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Baulicher Brandschutz 22. November 2012

Flughafen als neue Stadt

Flughäfen sind längst keine reinen Start- und Landeplätze mehr, sondern entwickeln sich immer mehr zu eigenen Städten mit Reisezentrum, Einkaufstempel, Konferenzcenter und Event-Location. Für den Brandschutz stellen Flughäfen eine besondere Herausforderung dar.

Riesige Menschenmassen auf engstem Raum erfordern höchste Aufmerksamkeit: In Frankfurt und München bevölkern Tag für Tag mehr als 150.000 „Einwohner“ die Flughafenstadt. Viele von ihnen sind ortsunkundig und der Landessprache nicht mächtig, was eine schnelle Evakuierung zusätzlich erschwert. Auch die ästhetisch anspruchsvolle Architektur fordert ihren Tribut, denn Brandschutz soll wirksam und unsichtbar sein. Eine weitere Besonderheit auf Flughäfen ist die strikte Trennung von Luft- und Landseite, vor allem bei der Realisierung von Rettungswegen.

Die Folgen des Düsseldorfer Flughafenbrandes haben zu einem Umdenken geführt. Einheitliche Brandschutzkonzepte sowie gewerkeübergreifende Prüfungen gehören heute zum Standard. Heute wie gestern stellt jedoch ein wirksamer baulicher Brandschutz die Grundlage für die Umsetzung der Schutzziele der Bauordnungen.

Tragende Gebäudeteile müssen vor Brandeinwirkungen geschützt werden, damit sich die Menschen in Sicherheit bringen können. Auf Flughäfen wird die architektonische Vielfalt vor allem durch den Einsatz von Stahl erreicht. Das stellt Brandschutzplaner vor besondere Herausforderungen, denn Stahl verliert bei hohen Temperaturen schnell seine Festigkeit. Eine wirksame und ästhetisch befriedigende Lösung sind Brandschutzanstriche, die bei Hitzeeinwirkung eine wärmedämmende Isolierschicht entwickeln und den darunterliegenden Stahl abschirmen. Auch Holz – häufig in hochwertigen Passagierbereichen eingesetzt – lässt sich damit unauffällig und wirkungsvoll schützen.

Brandausbreitung verhindern

Die Verhinderung der Brandausbreitung durch die Bildung von Brandabschnitten ist eines der wesentlichen Schutzziele der Bauordnungen. Zentrale Größen sind dabei die Feuerwiderstandsdauer und die Baustoffklasse der verwendeten Baustoffe. Brandschutztechnisch nicht ausreichend qualifizierte Materialien können durch Brandschutzverkleidungen geschützt werden. Brandschutzplatten erlauben selbst im Systembau Feuerwiderstandsklassen bis zu F180. Damit sind auch nachträgliche Umbauten mit der erforderlichen Brandschutzklassifizierung wirtschaftlich realisierbar. Rettungswege zur Selbst- und Fremdrettung unterliegen besonders strengen Anforderungen. Sie sind nicht nur vor Brand-, sondern auch vor Raucheinwirkung zu schützen, denn über 90 Prozent aller Opfer sind durch Rauchvergiftungen zu beklagen.

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Textile Rauchschürzen und automatische Rauchschutzvorhänge schützen zuverlässig und sind flexibel einsetzbar. Mit textilen Rauchschutzabschlüssen lassen sich rauchdichte Abschnitte realisieren, beispielsweise in Shopping Malls. Bei einem Brand in einem Shop fahren sie automatisch aus und verhindern eine Rauchausbreitung in die meistens als Rettungsweg benutzte Ladenstraße. Überecksysteme sichern auch anspruchsvolle Objekte, wie freitragende Treppen im Terminal.

Gefahrenquelle Kabel und Leitungen

Kabel und Rohrleitungen stellen ein besonderes Brandrisiko dar. Sie durchziehen kilometerweit das gesamte Areal und kreuzen zahlreiche Brand- und Rauchabschnitte. Eine Brandausbreitung über die Leitungsdurchführungen hätte unabsehbare Folgen.

Die Lösung: Kabel- und Rohrabschottungen. Bei Hitzeeinwirkung aufschäumende Dämmschichtbildner verschließen bestehende und durch Ausbrennen entstehende Öffnungen zuverlässig. Zahlreiche am Markt erhältliche Varianten decken nahezu jeden Anwendungsfall ab, bis hin zu gas- und druckwasserdichten Systemen. Weitere Auswahlkriterien sind wirtschaftliches Nachbelegen, platzsparende Verlegung und wirtschaftliche Montage. Kabelvollbandagen schützen elektrische Leitungen über die gesamte Länge. Sie verzögern die Brandausbreitung in betroffenen Kabeln und schützen intakte vor äußeren Brandeinwirkungen. Die rechnerisch anzusetzende Brandlast wird kleiner, und es werden weniger toxische und korrosive Gase frei. Die Vorteile: schnellere Wiederinbetriebnahme und geringerer Gesamtschaden.

Ein schneller und reibungsloser Gepäcktransport ist ein wesentliches Bewertungskriterium für die Wettbewerbsfähigkeit von Flughäfen. Der Nachteile von Gepäckförderanlagen aus brandschutztechnischer Sicht: Sie durchziehen Brand- und Rauchabschnittswände im gesamten Flughafengelände mit großen Transportöffnungen.

Heiß gelaufene Lager und elektrische Defekte der leistungsfähigen Antriebe stellen ein weiteres Risiko dar. Automatische Förderanlagenabschlüsse meistern auch diese Herausforderung. Ein breit gefächertes Angebot aus Schieber-, Roll- oder Klappenkonstruktionen sowie textilen Abschlüssen erlaubt die Anwendungen in den unterschiedlichsten Einbausituationen.

Qualität sichern

Deutsche Flughäfen schneiden beim Brandschutz im internationalen Vergleich hervorragend ab. Die Sicherheit der Passagiere erfordert jedoch eine stetige Weiterentwicklung. Auf der Wunschliste vieler Brandschutzexperten stehen beispielsweise flexible Prüfzeugnisse und einheitliche Brandschutzvorschriften. „Je nach Bundesland ist der Brandschutz unterschiedlich organisiert, einheitliche Richtlinien für den Brandschutz auf Flughäfen gibt es nicht“, meint etwa Jörg Leiwering, Leiter der Flughafenfeuerwehr München. „Ich wünsche mir flexiblere Zulassungs- und Prüfzeugnisse. Heute geben diese oft keine genügende Anwendungsbreite vor und verunsichern die Anwender“, ergänzt Andreas Dahlitz, hhp-Projektleiter am Flughafen Berlin-Brandenburg.

Auch beim Projektmanagement gibt es Nachholbedarf, wie das Desaster am neuen Berliner Hauptstadt-Flughafen zeigt. Anscheinend wurden der zeitliche Aufwand bei Installation, Prüfung und Inbetriebnahme der komplexen Brandschutzanlage sowie deren Integration in den Bauablauf des Terminals völlig unterschätzt. Nach Ansicht des Technik-Journalisten Peter Thomas ist die daraus resultierende Verweigerung der Betriebserlaubnis für die „Flughafenbewohner“ eine gute Nachricht: „Das zeigt, dass beim Brandschutz an kritischen Orten wie einem Flughafen keine Abstriche gemacht werden“.

Dr. Wolfram Krause, Geschäftsführer Bundesverband Technischer Brandschutz e.V. (bvfa)

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