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Flughafensicherheit 21. November 2011

Hoher Standard

Die Luftverkehrsbranche war besonders hart von den Ereignissen des 11. September 2001 betroffen. Sie steht bei Unglücksfällen oder kriminellen Akten stets im Mittelpunkt der öffentlichen Aufmerksamkeit. Eine Wiederholung solcher Ereignisse zu verhindern, war ab diesem Tag das Ziel aller politischen, behördlichen und unternehmerischen Entscheidungen.

Die Luftsicherheit in Europa hat einen hohen Standard.
Die Luftsicherheit in Europa hat einen hohen Standard.

Anschläge im Luftverkehr waren bis zu diesem Datum nichts unbekanntes. Mit der Verwendung von Sprengstoffen im Gepäck beschäftigte man sich spätestens nach dem Anschlag auf die Panam-Maschine mit dem Absturz in Lockerbie. Der Fokus der Gegenmaßnahmen richtete sich darauf, dass kein Gepäck ohne dazu gehörigen Passagier transportiert wird, weil man sich nicht vorstellen konnte, dass Terroristen auch das eigene Leben einsetzen.

Ziele der Sicherheitsmaßnahmen

Entsprechend dieser Entwicklung waren die Sicherheitsmaßnahmen im Luftverkehr zuerst nur auf Passagiere und Handgepäck ausgerichtet. In der zweiten Phase kam das verladene Reisegepäck dazu, und es wurde ein Abgleich zwischen verladenem Gepäck und geboardetem Passagier eingeführt.

Nach 9/11 wurde dann in zwei Richtungen reagiert: Einerseits sollten alle Passagiere noch intensiver auf Waffen und gefährliche Gegenstände als potentielle Tatmittel durchsucht werden, andererseits musste sichergestellt werden, dass zukünftig kein Unbefugter mehr ins Cockpit gelangen kann, um dort die Gewalt über die Maschine zu bekommen.

Nach den Anschlägen übernahm die EU die Festlegung der Sicherheitsstandards für den Bereich aller Mitgliedsstaaten mit der Verordnung (VO) (EG) 2320/2002, der sie ersetzenden VO (EG) 300/2008 und einer Reihe von weiteren VO mit Detail-Regelungen. Dies hatte zur Folge, dass es keinen nationalen Standard, sondern einen für die EU-Staaten einheitlich definierten Rahmen gibt. In der Folge ist zum Beispiel das Umsteigen ohne erneute Kontrolle nur noch für Ankommer aus EU-Staaten möglich.

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Um sicherzustellen, dass in den Gepäckförderanlagen und auf dem Vorfeld kein unberechtigter Zugriff auf kontrolliertes Reisegepäck oder kontrollierte Fracht erfolgen kann, muss die Bewachung dieser bereitgestellten Ladung sichergestellt sein oder der gesamte Vorfeldbereich und die Gebäudeteile, die dem Gepäcktransport dienen, als “Critical Parts“ ausgewiesen werden. Dies wiederum hat zur Folge, dass nur berechtigtes und nach den EU-Vorschriften kontrolliertes Personal Zugang hat, alle mitgeführten Gegenstände und alle Warenlieferungen kontrolliert werden müssen.

Bei der Durchführung dieser Maßnahmen müssen natürlich Behörden, Airports und Airlines sehr eng zusammenarbeiten, zumal alle drei Partner eigene Zuständigkeiten haben. Während früher die rechtlichen Grundlagen für Sicherheitsmaßnahmen an Flughäfen und bei Airlines im „Luftverkehrsgesetz“ verankert waren, wurde unter Innenminister Schily im Rahmen der Terrorismusbekämpfungs-Gesetze auch das „Luftsicherheitsgesetz“ neu geschaffen, mit dem die Kompetenzen und Verantwortlichkeiten für Behörden (Schwerpunkt Bundespolizei), Airports und Airlines neu festgelegt wurden.

Problemfelder

Unstrittig ist, dass all diese Reaktionen den Luftverkehr wesentlich sicherer gemacht haben. Trotzdem gibt es auch weiterhin einige Unstimmigkeiten, die in der Komplexität des Systems und der Vielzahl und Vielfalt der Beteiligten begründet sind. So ist zum Beispiel die Definition der Waffen und gefährlichen Gegenstände, die nicht mitgeführt werden dürfen, teilweise wirklichkeitsfremd. So hat zum Beispiel ein österreichischer Passagier bis zum Europäischen Gerichtshof geklagt, weil ihm ein Tennisschläger abgenommen wurde. Es gibt eine Vielzahl von Gebrauchsgegenständen, die auch als Angriffsmittel genutzt werden können; hier ist es quasi unmöglich, eine verbindliche Definition für „gefährlichen Gegenstand“ festzulegen.

