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Unternehmen 30. Juli 2019

Von Datenklau bis Grasanbau

Identitätsschutz, Systemsicherheit und die Legalisierung von Cannabis in Kanada waren Themen der „Global Press Summit“ von Genetec Mitte Juli in Montreal.

PROTECTOR war auf der zweitägigen, internationalen Pressekonferenz am Unternehmensstammsitz von Genetec vor Ort. Insgesamt waren etwa 40 Fachjournalisten aus mehreren Kontinenten in die kanadische Metropole Montreal gekommen. Mehrere Genetec-Mitarbeiter erläuterten ausführlich Themen, Entwicklungen und Ziele des Softwareherstellers aus Geschäftsführungs- Produktmanagements- und Marketingperspektive, jedoch ohne dass die Konferenz zu einer reinen Produkt- und Werbeshow ausgeartet wäre.

Denn zum Programm gehörten ebenso Fachvorträge zu aktuellen Trends der Sicherheitstechnikbranche vor dem Hintergrund politischer und gesellschaftlicher Entwicklungen, unter anderem zu den Themen Datenschutzgrundverordnung (GDPR), Künstlicher Intelligenz (AI) oder zur Frage, wie Privatsphäre und Demokratie vor dem Hintergrund der Digitalisierung und Big Data zukünftig noch gewährleistet werden können. Eine Podiumsdiskussion zur Sicherheit von Produktion und Handel mit Cannabis-Produkten, die sich seit der Legalisierung Ende letzten Jahres in Kanada rasch zu einem florierenden Wirtschaftszweig entwickelt haben, sorgte für eine lebhafte Debatte im Plenum, und die Betreiber des Casinos Montreal gewährten Einblicke in die Überwachungstechnik und die Analysemöglichkeiten des Glückspielbetriebes. Doch der Reihe nach:

Zweite Genetec-Niederlassung in Deutschland noch in diesem Jahr?

Zum Auftakt der Pressekonferenz versorgte Andrew Elvish, Vice President Marketing, die Teilnehmer mit Zahlen. Dabei war die Ankündigung, nach Düsseldorf möglicherweise noch in diesem Jahr in Frankfurt eine zweite Niederlassung zu eröffnen, aus deutschsprachiger Perspektive die wohl interessanteste Mitteilung, unterstreicht sie doch das weiter steigende Engagement Genetecs auf dem DACH-Markt.

Aktuell sei das 1997 gegründete Unternehmen mit 1.400 Mitarbeitern in 150 Ländern aktiv, zählte Andrew Elvish auf. Fast 20.000 Endverbraucher nutzen inzwischen die Lösungen des Softwareherstellers, und mit der Aufteilung in die drei Unternehmensbereiche Security, Intelligence und Operations wachse man insgesamt überproportional. Dabei hob Elvish unter anderem die Zuwächse im Videomarkt hervor, in dem man mit jährlich 22 Prozent im Vergleich zum Gesamtmarkt mit einer Wachstumsrate von zehn Prozent überdurchschnittlich zulege.

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Andrew Elvsih betonte, diese beindruckenden Zahlen seien das Resultat eines „organischen Wachstums“. Genetec sei ein gesundes, nach wie vor eigentümergeführtes Unternehmen, das 28 Prozent seiner Umsatzerlöse in Forschung und Entwickle reinvestiere, und das weder verschuldet, noch von Investoren abhängig sei: „Das gibt uns die Freiheit, zu tun, was wir wollen und was wir für richtig halten“.

Priorität auf Cyber- , Systemsicherheit und Identitätsschutz

Die zukünftigen Ziele Genetecs erläuterte anschließend Unternehmensgründer und CEO Pierre Racz. Mit „Security-of-Security“ habe man ein neues, umfassendes Sicherheitskonzept entwickelt, das sämtliche Lösungen, unter anderem Videomanagementsoftware, Zutrittskontrolle und Kennzeichenerfassung beinhaltet und Nutzern bei allen Anwendungen durch Verschlüsselung, mehrstufige Authentifizierung und Autorisierung größtmöglichen Schutz vor Cyberkriminalität bieten soll.

Foto: Andreas Albrecht, im Bild Genetec-Gründer und CEO Pierre Racz

Dem Konzept, das teilweise auf Blockchain-Technologie basiert, liegt die Überzeugung von Pierre Racz eines fundamentalen Wandels im Verständnis des Begriffs Sicherheit zugrunde. Diese sei bisher vor allem als Kostenfaktor wahrgenommen worden, so Racz. Mit der Digitalisierung und den sich bietenden Möglichkeiten der Datenanalyse werde Sicherheit nun zu einer fundamentalen gesellschaftlichen, politischen und wirtschaftlichen Aufgabe und zu einem integralen Bestandteil sämtlicher Dienstleistungen.

Der Übergang ins digitale Zeitalter biete Softwareherstellern einerseits enorme wirtschaftliche Chancen. Doch wichtig sei es jetzt vor allem, das Vertrauen der Kunden zu gewinnen, indem alles dafür getan werde, deren Identität zu schützen und die bestehenden Systemlösungen zu härten. Vor diesem Hintergrund, so Pierre Racz, interessiere ihn die Diskussion, welches Unternehmen nun der weltweit größte Videomanagementsoftwarehersteller sei, überhaupt nicht: „Unser Ziel ist nicht Wachstum, sondern Ganzheitlichkeit“.

