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Hoch hinaus

Lagergebäude und Logistikzentren sind Bestandteil einer mitunter langen Supply Chain und müssen ohne Ausfall funktionieren. Fällt ein Glied dieser Lieferkette aus, hat dies in der Regel nicht nur für den Betreiber, sondern auch für die abhängigen Betriebe Folgen. Entsprechend hoch sind die Anforderungen an den Brandschutz.

Die Sprinkler sind entlang der Regalkanäle montiert.
Die Sprinkler sind entlang der Regalkanäle montiert.

Die Brandschutzkonzepte für diese Gebäude sind umfassend. Dabei kommt der Brandfrüherkennung eine große Bedeutung zu. Denn nur wenn Brände bereits in der Entstehungsphase erkannt und gelöscht werden, lassen sich größere Schäden und damit längere Betriebsunter-brechungen vermeiden.

In Eppelheim im Rhein-Neckar-Kreis befindet sich derzeit eines der modernsten Hochregallager Deutschlands im Begriff der Fertigstellung. Das Lager gehört den Deutschen Sisi-Werken, dem Produzenten der „Capri-Sonne“, und markiert weitestgehend den Abschluss der Westerweiterung, die mehrere Gebäudekomplexe umfasst.

Neben dem Neubau der Produktion und Verwaltung bildet das Herzstück der Logistikerweiterung das 40 Meter hohe Hochregallager. Hierbei handelt es sich um ein Kompaktlager (Kanallager) mit rund 48.000 Stellplätzen in Europlattengröße, wobei sowohl Euro- als auch die etwas größeren Industriepaletten befördert und gelagert werden können. Das Lager übernimmt auch die Sortierfunktion für die kundengerechte Verladung.

Gegenüber einem klassischen Hochregallager mit einem hohen Regalbediengerät pro Gasse fahren hier je Gasse fünf kurze Regalbediengeräte übereinander, die Ein- und Auslagerung aus dem Lagerkanal erfolgt auf Basis eines Kanalfahrzeugs - dem „Orbiter“. Im Lager werden sowohl die Fertigwaren für die Kunden-Distribution als auch die für die Produktion notwendigen Rohstoffe, wie Zutaten und Verpackungen, bevorratet. Mit der neuen Technik soll eine bedarfsorientierte und schnelle Bereitstellung von Fertigware im Warenausgang erreicht werden. Die Auslagerung und Bereitstellung der Paletten hierfür wird erst nach Anmeldung des LKW an der Pforte ausgelöst und erfolgt für einen kompletten LKW innerhalb von maximal 30 Minuten, womit das Werk auf schwankende Ankunftszeiten von LKW flexibel und zeitgenau reagieren kann.

Herausforderungen

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In einem Hochregallager muss die vorgeschriebene Sprinkleranlage das Feuer weitestgehend selbstständig löschen. Typische Brandursachen in einem vollautomatisierten Lager können Kurzschlüsse am Regalbediengerät, an stromführenden Leitungen oder in Schaltschränken sein. Ein Innenangriff ist für die Feuerwehr im Brandfall aufgrund verschiedener Faktoren schwierig und nur mit äußerster Vorsicht möglich. Denn in einem brennenden Regallager bedeuten beispielsweise herabfallendes Lagergut oder die Gefahr durch stromführende Schienen der Regalbediengeräte ein hohes Risiko für die Feuerwehr. Ferner muss die Gefahr der raschen Brandausbreitung, der mögliche Regal- oder sogar Gebäudeeinsturz und die unzureichenden Wurfweiten von Strahlrohren in Bezug auf die Lagerhöhe und der notwendigen Sicherheitsabstände in Betracht gezogen werden. Daher ist in erster Linie eine vollautomatische Sprinkleranlage notwendig, damit es erst gar nicht zu den genannten Szenarien kommt.

Umfassendes Sprinklersystem

Da im Vergleich zu einem konventionellen Hochregallager in dem vollautomatisierten Kompaktlager mehr Paletten pro Ebene aufgenommen werden können, erfordert diese höhere Dichte an Stellplätzen eine entsprechend angepasste Besprinklerung, auch wenn die Rohstoffe und das fertige Produkt selbst eigentlich nicht brennbar sind. Brennbar sind aber die Paletten, und solche Brände können sich besonders schnell in vertikaler Richtung ausdehnen und in den übereinander gelagerten Paletten rasch neue Nahrung finden. Hinzu kommt der „Kamineffekt“, da die vom Lagergut gebildeten Schächte die Flammen und heißen Brandgase wie in einem Kamin Richtung Decke ziehen.

