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Von der Insel in die Wolken

Immer mehr Anbieter – auch aus den Reihen der Sicherheitsindustrie – bieten clevere Lösungen an, die neben dem Schutz auch den Komfort einer App-Steuerung bieten. Doch sind die Systeme damit bereits smart? Die Diskussion beim PROTECTOR-Forum Smart-Home-Security widmete sich dieser Frage.

Das Schwierigste am Markt der Smart-Home-Lösungen, so könnte man meinen, sei es, diesen für die Sicherheitsbranche zu erschließen und dabei gegen große Konkurrenten aus der Internet- und Unterhaltungs-industrie zu bestehen. Doch wie die Debatten während des Forums deutlich zeigten, liegt die vordringlichste Schwierigkeit darin, überhaupt zu definieren, wo „smart“ in diesem Zusammenhang anfängt. Die Meinungen hierzu gehen so weit auseinander wie sich Anbieter auf diesem unbestreitbar stark wachsenden Markt tummeln.

So beschrieb der PROTECTOR-Chefredakteur Andreas Albrecht, der durch die Diskussion führte, seinen Eindruck eingangs in dieser Form: „Momentan sehe ich sehr viele Hersteller aus der Security-Sparte, die auf App-gesteuerte Insellösungen setzen, diese aber unter der Überschrift Smart-Home-Security vermarkten. Vor einem Jahr noch, waren fast ausschließlich die großen Kommunikations- und Internetkonzerne präsent, die für ihre Smart-Home-Systeme geworben haben. So ähnlich das klingen mag, uns sollte klar sein, dass es sich hierbei um zwei völlig verschiedene Ansätze handelt, die aber gleichermaßen als smart verkauft werden.“

Stehend von links:
  • Dr. Volker Brink, Leiter Produktmanagement Zutrittsorganisation, Aug. Winkhaus GmbH & Co.KG, www.winkhaus.de
  • Uli Schunk, Marketing Manager, Euromicron AG, www.euromicron-deutschland.de
  • Ersin Akar, Senior Product Manager & Consult Telco/ISP, D-Link Deutschland GmbH, www.dlink.com
  • Christian Sittner, Abteilungsleiter Residential Security, Bosch Sicherheitssysteme GmbH, www.de.bosch.com
  • Ulf Hüther, Channel Business Manager DACH, Milestone Systems, www.milestonesys.com
  • Markus Groben, Geschäftsführer, Groben Ingenieure, www.groben.de
  • Andreas Albrecht, Chefredakteur PROTECTOR, I.G.T. Informationsgesellschaft Technik mbH, www.igt-verlag.de
  • Wilhelm Fischer, Geschäftsführer, Netzwerkservice Fischer, www.netzwerkservice-fischer.de
  • Florian Lasch, Leiter Produktmanagment, Abus Security-Center GmbH, www.abus-sc.com
  • Hagen Zumpe, Marketing DACH, Salto Systems GmbH, www.saltosystems.com
Sitzend von links:
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  • Armin Anders, Co-Founder, Vice President Business Development, Enocean GmbH, www.enocean.com
  • Christian Schmitz, Sales Manager & Business Development, Clay Solutions, www.my-clay.com
  • Erik Mosler, Supervisor Physical Security, Ingram Micro Distribution GmbH, www.ingrammicro.com
  • Tobias Schmid, Geschäftsführer, Schmid Alarm GmbH, www.schmid-alarm.de

Markus Groben von Groben Ingenieure ist ebenfalls skeptisch bezüglich der inflationären Nutzung des Begriffes „smart“: „Die Smart-Home-Lösungen, die momentan von einigen großen Anbietern beworben werden, sind im Grunde keine offenen, sondern proprietäre Lösungen. Und da müsste man sich als erstes fragen, versteht man so etwas unter Smart Home? So schwammig wie das bis jetzt definiert ist, bedeutet smart alles oder eben gar nichts. “

Bewegung im Markt

Die mangelnde Definition schadet dem Wachstum offenbar nicht, denn dass Bewegung im Markt ist, spürt Erik Mosler von Ingram Micro: „Auch wenn neue Player hinzu kommen, ist es keineswegs so, dass sich die Konzerne zurückziehen würden. Die großen IT- und Kommunikationsanbieter haben mit ihren Lösungen einen Grundstein gelegt, doch nun ist es eine Frage der Subsysteme und der Hersteller von Komponenten drumherum. Sie müssen ihre Produkte so gestalten, dass sie auf einer gemeinsamen Plattform kommunizieren können. Wir beobachten, dass von Monat zu Monat die Absatzzahlen im Bereich Smart Home massiv steigen. Das betrifft vorrangig den B2C-Bereich, in dem man sich an die Endkunden direkt richtet.“ Dieser Sektor des Heimanwenders scheint in der Tat der momentan attraktivste zu sein – auch für die Sicherheitsbranche, die nicht mehr nur errichtertaugliche Lösungen verkauft, sondern zunehmend auch einfache Systeme, die sich zur Selbstinstallation eignen.

