehenden Sicherheitskonzepte überprüfen. Dabei geht es keineswegs nur um die physische Sicherheit von Büros, Produktionsstätten und Filialen, die gerade bei kleinen und mittelständischen Unternehmen in der Regel weniger im Fokus terroristischer Gruppen stehen. Vielmehr hat jeder weitere Anschlag das Potenzial, das öffentliche Leben vorübergehend zum Erliegen zu bringen. Die Sorge vor Folgeanschlägen, Gegenmaßnahmen der Sicherheitskräfte, massive Beeinträchtigungen von Verkehr und Infrastruktur oder das vorübergehende Zusammenbrechen von Telefonnetzen wirken sich in der Regel auch massiv auf betroffene Dienstreisende und Mitarbeiter vor Ort aus. Unternehmen können sich gerne unter der unten angegebenen Adresse beraten lassen.

Quelle: EXOP GmbH, Centre for Travel & Project Risks

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