Nicht zuletzt deshalb fordern etwa die Sachversicherer für Lager ab einer bestimmten Höhe und Automationsgrad neben einer Deckensprinkleranlage zusätzlich ein Regalsprinklersystem. Die Anzahl der Sprinklerköpfe bemisst sich dabei nach der Dichte an Paletten und deren Material. Die Sprinklerkonfiguration entspricht der höchsten Stufe, obwohl die derzeit verwendeten Europaletten aus Holz sind. Allerdings könnten in Zukunft auch Paletten aus Kunststoff verwendet werden, und diese weisen eine erhöhte Brandlast auf und erfordern damit auch eine dichtere Sprinkleranordnung. Das Wasser für die Sprinkler kommt aus drei riesigen unterirdisch neben dem Lager angelegten Becken, die insgesamt über 1,25 Millionen Liter Wasser bevorraten. An die Becken angrenzend sorgt die Pumpenstation für die rasche Verteilung des Löschwassers zur Sprinklerzentrale im Keller des Lagers und von dort aus über zentrale Rohrleitungen in die einzelnen Kanäle, die sich wiederum in die einzelnen Regalreihen verzweigen. Etwa alle 60 Zentimeter ist ein Sprinklerkopf installiert. Zusätzlich zu den Sprinklern gibt es Rauchabzugsklappen in der Decke, die nach Bedarf von der Feuerwehr geöffnet werden, um Kamineffekte zu vermeiden.

Abgeschottete Bereiche

Die einzelnen Gebäudeabschnitte, die die Verwaltung, Technik und Produktion mit Anschluss an das Lager beinhalten, sind durch ein verbindendes Gebäudeteil, das „Backbone“, verbunden. Auf zwei Ebenen erfolgt die Versorgung der Produktion mit allem, was notwendig ist. Auf der unteren Ebene ist die für die Lebensmittelproduktion wichtige Haustechnik untergebracht. Von hier aus erfolgt auch die Verteilung und Zuleitung der gesamten Medien wie Strom, Wasser, Wärme, Kälte, Druckluft oder Gase an die angeschlossenen Produktionsstätten.

Auf der zweiten Ebene in zehn Metern Höhe ist die Fördertechnik für die Waren und Rohstoffe untergebracht. „Normalerweise müssen alle Leitungs- und Lüftungskanäle, die Brandabschnitte durchqueren, geschottet werden. Wir haben uns hier für die räumliche Teilung in zwei Ebenen entschieden, die damit je einen Brandabschnitt bilden, auf dem man sich der gesamten Länge nach bewegen kann. An das Backbone grenzen wiederum die Brandabschnitte der angeschlossen Gebäude und der Versorgungsbrücke an“, erläutert Anselm Schierle, Senior Consultant bei io-consultant, dem für die Planung und Ausführung verantwortlichen Unternehmen. Im Falle der Fördertechnik bedeutet dies, dass an den Übergängen fördertechnikgebundene Brandschutztore installiert sind. Insgesamt sind zwölf solcher speziellen Tore in der Anlage verbaut. Jedes Brandschutztor ist an einen Brandmelder gekoppelt. Im Alarmfall wird nicht nur das Tor geschlossen, sondern auch ein Signal an die Fördertechnik gesandt. Diese stellt dann den Betrieb ein, sobald sichergestellt ist, dass sich keine Palette unter dem zu schließenden Tor befindet. Die Fördertechnik ist so ausgelegt, dass eine Palette unter dem Tor im Alarmfall noch wegbewegt wird, bevor sich das Tor schließt.

Alles im Blick

„Alle automatischen Alarme und Meldungen auslösender Sprinkler laufen in der ständig rund um die Uhr besetzten Leitstelle auf. Gleichzeitig wird automatisch der Räumungsalarm im Lager ausgelöst. Die Leitstelle überprüft in einem ersten Schritt über einen Ansprechpartner vor Ort den Alarm und verständigt im Ernstfall die Feuerwehr und weist diese ein“, erläutert Schierle weiter. Alle manuell ausgelösten Alarme durch Druckknopfmelder werden direkt an die Feuerwehr weitergeleitet, da hierbei davon auszugehen ist, dass die den Alarm meldende Person selbst das Feuer oder die Gefahr lokalisiert hat. Im Brandfall kann je nach Situation die Produktion in den nicht gefährdeten Bereichen weiter Aufrecht erhalten werden.

Aufgrund der besonderen Konstruktion eines Hochregallagers ist bereits bei der Konzeption derartiger Anlagen eine enge Zusammenarbeit aller Beteiligten, die für Sicherheit und Brandschutz verantwortlich sind, von Beginn sinnvoll und notwendig. Zu diesen zählen unter anderem die Bauaufsichtsbehörde, das Amt für Arbeitsschutz und der Sachversicherer. Bei der Erstellung des Brandschutzkonzeptes hat sich ferner die Einbeziehung eines Brandschutzgutachters von Beginn des Projektes an als wichtig und vorteilhaft erwiesen. Damit ließen sich nachträgliche Änderungen für eine erfolgreiche Abnahme eines solchen komplexen Projekts bereits im Vorfeld vermeiden.

Hendrick Lehmann

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