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Verbände 25. Mai 2022

VfS-Kongress: Zivil- und Katastrophenschutz im Fokus

Corona, Flut und Krieg: Die Krisen in der Welt häufen sich. Beim VfS-Kongress 2022 in Kassel wurden Stimmen laut, die ein Umdenken im Zivil- und Katastrophenschutz fordern. 

Auf der begleitenden Ausstellung konnten sich die Teilnehmer des VfS-Kongresses umfassend über sicherheitstechnische Produkte und Lösungen informieren.
Auf der begleitenden Ausstellung konnten sich die Teilnehmer des VfS-Kongresses umfassend über sicherheitstechnische Produkte und Lösungen informieren.

Nach den sehr guten Erfahrungen mit dem neuen Veranstaltungsort in Kassel im Oktober 2021 lud der Verband für Sicherheitstechnik (VfS)zu seinem Jahreskongress Mitte Mai 2022 wieder in das Kassler Kongress-Palais ein. Etwa 230 Teilnehmer folgten der Einladung, eine Zahl, die VfS-Geschäfsführer Dr. Clemens Gause sehr positiv bewertete. Man habe zwar noch nicht das Niveau der Zeit vor der Coronakrise wiedererlangt, als über 300 Teilnehmer auf dem VfS-Kongress die Regel waren. Doch das hätte man auch nicht erwarten können, schließlich sei die Krise noch immer nicht vollständig überwunden. So war Corona auch auf dem Kongress in diesem Jahr noch ein großes Thema, wenn auch nicht mehr das beherrschende. Vor dem Hintergrund der Flutkatastrophe im Ahrtal im Juli letzten Jahres und dem Ausbruch des Ukraine-Kriegs standen vielmehr Konzepte zur Krisenbewältigung allgemein im Fokus. „Wir befinden uns in einer Renaissance des Krisen- und Katastrophenschutzes“, brachte es Gause auf den Punkt. Die Zunahme und immer schnellere Frequenz der Krisenvorfälle, habe den Handlungsbedarf zur Entwicklung von Resilienzen offensichtlich gemacht. Aufgabe und Ziel müsse es sein, über singuläre Krisen wie Cornoa hinaus mit präventiven Konzepten, die auf möglichst viele Szenarien Handlungsoptionen böten, „vor die Lage“ zu kommen.

Zivil- und Katastrophenschutz in der Bundepolitik

Unter dieser Prämisse erläuterten Experten in drei Vortragssträngen Lösungsansätze und stellten entsprechende Konzepte vor. Nach dem bewährten Konzept kamen dabei sowohl Politiker und Vertreter von Behörden als auch Player aus der Sicherheitstechnikbranche zu Wort. So gewährte Torsten Akmann, Staatssekretär der Senatsverwaltung für Inneres, Digitalisierung und Sport in Berlin, den Kongressteilnehmern aus erster Hand einen Einblick in die Krisenpräventionsarbeit der Bundespolitik. Die Gefahr durch Corona sei vom Bund schnell erkannt worden, betonte Akmann. Bereits Anfang 2020 sei klar gewesen, dass man es hier mit einer beginnenden Pandemie zu tun habe. Ein täglicher Krisenstab habe Aufgaben und Einsatz der einzelnen Institutionen koordiniert, wobei Polizei und Feuerwehr eine „extrem wichtige Rolle“ eingenommen hätten. Demnach waren allein in Berlin 27.000 Polizisten im Einsatz, die unter anderem die Einhaltung der Coronaregeln überwachten, die Einsätze der Rettungskräfte sicherten, und so wesentlich zum Erhalt der öffentlichen Ordnung beitrugen: „Heute kann ich sagen, dass der Staatsbetrieb zu keiner Zeit gefährdet war“, betonte Akmann ohne die Schwierigkeiten zu verschweigen, mit denen sein Ressort gerade zu Beginn der Coronakrise konfrontiert war, etwa was die Beschaffung von Masken betraf, als noch jede Behörde für sich allein versucht habe, „etwas zu ergattern“ – oft ohne Erfolg.

