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Tatort Baustelle 3. Februar 2014

Diebstähle nehmen zu

Immer häufiger wird in den Medien über dreiste Diebstähle auf Baustellen berichtet. „Diebe haben es auf Kupferkabel und -rohre abgesehen“ und „Jetzt rüsten Händler nach: Wachdienst, Absperrzäune“ lauten die Headlines. Immer wieder wird dabei von gut organisierten Banden berichtet, die auf Bestellung klauen.

Zugangskontrolle zu einem Baustellen-Container.
Zugangskontrolle zu einem Baustellen-Container.

Klau auf Bestellung – davon können auch Autobesitzer ein Lied singen. Hier sind es vorwiegend Ersatzteile aus Edelkarossen, die auftragsmäßig „besorgt“ werden. Im Kreis Recklinghausen ist die Zahl der Diebstähle laut Polizeiangaben konstant hoch. So wurden im Jahre 2012 aus insgesamt 5.815 Autos Teile entwendet (2011: 5.797 Delikte). Die Aufklärungsquote 2012 lag bei knapp 7,6 Prozent.

Ein lukratives Betätigungsfeld finden Diebe jetzt auch verstärkt auf Baustellen – und das bei ähnlich niedrigen Aufklärungsquoten. Denn Einbrüche in Rohbauten oder Baustellen-Container werden wegen der in den vergangenen Jahren deutlich gestiegenen Kraftstoff- und Rohstoffpreise immer attraktiver. Aber nicht nur Kabel werden entwendet. Auf manchen Baustellen verschwinden ganze Fahrzeuge und anderes Gerät. „Grundsätzlich muss heute mit dem Beginn einer Baustelle auch mit Dieben gerechnet werden“, sagt Jan Gerd Borgmann, Inhaber der Borgmann Baupart GmbH, einem Großhandelsunternehmen für Baubedarf mit insgesamt sieben Standorten im Ruhrgebiet und knapp 200 Beschäftigten.

Dreiste Diebe

Borgmann weiß, wovon er spricht: Am Standort Bottrop wurde bei ihm vor etwa zwei Jahren ebenfalls in größerem Stil Material entwendet. Bis zu diesem Zeitpunkt war nur ein kleiner, schlecht zugänglicher Bereich des Grundstücks nicht durch einen Zaun geschützt, sondern durch eine hohe Hecke und einen Graben. „Da wir auf dem Betriebshof per se keine wertvollen Materialien lagern, sahen wir zunächst keinen Handlungsbedarf. Bis dann ein Geländewagen eines Nachts über diesen Zugang auf unseren Hof fuhr. Damals wurden Rohre und andere Metalle im Wert von einigen Hundert Euro entwendet. Die angerichteten Zerstörungen waren allerdings weitaus höher. Seitdem haben wir unsere Zäune um das komplette Gelände verstärkt, und an den Fassaden sind Videokameras und Bewegungsmelder angebracht“, berichtet Jan Gerd Borgmann.

Dem Lieferanten für Handwerker und Bauunternehmen ist das Thema Baustellendiebstahl bestens bekannt. „Wenn wir Werkzeuge, Werkzeugmaschinen oder hochwertige Türen plus die Antriebs- und Schließtechnik auf die Baustelle liefern, liefern wir nur noch 'just in time'. Bei den Türen heißt dies beispielsweise, dass sie vom Baustellenleiter entgegengenommen und sofort eingebaut werden. Immerhin sind dies manchmal Waren im Wert von einigen Zehntausend Euro“, so Jan Gerd Borgmann weiter.

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Damit minimiert der Händler auch sein Haftungsrisiko, denn wenn die Lieferung quittiert und die Türen eingebaut sind, greift bei einem Diebstahl in jedem Fall die Bauwesenversicherung. Weder die Privat- noch die Gebäude- oder Bauherren-Haftpflichtversicherung würden Diebstähle während der Bauzeit abdecken. Die auch Bauleistungsversicherung genannte Versicherung deckt darüber hinaus noch unvorhergesehene Bauunfälle und Schäden am Bau ab. Allerdings bezieht sich der Versicherungsschutz bei Diebstählen nur auf fest eingebaute Teile. So ist eine bereits montierte und angeschlossene Heizung oder Tür gegen Entwendung versichert. Steht sie jedoch noch verpackt irgendwo auf der Baustelle, ist sie im Falle eines Diebstahls nicht durch die Bauwesenversicherung gedeckt.

Der Abschluss einer Bauwesenversicherung ist immer Sache des Bauherrn. Diese stellt eine Art Kaskoversicherung für die Baustelle dar und versichert somit nicht Personen gegenüber Haftungsansprüchen, sondern die Baustelle an sich. Alle am Bau Beteiligten genießen demnach den gleichen Schutz und sind somit automatisch mitversichert. Entsprechend werden die Prämien oftmals auf alle am Bau beteiligten Firmen verteilt.

