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Zutrittskontrolle 5. Juli 2022

Technologie für den sicheren Zutritt

Dr. Dennis Lips, CEO, und Christian Böhlke, Head of Technology von essentry, über automatisierte Erkennung und Überprüfung von Identitäten, die Digitalisierung des Besuchermanagements und die Gründung ihres Unternehmens.

Dr. Dennis Lips (links), CEO, und Christian Böhlke, Head of Technology von essentry.
Dr. Dennis Lips (links), CEO, und Christian Böhlke, Head of Technology von essentry.

Das Interview ist eigentlich bereits vorbei und Dennis Lips muss auch gleich los zum nächsten Termin. Doch dann erzählt er noch, wie es damals begonnen hat: er saß mit Christian Böhlke am Potsdamer Platz in Berlin im achten Stock des Sony Centers – mit perfektem Blick auf die Kuppel des Reichstags, den er kürzlich mit seiner Familie besucht hatte. Er erzählte von der langen Wartezeit, den aufwändigen Sicherheitschecks und den manuellen Ausweiskontrollen. In diesem Moment erkannten sie, dass sie mit ihrer Idee, Zutrittsprozesse in Zukunft sicherer, effizienter und schneller zu machen, auf dem richtigen Weg waren. Vor zwei Jahren machten sie aus dieser Idee ein Produkt. Nun sitzen Dennis Lips und Christian Böhlke in den Bouché Höfen am Treptower Park im großflächigen Büro ihres Start-ups essentry und erzählen dem PROTECTOR, wie sie mit ihren Produkten heute Einrichtungen der kritischen Infrastruktur schützen.

Herr Dr. Lips, Herr Böhlke, woher kommen Sie und wie kam es zur Gründung von essentry?

Christian Böhlke: Nach meinem dualen Informatik-Studium bei SAP war ich dort zunächst im Enterprise-Umfeld tätig und später bei einer Biotech-Firma, die DNA-Sequenzierungen vornimmt. Über einen gemeinsamen Bekannten habe ich dann Dennis kennengelernt.

Dr. Dennis Lips: Im Gegensatz zu Christian habe ich einen klassischen BWL-Hintergrund und habe in Mannheim und Stanford studiert. Damals habe ich meinen heutigen Geschäftspartner und Investor Rupprecht Rittweger kennengelernt. Dieser ist Gründer des Rechenzentrums- und Sicherheitsunternehmens e-shelter. Gemeinsam gründeten wir im Jahr 2016 den Property Technology & Security Technology Investor Anyon, aus dem schließlich essentry als eine der Portfoliogesellschaften ausgegründet wurde.

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Wie ging es dann weiter?

Dr. Dennis Lips: Unseren ersten Anwendungsfall hatten wir damit im Bereich der kritischen Infrastruktur identifiziert. Konkret ging es um den Zutrittsprozess zu Rechenzentren. Während der Prozessanalyse merkten wir schnell, dass die teilweise analogen Prozesse viel Digitalisierungspotential boten. So begannen wir mit der schrittweisen Digitalisierung des Zutrittsprozesses, angefangen mit der Besucheranmeldung bis hin zur Erteilung von Zutrittsrechten. Mittlerweile hat sich unser Produkt dahingehend weiterentwickelt, dass der gesamte Zutrittsprozess eingebunden ist. Durch den konsequenten Einsatz von Technologie haben wir eine Verbesserung der Sicherheit erreichen können und gleichzeitig die Basis für moderne Datenanalysetechniken geschaffen. Heute haben wir all diese Funktionen in ein Self-Service-Kiosk integriert. Unseren Kiosk kann man sich wie eine der bekannten Terminal-Lösungen zum Selbsteinchecken an Flughäfen vorstellen.

