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VfS-Kongress 2023: Krisen als Chance?

Leipzig war Ende April 2023 nach zehn Jahren wieder Veranstaltungsort des VfS-Kongresses. Zentrales Thema waren die zahlreichen, aktuellen Krisen sowie die Frage, wie Unternehmen ihre Resilienz verbessern können.

Nach zehn Jahren und den Zwischenstationen Potsdam (2014 bis 2019) und Kassel (2021 und 2022) fand der VfS-Kongress 2023 wieder in Leipzig statt.
Nach zehn Jahren und den Zwischenstationen Potsdam (2014 bis 2019) und Kassel (2021 und 2022) fand der VfS-Kongress 2023 wieder in Leipzig statt.

Die VfS-Geschäftsführer Wilfried Joswig und Prof. Dr. Clemens Gause begrüßten in Leipzig insgesamt etwa 300 Besucher – überwiegend Anwender, aber auch Errichter, Systemintegratoren, Berater und Planer – und Aussteller, die eine breite Palette an sicherheitstechnischen Neuerungen präsentierten. Die Rückkehr zu alter Wirkungsstätte nahm Wilfried Joswig zum Anlass, zu Beginn des Kongresses auf die Geschichte des Verbands für Sicherheitstechnik (VfS) zurückzublicken. Man sei damals, im Gründungsjahr des Verbands 1994, angetreten, um Betreibern in der Sicherheitswirtschaft herstellerunabhängige, und möglichst produktneutrale Informationen und Hilfestellungen zu geben, so Joswig. Ein Versprechen, das bis heute gehalten hat, denn der VfS sieht sich nach wie vor als ein Verband „im Interesse der Nutzer“.

Nico Lehner. Projektmanager & Head of Sales, erläuterte VfS-Geschäftsführer Wilfried Joswig am Ausstellerstand der Arrowtec GmbH die Drohnentechnologie des Start-ups und die Mehrwerte der Lösung speziell für Sicherheitsdienste.
Nico Lehner. Projektmanager & Head of Sales, erläuterte VfS-Geschäftsführer Wilfried Joswig am Ausstellerstand der Arrowtec GmbH die Drohnentechnologie des Start-ups und die Mehrwerte der Lösung speziell für Sicherheitsdienste.

Resilienz und Krisenmanagement verbessern

Zentrales und übergeordnetes Thema des VfS-Kongresses waren in diesem Jahr die zahlreichen Krisen und Katastrophen, wie der Krieg in der Ukraine, zunehmende Cyberangriffe auf Kritische Infrastrukturen und die Gefahr eines lang andauernden und flächendeckenden Blackouts sowie die Frage, wie Unternehmen einerseits ihre Krisen-Resilienz erhöhen können, aber auch, welche Chancen sich ihnen bieten. Albrecht Broemme vom Zukunftsforum Öffentliche Sicherheit (ZOES) und Ehrenpräsident des Technischen Hilfswerks (THW), in Berlin, attestierte in seiner Keynote in diesem Zusammenhang der Politik eine „Katastrophendemenz“. Das schnelle Vergessen mache es schwer, die Resilienz zu verbessern, so Broemme. „ Eine Milliarde Euro für den Katastrophenschutz geht nicht, sagen die Politiker. Aber 35 Milliarden für die Folgeschäden der verheerenden Überflutungen im Ahrtal 2021, das ging schon.“

Dabei lasse sich mit ausreichenden Mitteln und moderner Technik manche Katastrophe durchaus verhindern, erklärte Sabine Lackner, Vizepräsidentin des THW, in Bonn. Sie verwies dabei unter anderem auf das Forschungsprojekt „Spell“, das sich zum Ziel gesetzt hat, auf Basis KI-basierter Datenanalyse in Krisensituationen wie Naturkatastrophen oder flächendeckenden Stromausfällen Maßnahmen zur Gefahrenabwehr, Nothilfe und Versorgung für die Bevölkerung schneller und situationsgerecht einzuleiten. Diese Aufgabe werde vor allem deshalb immer dringender, weil „Krisenlagen nicht mehr nacheinander, sondern geballt und innerhalb kürzester Zeit auftreten“, betonte Lachkner. Der Einsatz Künstlicher Intelligenz könne dabei sehr hilfreich sein. So würden mit der Technologie etwa Datenanalysen in Echtzeit, automatische Entscheidungsprozesse und Simulationsprozesse ermöglicht, um im Ernstfall Zeit zu gewinnen.

