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Unternehmen 8. Februar 2022

Trends in der Sicherheitstechnik 2022

Alle Jahre wieder stellt sich die Frage: Welche Entwicklung wird die Sicherheitstechnik nehmen? Diese Trends werden die Branche im Jahr 2022 prägen.

Einer der Trends in der Sicherheitstechnik: Die Schere zwischen großen und kleinen Anbietern auf der Herstellerseite geht immer weiter auseinander, vor allem im Bereich Videoüberwachung. Laut Prognosen könnte es in der zweiten Hälfte der 2020er Jahre weltweit gerade noch fünf große Hersteller
Einer der Trends in der Sicherheitstechnik: Die Schere zwischen großen und kleinen Anbietern auf der Herstellerseite geht immer weiter auseinander, vor allem im Bereich Videoüberwachung. Laut Prognosen könnte es in der zweiten Hälfte der 2020er Jahre weltweit gerade noch fünf große Hersteller in diesem Segment geben wird.

Ein Blick in die verschiedenen Marktstudien zeigt einen Effekt jedes Jahr von Neuem: Der Markt wird sein überproportionales Wachstum im Vergleich zu anderen Branchen auch im aktuellen Jahr nicht verlieren. So gehen verschiedene Marktforschungsinstitute davon aus, dass sich die Branche weltweit von etwas über 90 Mrd. USD im Jahr 2020 mit durchschnittlich 7,5 % Wachstum pro Jahr auf etwas über 120 Mrd. USD im Jahr 2025 entwickeln wird. Das Servicesegment mit circa 55 Mrd. USD Marktvolumen wird im Ausgangsjahr bei prognostizierten 5,5 % Wachstum p.a. leicht unterdurchschnittlich wachsen.

Wie die Märkte und die geopolitische Entwicklung der letzten 15 bis 20 Jahre gezeigt haben, entwickeln sich die Märkte immer disruptiver, Krisen schlagen in immer kürzeren Abständen ein und die wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen wandeln sich rund um den Globus. Dies macht deutlich, dass die Widerstandsfähigkeit der Unternehmen einer Branche nicht nur an der generellen Wachstumsentwicklung gemessen werden kann. Die Sicherheitstechnik muss sich auf die zentralen Trends einstellen, welche die gesamte Branche in den nächsten fünf bis sieben Jahren beeinflussen werden. Viele dieser Trends sind nicht neu, müssen aber in ihrer Gesamtwirkung aus einem neuen Blickwinkel betrachtet werden.

Cloud & Remote Security Solutions

Wie bereits an anderer Stelle beschrieben, gewinnt Remote Security nicht erst seit der Covid-19-Pandemie immer mehr an Bedeutung. Aber die Pandemie hat auf jeden Fall mit dazu beigetragen, diesen Trend weiter zu beschleunigen. So zeigt bereits der Calipsa Annual Report von 2021, dass circa 75 % der befragten Unternehmen Cloud-basierte Video Analytics einsetzen und circa 32 % auf komplett Cloud-basierte Systeme setzen. Befeuert wird dieser Trend vor allem durch die sich seit Jahren stärker durchsetzenden Security as a Service-Modelle in Verbindung mit Software as a Service-Angeboten.

Wesentlicher Vorteil dieser Konzepte ist die einfache und problemlose Skalierung der Sicherheitslösungen mit der allgemeinen Geschäftsentwicklung der Kunden, vor allem aber die Tatsache, dass die in diesem Zusammenhang gebräuchlichen Subscription- bzw. Abo-Modelle sicherstellen, dass nicht nur die Software, sondern auch die Hardware immer auf dem aktuellen Stand der Technik sind. Ein weiterer Nutzen der Cloud-Technologien besteht darin, dass sie als Backbone von modernen KI/AI-Lösungen unumgänglich sind, denn Systeme, die Künstliche Intelligenz einsetzen, sind auf hoch performante Rechnerplattformen angewiesen, wenn sie technisch vorne mitspielen wollen.

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Atrificial Intelligence (AI) bleibt weiter ein Top-Trend

KI bzw. AI (Artificial Intelligence) und mit ihr dem Machine Learning werden nach wie vor die größten Veränderungskräfte in der Sicherheitstechnik zugesprochen. In dem Maße, wie mit ihrer Hilfe die reine forensische Analyse nach einem Sicherheitsvorfall überwunden werden kann, steigt auch ihr Potenzial und der Nutzen für alle Beteiligten. Die Fähigkeiten und die Geschwindigkeit der KI/AI werden sich in den nächsten Jahren weiter beschleunigen, auch wenn hierfür noch der Einsatz leistungsfähiger Systeme notwendig ist, liefern sie im Rahmen sogenannter Predictive Analytics, also vorausschauender Analysen bereits heute schon unschätzbaren Nutzen, wie diverse im Einsatz befindliche Systeme unter anderem zum Predictive Policing zeigen.

Das letztliche Ziel all dieser Systeme ist es, Sicherheitsvorfälle zu verhindern, bevor sie passieren, was zugegebenermaßen noch nach viel Zukunftsmusik klingt. Vor allem aber soll die KI/AI die Operator bei der Auswertung und dem Umgang mit Massendaten, zum Beispiel über Videoanalyse, Fehlalarmfilterung und die Verbesserung der Bedieneffizienz unterstützen. Nach Analysen wird der Markt für KI/AI in der Branche auf circa 5 Mrd. USD im Jahr 2020 geschätzt, die Entwicklung bis 2026 wird mit voraussichtlich circa 14 Mrd. USD angegeben.