Infrastrukturen für Sicherheit jahrelang vernachlässigt

Der Regierungspräsident von Kassel, Mark Weinmeister, stimmte in seiner Eröffnungsrede VfS-Geschäftsführer Dr. Clemens Gause zu und betonte wie dieser die Wichtigkeit resilienter Krisen- und Katastrophenschutzkonzepte. Für den Zivilschutz sei dabei die Flutkatastrophe im Ahrtal ein „Erweckungserlebnis“ gewesen, so Weinmeister: „Wir mussten lernen, dass die Alarmierungsketten nicht mehr funktionieren, und dass es auch noch analoge Möglichkeiten braucht, um Menschen zu warnen“. Stattdessen habe man in den letzten Jahren die Infrastruktur, beispielsweise was Sirenen betreffe, nahezu komplett abgebaut. „jetzt fangen wir wieder bei Null an, und sind dabei, diese Strukturen wieder aufzubauen. Wir haben gemerkt, dass wir in diesen Bereichen komplett umdenken müssen, und dazu brauchen wir Experten, die uns beraten und Lösungen aufzeigen“.

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Einer dieser Experten ist Gerd Friedsam, Präsident des Technischen Hilfswerks THW, der zunächst allein anhand der Einsatzzahlen die Dringlichkeit eines Umdenkens verdeutlichte. Rückte das THW 2020 demnach noch zu knapp über zwei Mio. Einsätzen aus, war dies im vergangenen Jahr schon 3,7 Mio. Mal  der Fall: „Der Starkregeneinsatz 2021 war der größte Einsatz der THW-Geschichte“, betonte Friedsam. Hinzu kämen in diesem Jahr die Folgen des Ukraine-Krieges wie der Errichtung von Notunterkünften oder die Organisation von Hilfskonvois. Vor dem Hintergrund der politischen Entscheidung im Zuge des Ukraine-Kriegs, die Bundeswehr mit 100 Mrd. EUR zu modernisieren, forderte der THW-Präsident, auch den Zivilschutz zu stärken, da sich dieser auch im Spannungsfeld von Cybergefahren und Klimaschutz befinde. Die Instrumente des Katastrophenschutzes müssten deshalb auch für den Zivilschutz zur Verfügung stehen.

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Sicherheitstechnische Lösungen auf dem VfS-Kongress

Im Ausstellungsbereich, der den VfS-Kongress wie gewohnt begleitete, konnten sich die Teilnehmer über zahlreiche sicherheitstechnische Produkte und Lösungen informieren, die auch eine Neuausrichtung des Katastrophen- und Zivilschutzes unterstützen. So demonstrierte etwa das Start-up Aviotech vor dem Kongress-Palais den Einsatz einer selbst entwickelten Drohne für den Einsatz in sicherheitskritischen Bereichen, Advancis erklärte die neueste Version seiner Managementplattform Winguard und Barox den Einsatz seiner Switche in industriellen Umgebungen.

Insgesamt seien auf dem VfS-Kongress in diesem Jahr 15 % mehr Aussteller vertreten gewesen, als im 2021, erklärte Dr. Clemens Gause, nach Überzeugung des VfS-Geschäftsführers ein Hinweis darauf, dass der Verband mit seiner thematischen Ausrichtung den Nerv der Zeit treffe. Der VfS werde in Zukunft noch enger mit Hochschulen kooperieren und sich noch stärker auf die Forschung fokussieren.

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Hacken für Katastrophenschutz und Lieferkette

Zur Stärkung der Resilienz von Katastrophenschutz und Lieferketten, veranstalten die Forschungsprojekte „Spell“ und „Pairs“ auf der Interschutz 2022  in Hannover vom 20. bis 23.Juni einen „Hackathon“. Anlass des Hackerwettebewerbs, den der VfS letztes Jahr nach der Flutkatastrophe im Ahrtal am Nürburgring veranstaltet hatte, sind die zunehmenden Krisen in der Welt und die daraus resultierende Notwenigkeit der Stärkung des Katastrophenschutzes und Aufrechterhaltung der Lieferketten.

Wie nach der Flutkatastrophe in Ahrweiler will das Forschungsprojekt „Spell“ (Krisen- und Katastrophenmanagement) gemeinsam mit dem Forschungsprojekt „Pairs“ (Lieferkettenresilienz) Ideen und Visionen zu unterstützen, die die Thematik der aktuellen Katastrophen aufgreifen, um so die Resilienz der Gesellschaft zu stärken.

Der VfS hofft,  dieses Jahr wieder so engagierte und kreative Hacker aus allen Ländern, Altersgruppen und Disziplinen gewinnen und innovative Lösungen für aktuelle Herausforderungen generieren können. Mehr zu den Challenges und der Veranstaltungen finden alle Interessierte auf der Homepage der „Spell“-Plattform.

Andreas Albrecht

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