Christian Böhlke: Dieser Kiosk ist heute unser Kernprodukt, das im Wesentlichen aus drei Komponenten besteht: einem Ausweisscanner, der vom Reisepass bis zum Führerschein das Gros international anerkannter Ausweisdokumente zuverlässig erkennt und auf Echtheit prüft, sowie eine eingebaute 3D-Kamera, die ein Foto von der zutretenden Person macht, das dann mittels Künstlicher Intelligenz biometrisch mit dem entsprechenden Bild auf dem Ausweisdokument abgeglichen wird. Die dritte Komponente ist die Kartenausgabe mit der individuelle Zutrittsberechtigungen ausgegeben werden können, soweit die entsprechende Person erfolgreich verifiziert wurde. Somit kann der Zutrittsprozess autonom und digital durchgeführt werden.

An welche Märkte richten Sie sich mit dieser Lösung?

Dr. Dennis Lips: Neben dem Rechenzentrum sind wir mittlerweile auch in vielen weiteren Bereichen der Kritischen Infrastruktur und überall dort präsent, wo ein hohes Maß an Sicherheit gefordert wird. Die aktuelle Bedrohungslage führt zu einer gesteigerten Nachfrage. Zu der Kritischen Infrastruktur zählen Finanzinstitute, Energieversorger, aber auch Krankenhäuser und die Pharma- und Chemieindustrie.

Darüber hinaus konnten wir als essentry unsere Leistungsfähigkeit bei den Kongressen „Digitaler Staat“ und „Europäischer Polizeikongress“ beweisen. Dort wurden mehrere tausend Entscheidungsträger/innen in kürzester Zeit identifiziert, verifiziert und eingelassen. Aktuell sind wir in drei europäischen Ländern aktiv, Ende dieses Jahres werden es voraussichtlich acht Länder sein.

Sehr beachtlich für ein Start-up, das erst vor wenigen Jahren gegründet worden ist. Wie haben sie das geschafft?

Dr. Dennis Lips: In allererster Linie durch ein starkes Team. Wir haben von Anfang an den intensiven fachlichen Austausch mit Industrieexperten gesucht und haben deren Wissen und Erfahrung in unsere Produktentwicklung einfließen lassen. Sicherlich war auch die Tatsache, dass unsere Software „Made in Germany“ ist und alle Daten auf Servern in deutschen Rechenzentren gehostet werden. Auch die Tatsache, dass unsere Service-Dienstleistungen, ausschließlich aus Deutschland und der EU erbracht werden, schafft besonders im aktuellen Umfeld bei unseren Kunden Vertrauen.

Christian Böhlke: Wir bieten unsere Produkte als Service an. Es entstehen für den Kunden keine Investitionen, sondern lediglich laufende Kosten. Das kann man am besten mit einem einfachen Mietmodell vergleichen. Wir liefern den Kiosk, richten diesen vor Ort ein und stellen den Betrieb 24/7 sicher.

Dr. Dennis Lips: Das Mietmodell hat noch einen weiteren Vorteil: Wir können so die Aktualität der verbauten Hardware unseres Produktes fortlaufend sicherstellen. Dazu halten wir Redundanzen sowie ein ausgeklügeltes Wartungs- uns Maintenance-Konzept vor. Auch unsere Software wird natürlich fortlaufend weiterentwickelt und zentral aktualisiert. Gerade bei neuen Technologien, die sich rasant weiterentwickeln, ist es wichtig, schnell auf neue Trends reagieren zu können.

essentry hat auch die BSI-Zertifizierung durchlaufen. Hilft das ebenfalls in der Argumentation gegenüber potenziellen Neukunden?

Dr. Dennis Lips: Die ISO 27001 Zertifizierung auf Basis von IT-Grundschutz ist mehr als eine Hilfe, sie ist eine notwenige Voraussetzung. Für die Zertifizierung legt das BSI neben der Systemsicherheit der Produkte auch viel Wert auf die prozessseitigen Abläufe, das heißt, es wird sehr genau hingesehen, wie wir arbeiten, wie wir sichere Passwörter vergeben und welche Software-Entwicklungsstandards wir einhalten, und wie wir die Arbeitsgeräte unserer Mitarbeiter schützen. Ein wichtiger Teil davon sind auch fortlaufende Penetrationstests, die unsere Systeme auf ihre Widerstandsfähigkeit hin testen. Zu unserem Anspruch, dem äußert sicherheitsbewussten „mission critical“-Segment gerecht zu werden, gehört es eben auch, dass wir unsere Prozesse fortlaufend von unabhängigen Dritten prüfen lassen.