IoT, KI und Datenschutzgrundverordnung

Die technische Umsetzung datenschutzkonformer Sicherheitstechnik-Lösungen erklärte Laurent Villeneuve, Product Marketing Manager von Genetec. Als offener Softwarehersteller arbeite man mit vielen Herstellern zusammen, betonte Villeneuve. Es gehe also nicht nur um die eigenen Lösungen. Vor einer Integration werde immer eine Risikoanalyse durchgeführt und potentielle Schwachstellen identifiziert, um auf dieser Grundlage die optimale Lösung zu finden. Dieses Vorgehen schaffe Transparenz und „ein Netzwerk des Vertrauens“. Ziel müsse es immer sein, Nutzen aus den aktuellen Trends wie dem Internet der Dinge (IoT) zu ziehen, ohne Privatheit und Systemsicherheit zu opfern.

Mit dem Thema Künstliche Intelligenz behandelte der Datenspezialist Sean Lawlor einen weiteren aktuellen Trend der Sicherheitsbranche kritisch. Auf einem Teilgebiet des Machine Learnings habe man mit Deep Learning-Algorithmen durchaus Erfolge vorzuweisen, und die Genauigkeit bestehender Systeme wie die Personenzählung verbessert sowie neue Systeme entwickelt, etwa den „Citigraf“, mit dem die Abläufe der öffentlichen Sicherheit in den Stadtverwaltungen vereinheitlicht werden sollen. Doch Deep-Learning-Programme basierten auf dem Training von Algorithmen, mit Künstlicher Intelligenz habe das nichts zu tun, so Lawlor: „So etwas wie Künstliche Intelligenz existiert nicht einmal“. Deshalb verwende man bei Genetec den Begriff „AI“ (Artificial Intelligence) auch nicht, sondern nur dessen Umdrehung „IA“ (Intelligent Automation).

Mit Deep Learning-Technologie verbessere Genetec auch das automatische Kennzeichenerkennungssystem (ALPR) „AutoVu“, das General Manager Stephan Kaiser vorstellte. Das System wurde sowohl für feste als auch für mobile Installationen entwickelt und eignet sich für eine Vielzahl von Anwendungen, etwa zur Strafverfolgung. Kaiser betonte aber vor allem das Potential der Kennzeichenerkennung zur Reduzierung des Individualverkehrs in Städten und zum Parkplatzmanagement, und verdeutlichte dies anhand verschiedener Stadtentwicklungskonzepte.

Foto: Andreas Albrecht, im Bild Stephan Kaiser, General Manager AutoVu

Diskussion zur Legalisierung von Cannabis

Eine lebhafte Debatte löste schließlich eine Podiumsdiskussion zum Thema Cannabis aus, das in Kanada seit Ende Oktober 2018 legal produziert, konsumiert und in staatlich lizensierten Läden gekauft werden kann. Der Markenexperte Michael Elkin hat sich mit dem Unternehmen High 12 Brands auf die Beratung von Konsumenten und Anbietern von Cannabis-Produkten spezialisiert, und ist vom wirtschaftlichen Potential der Branche überzeugt: „ Es handelt sich hier um einen großen Markt, der immer noch am Anfang steht“, so Elkin. Er glaube, dass es nur noch eine Frage der Zeit sei, bis weitere Staaten dem Beispiel Kanadas folgen und Cannabis entkriminalisieren.

Die positiven Effekte seit der Marihuana-Legalisierung in Kanada unterstrich auch Chris Rodriguez, der über 25 Jahre Erfahrung im Bereich Unternehmenssicherheit verfügt und inzwischen für den Cannabishändler Medmen arbeitet, obwohl er nach eigener Aussage selbst noch nie Marihuana konsumiert habe. Er glaube zwar nicht, dass der Cannabis-Schwarzmarkt langfristig verschwinden werde, da die staatlich kontrollierten Produkte auf Preisebene nicht mithalten könnten. Mit der Legalisierung sei aber nicht nur die Kriminalität nachweislich rückläufig, sondern auch die Qualität der Produkte deutlich gestiegen.

Die Diskussionsrunde komplementierte der Sicherheitsberater Tim Sutton vom Unternehmen Guidepost Solutions, das unter anderem einige der staatlich lizenzierten Cannabishändler über den Einsatz geeigneter Sicherheitstechnik-Lösungen berät. Sutton, der es sich das Ziel gesetzt hat, „das Marihuana-Business so sicher wie möglich“ zu machen, äußerte sich dabei über das geringe Wissen vieler Betreiber entsetzt. Oft seien Sicherheitsverantwortliche Verwandte oder Bekannte der Betreiber, die irgendwann mal beim Militär waren, deshalb aber noch lange nicht für diesen Job geeignet seien: „Diese Personen sind keine Geschäftsleute und haben oft keinen Schimmer, wie Business funktioniert“, so Sutton.

Die professionelle Nutzung von Sicherheitstechnik konnte zum Abschluss der Global Press Summit 2019 im Casino von Montreal begutachtet werden, in dem unter anderen insgesamt 1.500 Kameras im Dauereinsatz sind, wobei nur etwa die Hälfte IP-Kameras sind und zur Überwachung des Außenbereichs noch ausschließlich analoge Technik zum Einsatz kommt. Die Betreiber gewährten zudem Einblicke in den Serverraum sowie in die Sicherheitszentrale des Casinos, in der geschultes Personal den Betrieb an sämtlichen Automaten und Tischen durchgängig beobachtet und überwacht.

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