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Die Ankunft des Schwarzen Schwans

So betitelt Gabor Steingart, Chefredakteur des Handelblatt, seinen Beitrag zu den großen und kleinen Katastrophen unserer Zeit. Ich habe mir erlaubt, den Titel und einige Gedanken und Ausführungen des Artikels zu übernehmen und auf das Thema Sicherheit zu adaptieren. Alle Schwäne sind weiß – davon waren die Europäer bis in das 17. Jahrhundert felsenfest überzeugt. Nach der Entdeckung schwarzer Schwäne in Australien wurde das Unwahrscheinliche Realität.

Auf dieser Erkenntnis aufbauend, führte der Philosoph Karl Popper den schwarzen Schwan als Kunstfigur für den Widerspruch zur eben noch herrschenden Wirklichkeit ein. Der schwarze Schwan verkörpert das Unfassbare, das Undenkbare, das Eintreten eines Ereignisses, das stets als Restrisiko bezeichnet wird. Der schwarze Schwan widerlegt den Irrglauben, dass die Eintretenswahrscheinlichkeit eines katastrophalen Ereignisses nicht höchst unwahrscheinlich ist, sondern jederzeit passieren kann. Treffend schreibt Gabor Steingart im Handelsblatt:

„Restrisiko war gestern das, was nie geschehen sollte. Heute ist das Restrisiko zur Realistät geworden“.

Es ist keine biblische Heimsuchung, wenn Terroristen fliegen lernen und Flugzeuge in das World Trade Center lenken, wenn ganze Landstriche im Wasser versinken oder ein Atomkraftwerk in einem extrem gefährdeten Küstenbereich gebaut wird, wenn in einem chemischen Betrieb giftige Gase freigesetzt werden, wenn sensible Daten in großen Mengen gestohlen werden, wenn Fertigungsprozesse unterbrochen werden, wenn die Verfügbarkeit unternehmenswichtiger Infrastrukturen zusammenbricht oder wenn die Gewinnsucht von Finanzspekulanten eine weltweite Finanzkrise auslöst.

Es ist nicht die Verkettung unglücklicher Umstände – es ist die vom Menschen gemachte Realität.

Es betrifft nicht nur Ereignisse, die uns fassungslos machen, wie im Fall des Tsunamis und dessen Auswirkungen auf das AKW Fukushima. Fassungslos auch, weil uns der gesunde Menschenverstand sagt: Wie konnte man an dieser Stelle ein AKW bauen? Es betrifft alles, was mit Security Management, Risk Management, Krisenmanagement und Business Continuity Management zu tun hat.

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Vieles wird – ausgelöst durch das Erdbeben in Japan - derzeit auf den Prüfstand gestellt. In den Berechnungen des Risikopotentials muss der Faktor Eintretenswahrscheinlichkeit neu definiert werden. Risikomanager und Sicherheitsberater, deren Risikobetrachtungen bislang als unrealistisch und letztendlich zu teuer abgetan wurden, werden vielerorts mit anderen Augen gesehen. Wir müssen in Zukunft davon ausgehen, dass die - als Restrisiko eingestuften - Ereignisse auch wirklich zeitnah eintreten können.

Das Theoretische kann jederzeit Realität werden.

Wer jetzt in Anbetracht der großen und kleinen Katastrophen sagt, das kann uns nicht passieren, hat den Ernst der Lage nicht erkannt und fügt vielen Fehleinschätzungen eine weitere Fehleinschätzung hinzu. Sicherheitsexperten wissen, die absolute Sicherheit gibt es nicht. Sie wissen aber auch, dass in vielen Unternehmen ein erhebliches Optimierungspotential besteht. Unternehmenssicherheit ist vielschichtig, hochkomplex und oft verantwortungsübergreifend. Entsprechend sind die Herausforderungen an die Sicherheitsverantwortlichen groß. Immer wieder ist zu hören: Das geht nicht, das krieg ich nicht durch, das kostet zu viel Geld, da macht mein Vorstand nicht mit, das haben wir ja noch nie gemacht, das ist doch nur Theorie.

Wann, wenn nicht jetzt ist die Gelegenheit für Erneuerung und Optimierung. Die Wirtschaft floriert, die Erträge steigen, die Stimmung in der Wirtschaft ist optimistisch. Man sagt, der Mensch ist nicht lernfähig. Man sagt aber auch: Ausnahmen bestätigen die Regel. Der Sicherheitsverantwortliche muss zu den Ausnahmen zählen. Konsequentes Sicherheitsmanagement ist der ständige Prozess, Bestehendes kritisch zu prüfen, zu optimieren und den Realitäten zeitnah anzupassen. Unsere Kanzlerin kennt den schwarzen Schwarzen und handelte beispielhaft. Sie sagte: Wir wissen, wie sicher unsere Kernkraftwerke sind. Sie gehören zu den weltweit sichersten der Welt. Sprach’s und bestellte zur Überprüfung der AKW-Sicherheit eine Gutachterkommission.

Volker Kraiß, Senior Security Consultant Kraiss & Wilke – Security Consult

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