Wie schätzen Sie die Gefahr von Hacker-Angriffen speziell auf biometrische Sicherheitstechnik-Systeme ein?

Christian Böhlke: Die Gefahr besteht natürlich immer, kein IT-System ist vor Hacker-Angriffen sicher. Im Vergleich zu manuellen Prozessen, sind die Systeme aber inzwischen schon wesentlich sicherer. Früher musste der Rezeptionist am Empfang wissen, wie die einzelnen Dokumente, etwa Pass und Führerschein, aus verschiedenen Ländern in Europa aussehen und er musste die Person vor sich mit einem möglicherweise viel älteren Foto im Ausweisdokument abgleichen. Solche Aufgaben erledigen Algorithmen mittels Künstlicher Intelligenz wesentlich zuverlässiger und sicherer. Der Sicherheitsstandard hat sich also schon allein durch den Einsatz von Technologie wesentlich erhöht. Auch die Tatsache, dass wir unsere Produkte in der Cloud betreiben trägt zu einem erhöhten Sicherheitsniveau bei. Das größte Einfallstor bleibt jedoch die soziale Komponente, wenn beispielsweise Mitarbeiter manipuliert werden, Daten herauszugeben, oder auf kompromittierte Links zu klicken. Dafür ist es notwendig Mitarbeiter regelmäßig zu schulen und für solche Gefahren zu sensibilisiert.

„Auch in der Sicherheitsbranche gilt, die Digitalisierung ermöglicht es, Prozesse zu beschleunigen und die knappen Fachkräfte auf die persönliche Interaktion mit den Kunden zu fokussieren“, so Dr. Dennis Lips.
„Auch in der Sicherheitsbranche gilt, die Digitalisierung ermöglicht es, Prozesse zu beschleunigen und die knappen Fachkräfte auf die persönliche Interaktion mit den Kunden zu fokussieren“, so Dr. Dennis Lips.

Welche Bedeutung hat für essentry der Datenschutz?

Dr. Dennis Lips: Die Dokumentation, also die Nachverfolgbarkeit, welche Person zu welchem Zeitpunkt in welche Bereiche Zutritt gewährt wurde, ist im Besucheranmeldungsprozess mit das Wichtigste, und natürlich auch für uns ein sehr großes Thema, mit dem wir uns jeden Tag beschäftigen. Obwohl wir diesen Prozess mit unserer Lösung wesentlich transparenter und so datensparsam wie möglich gestalten, ist der Datenschutz aber immer noch das absolut kritischste Element. Wir haben ein ausgeklügeltes Datenschutzkonzept und unser Produkt erfolgreich diversen datenschutzrechtlichen Anforderungsprüfungen unterzogen.

Welche Bedeutung hat für essentry der Fachkräftemangel, der in der Sicherheitsbranche nach wie vor ein großes Thema ist?

Dr. Dennis Lips: Auch in der Sicherheitsbranche gilt, die Digitalisierung ermöglicht es, Prozesse zu beschleunigen und die knappen Fachkräfte auf die persönliche Interaktion mit den Kunden zu fokussieren. So hat das digitale Einchecken mit einer mobilen Boardkarte auf dem Smartphone in den letzten Jahren den papierbasierten Prozess gänzlich abgelöst und das Bodenpersonal der Airlines entlastet. Sie können sich nun persönlich um die besonderen Anforderungen der Passagiere kümmern.

Deshalb sind Sicherheitsfirmen und Gebäudedienstleister unsere strategischen Partner. Durch den Einsatz von essentry können wir analog zum Check-In Prozess am Flughafen eine automatisierte Lösung bereitstellen und das Empfangspersonal so von monotonen Aufgaben entlasten. Der Besucher und die Sicherheit stehen so wieder im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit.