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Als ähnlich hilfreich bewertete Rainer Wendt, Bundesvorsitzender der Deutschen Polizeigewerkschaft in Berlin, den Einsatz KI-basierter Videotechnik zu Verhinderung von Straftaten. Der Polizei würde damit theoretisch die Möglichkeit gegeben, Gefahrensituationen  bereits im Vorfeld zu erkennen und Eskalationen zu verhindern. Obwohl diese Technik eine viel geringere „Eingriffstiefe“ in Datenschutz und Persönlichkeitsrechte habe, weil die Kameras nicht fortlaufend aufzeichnen würden, sondern erst, wenn Situationen gefährlich würden, gab sich Wendt  skeptisch, was die zukünftige Verwendung dieser Technik betrifft. Er glaube nicht, so Wendt, dass das im Herbst 2023 endende Pilotprojekt in Mannheim, wo derzeit algorithmenbasierte Videoüberwachung im öffentlichen Raum zur Bekämpfung von Straßenkriminalität erprobt wird, eine Fortsetzung finde. Zu groß seien die Vorbehalte gegenüber der Technik. Es sei leider die Ausnahme, dass Politiker diese unvoreingenommen bewerten würden, was nach Wendts Überzeugung auch am negativ konnotierten Begriff „Videoüberwachung“ liege, den er nicht benutze. Er spreche lieber von „Videobeweis“.

Seit drei Jahren treffen sich jeden Montag Experten zur vom VfS und ZOES initiierten Morgenlage.
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Auf großes Interesse stieß unter anderem der Vortrag von Rainer Wendt, Bundesvorsitzender der Deutschen Polizeigewerkschaft in Berlin, der den Einsatz KI-basierter Videotechnik im innerstädtischen Raum thematisierte.
Auf großes Interesse stieß unter anderem der Vortrag von Rainer Wendt, Bundesvorsitzender der Deutschen Polizeigewerkschaft in Berlin, der den Einsatz KI-basierter Videotechnik im innerstädtischen Raum thematisierte.

Gute Stimmung an den Ausstellerständen

Während des zweitägigen Kongresses gab es noch eine ganze Reihe weiterer interessanter Vorträge. So informierte die Besucher etwa Björn Hawlitschka von der Sicherheits- und Wirtschaftsberatung Maconia GmbH über die aktuelle Lage und die Auswirkungen des Kriegs in der Ukraine. Der Rechtsanwalt Henry Bauer bewertete die Drohnenabwehr im urbanen Raum aus juristischer Perspektive, und der Berater für Terrorismusbekämpfung, Yan St-Pierre, analysierte die Dynamiken von Klimaaktivisten. In den bewusst langen Pausen zwischen den Vorträgen hatten die Teilnehmer zudem ausreichend Zeit, sich an den Ausstellerständen im Foyer über neuste sicherheitstechnische Lösungen zu informieren. Die Mehrheit der Hersteller war vor allem mit der Qualität der Gespräche sehr zufrieden, waren doch große Endkunden, wie beispielsweis Airbus, vor Ort.

Doch auch diejenigen Aussteller, die sich mehr Frequenz an ihren Ständen gewünscht hätten, bereuten ihr Kommen keineswegs. Der VfS-Kongress – so der Tenor – sei wie ein Familientreffen der Branche, und allein durch die Gespräche untereinander, in den Pausen und während der Abendveranstaltungen,  habe sich die Teilnahme schon gelohnt. Rückblickend wirkt es fast surreal – und da wären wir wieder bei der „Katastrophendemenz“ – dass es solche Veranstaltungen während Corona zwei Jahre lang fast nicht gegeben hat.

Andreas Albrecht

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