Konvergenz von klassischer Sicherheitstechnik und Cybersecurity

Auf Grund der starken Verbreitung von IP-Technologie in der Sicherheitstechnik, spielt die Cybersecurity eine tragende Rolle: Jedes direkt oder indirekt in das Internet eingebundene Device/Gerät stellt ein potenzielles Ziel für Cyberattaken dar. Das Risiko der Angriffe und Übernahme von zum Beispiel IP-Cameras und anderen Internet of Things/IoT-Devices der Sicherheitstechnik via sogenannter Botnet-Angriffe, haben in den letzten Jahren eindrücklich die Risiken und Gefahren belegt. Gewinnt jetzt noch der oben beschriebene Trend zu Sicherheitssystemen auf Cloud- und Remote-Basis an Bedeutung, ist ein weiteres Zusammenwachsen von klassischer Sicherheitstechnik und Cybersecurity unvermeidlich, denn: Der Schutz von physischer- und IT-Technik ist nicht mehr zu trennen.

Dies führt zu einem interessanten Effekt, der dem Trend zu Cloud- und Remote-Anwendungen teilweise zuwiderläuft: In dem IFSEC Global-Bericht 2021 gaben immerhin 64 % der befragten Unternehmen an, dass die Cybersicherheit das zentrale Hindernis für die Einführung von Cloud-basierten Systemen darstellt. Auf der anderen Seite wurde als drittes Hindernis hierfür das mangelnde Verständnis bzw. Fachwissen über Cloud-Systeme genannt – wohlgemerkt: Auch IP-Devices befinden sich „irgendwie“ im Web und können dem-zufolge angegriffen werden. Aus diesem Grunde ist umfassendes Wissen über die Cyberrisiken sowie die angemessenen Abwehrmechanismen für die richtigen Weichenstellungen in der Neuausrichtung der Sicherheitstechnik unumgänglich.

Rückgang der Globalisierung und Unterbrechungen der Lieferketten

Auch in diesem Fall hat nicht erst die Pandemie bewiesen: Die internationalen Lieferketten sind massiv anfällig für Störungen aller Art geworden. Covid-19 ist hierbei nur einer von vielen Gründen. Die Veränderung der geopolitischen Lage hat in vielen und gerade auch bedeutenden Wirtschaftsregionen dazu geführt, dass der internationale Warenverkehr teilweise massiv behindert wird. Die Engpässe in der Chip-Industrie zeigen, dass lange sichtbare Veränderungen in den Nachfrageströmen von Halbleitern dennoch dazu führen können, dass frühere Standardverbraucher dieser Produkte auf einmal ihren Bedarf nicht ansatzweise mit verträglichen Lieferzeiten befriedigen können. Vor allem letzteres wirkt sich direkt auf die Sicherheitstechnik aus.

So bewirken die stockenden Lieferketten steigende Gefahren bei Frachtdiebstählen aller Art. Laut dem BSI & TT Club Cargo Theft Report passieren circa 71 % aller Frachtdiebstähle auf oder in der Nähe von Lkws. Für die Unternehmen der Branche eröffnen sich hierdurch also auch Chancen durch neue Produkte und Services rund um die Sicherung der Ware entlang der Lieferketten, welche Frachtgutdiebstählen vorbeugen. Alles in allem rechnen viele Branchen auch für die nächsten Jahre mit Problemen entlang der internationalen Warenströme – ein Ende wird so schnell nicht in Sicht sein.

Wie BIM die Planung in der Sicherheitstechnik verändert
Dr. Peter Fey und Florian Kaiser von W&P über die Veränderungen, die Building Information Modeling (BIM) in der Planung von Sicherheitstechnik bewirken könnte.

Das Gesetz der Größe schlägt zu

Wie in anderen Branchen, so auch in der Sicherheitstechnik: Die Kluft zwischen den großen und den kleinen Anbietern auf der Herstellerseite wird jedes Jahr größer. Hierdurch steigt nicht nur die wirtschaftliche Mindestgröße, um ausreichende Renditen zu erwirtschaften. Hierdurch eröffnen sich im internationalen Vergleich auch völlig andere Optionen und Strategien, zum Beispiel um den gestörten Lieferketten erfolgreich durch Local for Local-Konzepte oder andere Resilienz-Maßnahmen erfolgreich zu begegnen.

Besonders deutlich wird dies im Bereich der Videoüberwachung: circa 40 % des weltweiten Bedarfs an Videoequipment entfällt auf das mittlerweile protektionistisch verschlossene China. Hikvision und Duhua vereinigen auf sich den größten Anteil hieran. Damit nicht genug: Beide Unternehmen haben den Angriff nach unten als strategisches Ziel ausgerufen, was vielen kleinen und mittelständischen Unternehmen das Leben erschweren wird oder schon erschwert hat. Prognosen gehen davon aus, dass es in der zweiten Hälfte der 2020er Jahre weltweit nur mehr fünf große Hersteller in diesem Segment geben wird.

Gerade im Markt der Videoüberwachung wird sich daher rasch die Spreu vom Weizen trennen, denn gegen schiere Größe kann nur punkten, wer im Kleinen auf Innovationskraft, eine ausgeprägte High-Tech-Markenstrategie sowie intelligente Gesamtlösungen für spezifische vertikale Abnehmermärkte setzt. Dies kann sehr gut allein geschehen, aber auch Allianzen und Partnerschaften bis hin zu Akquisitionen sollten nicht ausgeschlossen werden.

Den zweiten Teil der Analyse von Dr. Peter Fex zu den Sicherheitstrends 2022 lesen Sie in der März-Ausgabe, die am 25. Februar erscheint (Anmerkung der Redaktion).

Dr. Peter Fey, Mitglied der Geschäftsleitung bei Dr. Wieselhuber & Partner und Branchenexperte für die Sicherheitstechnik.
Dr. Peter Fey, Mitglied der Geschäftsleitung bei Dr. Wieselhuber & Partner und Branchenexperte für die Sicherheitstechnik.

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