Darüber hinaus können wir wertvolle Daten über Besuchszeiten und -ströme erheben, Analysen fahren und automatisierte Vorschläge zur besseren Steuerung für unsere Kunden aufbereiten. Das Reporting ist in Echtzeit über ein Business-Itelligence Tool in dem essentry Portal abrufbar und liefert wichtige Grundlagen, um die Empfangsprozess zu optimieren. Dies führt zu verkürzten Wartezeiten und einem positiven Empfangserlebnis. Generell ist es uns wichtig, dass Nutzererlebnis so angenehm und individuell wie möglich zu gestalten. Deswegen spielt bei all unseren Entwicklungen ein nutzerzentrierter Ansatz die zentrale Rolle. Ein positiver Nebeneffekt für unsere Kunden ist, dass wir ihnen helfen, ihren Digitalisierungsanspruch zu unterstreichen – und das direkt am Eingang.

Christian Böhlke: Auch außerordentliche Herausforderung während Corona, wie die Fiebermessung und die Verifikation von Impfzertifikaten als Zutrittsvoraussetzung bedeutete für viele Betreiber, noch mehr Personal bereitstellen zu müssen. Wir konnten diese zusätzlichen Anforderungen technologisch lösen und in unser Produkt als zusätzliches Feature integrieren.

Dr. Dennis Lips: Unser Produkt ist flexibel und modular aufgebaut. Wir haben vom kleinen Start-up bis zum global tätigen Rechenzentrumsbetreiber die gesamte Bandbreite an Unternehmen als Kunden. Und natürlich sind die entsprechenden Anforderungen sehr unterschiedlich. Für ein normales Bürogebäude brauchen Sie nicht unbedingt die Hochsicherheitszutrittslösung, für ein Krankenhaus oder ein Rechenzentrum dagegen schon. Deshalb müssen wir unsere Lösung für jeden Kunden so aufbauen, dass sie zu dessen Prozessen und Anforderungen passt. Und weil das so ist, können wir eben auch schnell neue Funktionalitäten hinzufügen, etwa Fingerprint oder Handvenenerkennung.

Wie sieht es mit der Einbindung bereits bestehender Zutrittskontrollsysteme aus?

Christian Böhlke: Wir agieren „nur“ als vorgelagerte Schnittstelle zwischen dem Besucher und dem Zutrittskontrollsystem unserer Kunden. Die gängigsten Systeme auf dem Markt haben wir bereits integriert, sodass auch unterschiedliche Gebäude mit diversen Zutrittskontrollsystemen (mit sowohl Hard- als auch Softwarelösungen) im essentry Standardmodul bereits angebunden werden können.

Einer unserer Kunden ist beispielsweise weltweit aktiv, und in jeder Region waren die Prozesse ein wenig unterschiedlich. Mit essentry sind die Unternehmensstandards jetzt überall vereinheitlicht, und es ist sichergestellt, dass sie auch eingehalten werden. Das ist auch für die Besucher ein Vorteil, denn sie werden nicht mehr an jedem Standort mit unterschiedlichen Abläufen konfrontiert.

PROTECTOR: Wo sehen Sie essentry in Zukunft?

Dr. Dennis Lips: Was die Zutrittskontrolle betrifft, wollen wir in der Rechenzentrums-Industrie, aus der wir kommen, und in der wir die Prozesse am besten kennen, noch in diesem Jahr das führende Unternehmen werden. Denn es gibt auf dem Markt einfach kein vergleichbares System. Deshalb sind wir auch davon überzeugt, dass wir in Zukunft in weiteren Bereichen der Kritischen Infrastrukturen Fuß fassen werden.

Unser Ziel ist, unsere Lösung so weiterzuentwickeln, dass jeder – vom KMU bis zum DAX-Konzern – mit der Technologie von essentry seine Zutrittsprozesse sichern kann. Dabei haben wir den Anspruch, das Nutzerlebnis kontinuierlich zu verbessern und durch unsere Technologie wieder mehr Raum für die persönliche Interaktion zu schaffen.

Wie gesagt, sehen wir uns als das Unternehmen, um Identitäten so sicher und effizient wie möglich zu verifizieren. Hierzu entwickeln wir gemeinsam mit unseren Partnern und Kunden bereits eine Vielzahl von weiteren Anwendungsmöglichkeiten. So wollen wir mittel- und langfristig zu einem bedeutenden Unternehmen im Hochsicherheitsbereich werden.

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