Christian Sittner von Bosch Sicherheitssysteme differenziert den Markt ebenfalls: „Es gibt sicher viele verschiedene Definitionen, was Smart Home ist. Das kann natürlich auch ein Problem sein, weil jeder in diesem Zusammenhang von verschiedenen Dingen spricht. Es gibt die einen, die das professionell installierte System beispielsweise mit KNX propagieren, welches auf Gebäudeautomation und eine Server-Basis setzt. Es gibt aber auf der anderen Seite viele, die sich momentan dem Thema Single-Use-Lösungen widmen. Das ist sehr unterschiedlich. Ich glaube aber, es gibt für beides einen Markt. Da muss jedes Unternehmen für sich selbst klären, welches Segment am attraktivsten ist. Eine entscheidende Frage ist sicher in diesem Zusammenhang auch der Marktzugang.“

Allein unter Singles

Damit ist ein sehr wichtiges Stichwort in Bezug auf viele aktuell angebotene Systeme genannt worden: Single-Use-Case. Man könnte auch Einzel- beziehungsweise Insellösung sagen. Doch Singles sind per Definition alleinstehend, während man ein echtes Smart Home eher als eingeschworene Familie begreifen könnte. Durch diese Analogie offenbart sich bereits, dass die momentan verfügbaren „smarten“ Security-Lösungen weit weg sind von Vernetzung und Interoperabilität. Sie funktionieren für sich allein, bieten jedoch eine Schnittstelle, um sie per Smartphone oder Tablet zu steuern. Das scheint vielen Grund genug, sie als smart zu bezeichnen.

Erik Mosler bestätigt den Eindruck: „Viele Hersteller bringen gerade Lösungen heraus, die auf den Single-Use abzielen, statt einen Multi-Use-Case zu adressieren, der ein Smart Home etwas umfassender steuern könnte. Wie weit man mit den Systemen gehen kann, hängt eben vom Ansatz des Herstellers ab. Daneben gibt es aber immer mehr Hersteller, die beispielsweise auch mit dem Apple Home-Kit kompatibel sind. Gerade hier muss man aber sehen, dass dies in Deutschland noch nicht so stark vertreten ist.“ Die nun vorherrschenden Einzelanwendungen haben einen großen Nachteil in Sachen Handling, findet Ulf Hüther von Milestone Systems: „Für viele private Anwender ist eine smarte Anwendung schon dadurch erreicht, dass man ein Smartphone zur Steuerung nutzen kann.

Dennoch bleibt jedes System für sich erst einmal eine geschlossene Plattform. Wenn es sich dann so darstellt, dass der Anwender für die verschiedensten Gewerke und Geräte im Haus immer eine eigene App benötigt, die er alle einzeln bedient, dann weiß ich nicht, ob das noch so smart ist. Aber es ist logisch: Wenn sich der Kunde von verschiedensten Anbietern Systeme kauft, die Beleuchtung, Heizung, Küchengeräte, Entertainmentsysteme, Videoüberwachung, Jalousien et cetera steuern, dann muss er – sofern es kein übergeordnetes Management gibt – alles einzeln bedienen. Hier wären gemeinsame Standards und Schnittstellen natürlich sehr vorteilhaft.“

Schreckgespenst Cloud

Die „Eigenbrötlerei“ mancher Hersteller und Systeme ist aber nicht das einzige Problem, mit dem Smart Home, speziell in Deutschland, zu kämpfen hat. Schwierig in der Vermarktung sind Internet- und Cloud-basierte Systeme. Letzteres wird von vielen als Unwort oder gar Schreckgespenst gesehen, bei dem die Unsicherheit vorprogrammiert ist. Ersin Akar von D-Link beschreibt es so: „In Deutschland gibt es tatsächlich eine Kultur der Sicherheit: Kunden hierzulande möchten alles gut verstehen, ehe sie bereit sind, sich auf etwas Neues einzulassen und Technologien zu nutzen, die sie nicht völlig unter Kontrolle haben. Fälle von Hacking und Spionage sorgen dafür, dass das Vertrauen in die Datensicherheit generell sinkt. Dieses Misstrauen hat auch einen gewissen Einfluss auf das Smart-Home-Segment. Deswegen setzt D-Link auf ein mehrfach abgesichertes System. Dazu gehört, dass die Smart-Home-Komponenten verschlüsselt miteinander kommunizieren, was die Sicherheit deutlich erhöht.“

