Brandschutz für stationäre Batterie-Energiespeichersysteme
Lithium-Ionen-Energiespeicher stellen hohe und komplexe Anforderungen an den Brandschutz.
Lithium-Ionen-Batterien bieten eine hohe Energiedichte auf kleinem Raum; im Zuge der Energiewende werden sie daher oft in stationären elektrischen Energiespeichern in Gebäuden und Infrastrukturen eingesetzt. Diese positiven Eigenschaften bringen jedoch auch charakteristische Brandrisiken mit sich.
Die aktuellen Normen und Richtlinien – etwa die Betriebssicherheitsverordnung (BetrSichV), Niederspannungsrichtlinie 2014/35/EU sowie die EMV-Richtlinie für elektromagnetische Verträglichkeit (EMV-Richtlinie 2004/108/EG) – bilden ein gutes Grundgerüst. Gleichzeitig zeigen sie aber auf, dass es für stationäre Lithium-Ionen-Energiespeichersysteme noch kein umfassendes Brandschutzkonzept gibt.
Funktionsprinzip birgt bauartbedingte Risiken
Jede Lithium-Ionen-Batteriezelle besteht aus zwei Elektroden, der negativen Anode und der positiven Kathode. Sie sind durch einen Separator getrennt. Ein weiterer wichtiger Bestandteil ist der ionenleitende Elektrolyt.
Dies bringt einige bauartbedingte Risiken mit sich: In den Batteriezellen befinden sich große Mengen chemischer Energie auf kleinem Raum, zudem ist der Abstand zwischen den Elektroden sehr gering (Separatorschicht typisch ≈ 30 µm). Gleichzeitig sind die eingesetzten Elektrolyte typischerweise brennbar bzw. leicht entzündlich.
Hier wird deshalb ein Batteriemanagementsystem (BMS) eingesetzt. Auf Zellen- und Systemebene übernimmt es die Steuerung und Überwachung des Ladezustands. Beim Laden und Entladen achtet es auf das Temperaturmanagement. So soll die Zelle im definierten sicheren Betriebsbereich gehalten werden.
Thermal Runaway als Gefahrszenario
Wird der sichere Temperaturbereich überschritten, kann es zu einem so genannten Thermal Runaway kommen („thermisches Durchgehen“ im deutschen Sprachgebrauch). Bei einem Runaway wird die in der Batterie gespeicherte Energie schlagartig freigesetzt. Die Temperatur steigt innerhalb von Millisekunden auf mehrere hundert Grad an. Der Elektrolyt entzündet sich bzw. das Elektrolytgas explodiert.
Während eines Thermal Runaways verdampft der Elektrolyt mit ansteigender Temperatur sukzessive. Dadurch baut sich der Innendruck in der Zelle immer weiter auf, bis der Elektrolytdampf entweder über ein Überdruckventil oder durch das Bersten der Hülle freigesetzt wird. Ohne Gegenmaßnahmen entsteht dabei ein explosives Gas-Luft-Gemisch. Eine Zündquelle reicht dann aus, um eine explosionsartige Verbrennung herbeizuführen. Zudem kann sich ein Thermal Runaway in einem Batteriesystem von Zelle zu Zelle ausbreiten und so zu einem Großbrand führen.
Mögliche Ursachen für einen solchen Thermal Runaway liegen entweder außerhalb oder innerhalb der Batteriezelle:
Im ersten Fall können extreme äußere Einflüsse, etwa ein Gebäudebrand, dazu führen, dass die Temperatur in der Batterie über den tolerierbaren Wert steigt.
Im zweiten Fall ist ein interner Kurzschluss Ursache für den gefährlichen Temperaturanstieg. Der Auslöser dafür wiederum ist eine extern beigeführte mechanische Beschädigung oder ein altersbedingter Ausfall des Separators durch Dendritenbildung.
Schutzkonzept zur Vermeidung einer Thermal-Runaway-Ausbreitung
Versuche von Siemens Smart Infrastructure an Lithium-Ionen-Batterien unterschiedlichster Zellchemien (getestet wurden u.a. Lithium-Kobalt-Oxid-, Lithium-Mangan-Oxid-, Lithium-Nickel-Mangan-Kobalt-Oxid- und Lithium-Eisenphosphat Zellen) haben gezeigt: ein Thermal Runaway kündigt sich schon vor dem eigentlichen thermischen Durchgehen an.
Ein zuverlässiger Indikator ist der ausgasende Elektrolyt. Sobald also ein Elektrolytgas auftritt, ist mit einem Thermal Runaway zu rechnen. Es bleibt dann aber noch genügend Zeit, um automatisch geeignete Gegen- bzw. Löschmaßnahmen auszulösen. Zum einen können Löschmittel in ausreichender Konzentration in den Batterieraum eingebracht werden, bevor der Separator der ersten Batteriezelle ausfällt. Zum anderen können über das Batteriemanagementsystem Abschaltungen vorgenommen werden, um die Entwicklung eines Runaways durch Überladung oder Überlast möglicherweise noch zu stoppen.