Schutz gegen Diebstahl

Auf Baustellen werden heute zunehmend Vorkehrungen getroffen, um das Risiko von Diebstählen zu verringern, auch wenn es einen hundertprozentigen Schutz natürlich nicht gibt. Auf größeren Baustellen dienen beispielsweise mehr und mehr abschließbare Frachtcontainer als Lagerraum für Werkzeuge und Geräte. Eine etwas unorthodoxe, aber nach wie vor wirksame Methode ist, wertvolles Gerät und Material über Nacht oder am Wochenende an einem Kran in luftiger Höhe zu „parken“. Voraussetzung hierbei ist allerdings, dass sich der Kran abschließen und nicht in Betrieb setzen lässt. Mit Bewegungsmeldern ausgeleuchtete Baustellen werden ebenfalls nicht mehr so leicht von Dieben heimgesucht.

Viele Sicherheits-dienstleister haben ihre Angebote mittlerweile auf den Baubereich ausgeweitet und bieten neben den Revierdiensten auch die Dauerüberwachung an. Hin und wieder setzt man auch auf die Videoüberwachung. Allerdings ist der gesetzliche Rahmen hier recht eng, denn die Baustellen dürfen nur während der Nacht problemlos videoüberwacht werden. Da Kameras tagsüber mitunter zur Kontrolle der Beschäftigten missbraucht werden können, dürfen sie nur unter ganz bestimmten Umständen eingesetzt werden.

Nach Auffassung von Rüdiger Tannhäuser, Geschäftsführer bei Borgmann Baupart, muss zwischen zwei Arten des Diebstahls unterschieden werden. Zum einen die klassische organisierte Kriminalität, bei der meist nachts gezielt Metalle, Kabel, Rohre und Geräte entwendet werden. Die zweite Variante ist der Diebstahl während des laufenden Betriebs. Gerade in der Phase der Baufertigstellung ist die Häufigkeit der „kleinen“ Diebstähle, wie beispielsweise das Entwenden einer Bohrmaschine, recht groß. In dieser Zeit arbeiten extrem viele Gewerke gleichzeitig auf der Baustelle. Eine Folge des zunehmend härteren Kostendrucks: Da immer mehr Subfirmen eingesetzt werden, kennt meist keiner mehr den „Kollegen“ nebenan.

Auf vielen gefährdeten Baustellen werden deshalb Pförtner eingesetzt, an denen niemand ungesehen vorbeikommt, denn schlimmer noch als die durch Diebstahl verursachten Kosten sind die Ausfallkosten, die entstehen, wenn die Baustelle stillliegt.

Eigenverantwortung

Wegen der geänderten Rahmenbedingungen haben viele der Monteure eigene abschließbare Werkzeugkoffer, die sie auch auf der Baustelle nicht aus den Augen lassen. Abends oder in den Pausen wurde das Werkzeug bisher im Sprinter eingeschlossen. Doch auch dies bietet nicht mehr die gewünschte Sicherheit, denn sogar die Lieferwagen werden auf den Baustellen immer häufiger aufgebrochen, um Werkzeuge und Material zu entwenden. Dabei ist es den Dieben egal, dass hochwertige Werkzeuge wie beispielsweise schwere Bohrhämmer oder Kreissägen meist über den Hersteller registriert sind. „Wenn sie nicht auf dem Schwarzmarkt verkauft werden, setzt man die entwendeten Werkzeuge einfach bis zur nächsten fälligen Wartung ein und entsorgt sie dann“, berichtet Rüdiger Tannhäuser.

Großbaustellen bei Hochtief

PROTECTOR wollte zudem wissen, ob Baustellen überall gleich gefährdet sind oder ob es Unterschiede gibt, und fragten deshalb in der Zentrale des Essener Baukonzerns Hochtief nach. Nach Einschätzung von Antje Meeuw, Leiterin Kommunikation der Hochtief Building GmbH sowie der Hochtief Engineering GmbH, sind Großbaustellen, die der Schwerpunkt von Hochtief sind, weniger stark gefährdet als Baustellen für das Ein- oder Zweifamilienhaus. Auf größeren Baustellen herrschen teils sehr hohe Sicherheitsstandards in Bezug auf den Diebstahlschutz, so dass Meeuw eine Zunahme von Diebstählen auf den von Hochtief betreuten Baustellen nicht direkt bestätigen kann.

„Aber grundsätzlich sind Baugeräte diebstahlgefährdet. Ebenso auch alle Materialien aus Metall, die einen hohen Wiederverkaufswert haben. Unsere Baustellen sind jedoch durch stabile Bauzäune und Zugangskontrollen am Baustelleneingang gut gesichert. Die Zugangskontrollen übernehmen oftmals Sicherheitsdienstleister. Auf vielen Großbaustellen werden die Baumaterialien auch Just-in-time angeliefert, so dass nur wenige Baustoffe über längere Zeit gelagert werden müssen“, sagt die PR-Leiterin. Genau dieser zuletzt genannte Aspekt deckt sich wiederum mit dem Ansatz von Borgmann Baupart, die ihre hochwertigen Artikel ebenfalls erst dann zur Baustelle liefern, wenn sie unmittelbar danach verarbeitet werden.

Matthias Fischer

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