Armin Anders von Enocean weiß um die Bedenken, kann diese aber nur bedingt nachvollziehen: „Cloud ist in Deutschland zu einem Unwort gemacht worden. Warum, verstehe ich aber nicht ganz. Man schimpft über die Cloud, nutzt aber zum Beispiel Online-Banking ganz selbstverständlich, obwohl man das viel kritischer sehen müsste. Trotz allem müssen wir mit dieser Sensibilität umgehen und aufklären. Denn es gibt wirksame Sicherheitsmechanismen für jede Anwendung – von der Zutrittskontrolle über Video bis zur Lichtsteuerung. Diese Mechanismen müssen nur vernünftig implementiert werden.“

Christian Schmitz von Clay Solutions rät auch zur besonnenen Analyse: „Kurz- und mittelfristig wird es keinen einheitlichen Standard im Smart-Home-Sektor geben, um sicherheitsbedürftige Dienstleistungen, wie zum Beispiel das Öffnen einer Tür in ein Gesamtsystem zu integrieren. Im Smart-Home-Markt ist die Standardisierung für allerlei Produkte und Anwendungen eine der größten Herausforderungen. Der Lernprozess vieler gescheiterter Smart-Home-Projekte in der Vergangenheit hat gezeigt, dass die Übertragung verschiedener Daten in die Cloud notwendig ist.

Intelligente Geräte werden nur dann kundenfreundlich agieren können, wenn sie sich zum Einen leicht konfigurieren lassen und zum Anderen den Gewohnheiten ihrer Anwender anpassen können. Werden Daten auf Datenservern verwaltet, wie das heutzutage schon mit jeder Banküberweisung geschieht, ist es wichtig, ausreichende Schutzmechanismen zu implementieren. Wir als Clay bieten mit dem Produkt Clay by Salto Schnittstellen zu anderen Produkten – über eine Cloud-to-Cloud-Kommunikation – und verwenden Server, welche in letzter Instanz aber nie eine finale Entscheidung zur Öffnung einer Tür treffen. Bei unserem Datenkonzept können Angreifer mit den Daten auf Serverlevel nichts erreichen.“

Selige Unwissenheit

Wie verbreitet Cloud-Lösungen abseits der Sicherheitstechnik schon sind, weiß Hagen Zumpe von Salto Systems: „Ich denke, es ist nicht entscheidend für die Nachfrage, ob man Sicherheitssysteme über eine Cloud laufen lässt oder nicht. Es ist eher die Frage, wie es um die Rezeption des Begriffs Cloud in Deutschland bestellt ist. Dieser hat momentan einen negativen Beigeschmack. Aber ich glaube, dass die meisten gar nicht wissen, welche Dienstleistungen heute schon über die Cloud laufen. Wenn man zum Beispiel mit Datev zusammenarbeitet, dann werden sämtliche Lohnbuchhaltungsdaten in der Cloud gespeichert. Und das sind durchaus sensible Daten. Es stellt sich also vielmehr die Frage, welche Sicherheitsmechanismen dahinter stehen. Es gibt genügend Möglichkeiten, die Daten zu schützen und das Risiko zu minimieren, angefangen bei der Verschlüsselung der Datenübertragung über die Verschlüsselung der gespeicherten Daten bis hin zur Zwei-Faktor-Authentifizierung für das Verändern und Nutzen der Daten.“

Die Nutzer wiegen sich aber nicht generell in seliger Unwissenheit, sie nutzen Cloud-Anwendungen freiwillig und ausgiebig jeden Tag, wie Wilhelm Fischer von Netzwerkservice-Fischer anmerkt: „Die Kunden haben über die zunehmende Verbreitung von Smartphones und Tablets gelernt, ganz selbstverständlich mit Cloud-Lösungen umzugehen und alle möglichen teils sehr persönlichen Daten dort abzulegen. Paradoxerweise scheuen sie aber zuhause davor zurück, wenn es darum geht ein Cloud-basiertes System zu installieren. Andererseits überweisen sie dann ihre Rechnungen wieder über das Handy. Man darf es nicht so schwarzweiß sehen, denn die Weisheit, dass es die hundertprozentige Sicherheit nicht gibt, müssen wir auch auf die Cloud-Systeme übertragen. Denn klar ist auch, wir werden künftig kaum mehr um diese herumkommen.“

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