Ob die nach der Ermittlung von potentiellen Attentätern in Großbritannien europaweit eingeführten „Liquid“-Regelungen sinnvoll und angemessen sind, ist auch unter Fachleuten höchst umstritten. Trotzdem kann sich die EU-Kommission nicht dazu entschließen, diese Regelung aufzuheben solange nicht entsprechende Kontrollgeräte zur Verfügung stehen.

Absolut richtig war die Entscheidung, sich intensiver der Insider-Problematik zu widmen und für Mitarbeiter verschärfte, überwiegend den Passagier-Kontrollen analoge Regelungen einzuführen. Nachdenklich stimmt jedoch, dass hier all Crew-Mitglieder intensiv durchsucht werden, während tausende von Behördenvertretern von solchen Durchsuchungen freigestellt sind. In diesem Zusammenhang ist auch interessant, dass der scheidende IATA-Präsident vor einigen Monaten ein neues Modell für die Differenzierung der Passagiere in drei getrennten Kontrollkanälen in die Diskussion gebracht hat. Seit vielen Jahren diskutieren Fachleute das Modell des „Trusted Traveller“ und sind überzeugt davon, dass es durchaus diskriminierungsfreie Differenzierungskriterien gibt, die zumindest für einen Teil der Passagiere Erleichterungen bringen könnten.

Ein wesentlicher Fortschritt wurde durch europaweit einheitliche Auditierung der Sicherheitsmaßnahmen erreicht. Die von der Kommission eingesetzten Audit-Teams sind international besetzt und sehr erfahren. Festgestellte schwerwiegende Mängel führen zu einer Information an alle Mitgliedsstaaten und können dort zur Sonderbehandlung ankommender Maschinen aus diesen Ländern führen.

Kooperationen optimieren

Die Luftsicherheit in Europa und speziell in Deutschland hat in den letzten zehn Jahren einen Qualitätsstandard erreicht hat, der kaum noch zu optimieren ist, wenn man die Prozesse und Abläufe nicht massiv einschränken oder behindern will.

Wichtig ist die Erkenntnis, dass die Kontrollen vor Betreten des Flugzeuges nicht als der einzige und auch nicht der wichtigste Baustein zur Verhinderung von Anschlägen anzusehen ist. Viel wichtiger ist, dass die Sicherheitsbehörden durch intensive Vorfeldarbeit potentielle Täter und Gruppen erkennen und beobachten, bevor es zur konkreten Tatvorbereitung beziehungsweise -ausführung kommt. Und hier haben die deutschen Behörden, allen voran das Bundeskriminalamt, hervorragende Arbeit geleistet.

Die Kooperation der Beteiligten sollte auch durch intensivere Informationen zur Sicherheitslage und zur Risikoeinschätzung optimiert werden. Die Vorgänge aus jüngster Zeit haben die Annahme bestätigt, dass die geschlossenen Bereiche nicht mehr die bevorzugten Angriffsziele sind. Vielmehr ist damit zu rechnen, dass die öffentlichen Bereiche von Verkehrsanlagen als Angriffsziele ausgewählt werden. Und der jüngste Vorfall am Flughafen Frankfurt zeigt auch, dass gegen irre Einzeltäter (fast) keine Chance besteht.

Optimierungspotential gibt es durchaus noch in der Kooperation zwischen Behörden und Wirtschaftsunternehmen. Sicherheit sollte nicht Selbstzweck sein, sondern ein wichtiger Baustein bei der Erbringung von möglichst störungsfreien und kundenfreundlichen Verkehrsdienstleistungen zu wettbewerbsfähigen Preisen. Andererseits muss dem Kunden auch klar sein, dass Sicherheit nicht zum Nulltarif zu haben ist. Diese Ambivalenz bewegt sich in dem Interessendreieck Produkt – Operation – Kosten, darf aber nicht zu Lasten des eingesetzten Personals und den Arbeitsbedingungen gelöst werden.

Volker Zintel, selbständiger Sicherheitsberater

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