Die schnelle Flutung des Batterieraums mit dem Löschmittel verhindert, dass große Mengen an explosivem Elektrolyt-Sauerstoff-Gemisch entstehen. Die Ausprägung eines ersten Thermal Runaways wird so verringert, das Übergreifen auf benachbarte Batteriezellen gehemmt. Sekundärbrände und Rückzündungen – durch eine langanhaltende Inertisierung – sind ausgeschlossen.
Schritt 1: Detektion durch Ansaugrauchmelder
Ein entsprechendes Schutzkonzept muss also im ersten Schritt sowohl eine zuverlässige Branderkennung gewährleisten als auch eine möglichst frühe Elektrolytgas-Detektion.
Diese Herausforderung erfüllen Ansaugrauchmelder (Aspirating Smoke Detectors; ASD). Mittels der Dual-Wellentechnologie erkennen sie elektrische Brände und Elektrolytgase bzw. -dämpfe auch bei hohen Luftgeschwindigkeiten und geringen Gaskonzentrationen zuverlässig.
Ansaugrauchmelder entnehmen kontinuierlich Luftproben aus den zu überwachenden Bereichen und überprüfen diese auf Rauch- und Gaspartikel. Die Luftproben werden über ein Ansaugrohrnetz mit definierten Ansaugöffnungen angesaugt und der patentierten Messkammer zugeführt. Dort erkennt eine Auswerte-Einheit die Größe der Partikel und deren Konzentrationen. Dabei lassen sich auch geringste Mengen von Brand- und Elektrolytgasen detektieren.
Schritt 2: Löschung durch Inertgas
Haben die Melder einen Brand bzw. Elektrolytgas erkannt, muss eine Löschanlage umgehend eine automatische Löschung auslösen. Nicht nur, weil eine Löschung mit Wasser in elektrischen Systemen zu vermeiden ist, sondern auch, weil versteckte oder verdeckte Brandherde mit Wasser nicht erreicht werden, wird das Batteriesystem über Düsen mit einem gasförmigen Löschmittel geflutet. Dieses bringt auch verdeckte oder versteckte Brandquellen zum Verlöschen, indem es den für den Brand notwendigen Sauerstoff verdrängt.
Doch welches Löschmittel eignet sich hier? Chemisch wirkende Löschmittel scheiden in diesem Fall aus, da sich einerseits gefährliche Zersetzungsprodukte bilden, andererseits Halteflutungen notwendig sein können. Damit bleiben die natürlichen Löschgase Stickstoff (N2), Kohlenstoffdioxid (CO2) und Argon (Ar) als mögliche Alternativen.
Diese unterscheiden sich im Detail. So wird das im Vergleich teure Edelgas Argon nur für spezielle Anwendungen wie etwa Metallbrände eingesetzt.
Kohlenstoffdioxid, das effektivste unter den vorgenannten Löschmitteln, ist primär für nicht begehbare Bereiche oder Objektschutzsysteme vorgesehen, da es in der benötigten Löschkonzentration für Menschen gefährlich ist.
Vor diesem Hintergrund wird reiner Stickstoff als Löschmittel verwendet, der auch für Lithium-Ionen-Batteriespeicher sehr gute Ergebnisse bringt.
Fazit: Schutzkonzept macht Risiken beherrschbar
Lithium-Ionen-Batterien bergen charakteristische Brandrisiken. Ein anwendungsspezifisches Brandschutzkonzept kombiniert frühestmögliche Branderkennung mit leistungsfähigen Ansaugrauchmeldern und Inertgas-Löschanlagen.
Eine sehr frühe Flutung mit dem Löschmittel
- verhindert die Bildung großer Mengen explosiver Elektrolyt-Sauerstoff-Gemische,
- reduziert die Ausprägung eines ersten Thermal Runaways,
- hemmt das Übergreifen solcher Runaways auf andere Batterien und
- vermeidet Sekundärbrände sowie Rückzündungen.
Mithilfe eines solchen Schutzkonzeptes sind stationäre Lithium-Ionen-Batteriespeichersysteme ein beherrschbares Risiko. Das von Siemens entwickelte „Schutzkonzept für stationäre Lithium-Ionen-Batterie-Energiespeichersysteme“ hat im Dezember 2019 als erstes und bisher einziges Brandschutzkonzept die VdS-Anerkennung (VdS Nr. S 619002) erhalten.
Carsten Meißner, Senior Consultant Fire Safety bei Siemens Smart Infrastructure
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