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Öffentliche Sicherheit 3. November 2022

Neue Einsatzkonzepte: Kein Berufsverbot für Schutzhunde

Die Tierschutz-Hundeverordnung hat für Verwirrung im Schutzhundwesen gesorgt. PROTECTOR fragt nach: Gibt es ein „Berufsverbot“? Wie sehen neue Einsatzkonzepte aus?

Steht das Schutzhundwesen vor dem Aus? Gibt es ein „Berufsverbot“ für diese Tiere? Wie sehen neue Einsatzkonzepte aus? PROTECTOR fragt nach. 
Steht das Schutzhundwesen vor dem Aus? Gibt es ein „Berufsverbot“ für diese Tiere? Wie sehen neue Einsatzkonzepte aus? PROTECTOR fragt nach. 

PROTECTOR berichtete im Frühjahr über die neue Hundeschutzverordnung, die seit Jahresanfang auch bei Schutzhunden den Einsatz von Stachelhalsbändern sowie schmerzhafter Mittel bei der Hundeausbildung und im Einsatz verbietet; Fachleute sprachen von einem möglichen Ende des Schutzhundewesens, befürchteten  gar ein „Berufsverbot“ für diese Hunde. Die Verordnung führte zu einer großen Verunsicherung bei Hundeführern und Hundeschulen, nicht nur in Behörden, sondern auch in der Sicherheitswirtschaft. Viele Polizeibehörden und die Sicherheitswirtschaft hatten daher ihre Schutzhunde nicht mehr im Einsatz verwendet.  Nun werden sie aber weiter eingesetzt – doch Fragen bleiben. PROTECTOR hat in etlichen Bundesländern und in der Sicherheitswirtschaft nachgefragt.

Die neue Tierschutz-Hundeverordnung regelt die Ausbildung von Polizeischutzhunden – und wird derzeit heftig diskutiert.
Ausbildung von Polizeischutzhunden
Am 1. Januar 2022 ist eine neue Tierschutz-Hundeverordnung in Kraft getreten – mit Auswirkungen auf die Ausbildung von Polizeischutzhunden.

Schutzhunde werden weiterhin eingesetzt

Fast alle Polizeibehörden scheinen sich mit der neuen Gesetzeslage abzufinden, weil die Schutzhunde „für die tägliche Arbeit der Polizei und den Schutz der Bevölkerung unverzichtbar seien und umgehend wieder eingesetzt werden müssen“. Die Forderungen nach Ausnahmen von der Verordnung sind verstummt. Einzige Ausnahme ist Brandenburg: Innenminister Michael Stübgen hält trotz Kritik an Stachelhalsbänder für Polizeihunde fest.

  • Niedersachsen und Bremen: Als Konsequenz werden Polizeihunde in Niedersachsen und Bremen bei bestimmten Großlagen nicht mehr eingesetzt. So bei Fußballspielen und Demonstrationen. In Einsatzlagen mit gewalttätigen Auseinandersetzungen, in denen die Trieblage und der Stresslevel der Tiere sehr hoch sind und diese auf Hörzeichen kaum reagieren, sollen sie zukünftig nicht mehr als Schutzhunde eingesetzt werden. Das Aus- und Fortbildungskonzept an den Hundeschulen ist demnach verändert worden, ein Schutzhund wurde bislang verkauft. „Außerdem sind bereits die Ankaufkriterien für den Erwerb von Welpen und Junghunden umgestellt worden“, sagte eine Sprecherin dem Innenministerium in Hannover. „Eingestellt werde auch der Ankauf von älteren Hunden, die bereits mit Stachelhalsbändern ausgebildet wurden. Eine „Umgewöhnung“ der Hunde ist wenig erfolgversprechend.“ Bremen prüft den Aufbau einer eigenen Hundezucht. Das Innenministerium in Hannover teilte mit Verweis auf die vielen Einsatzmöglichkeiten der Vierbeiner mit: „Hunde sind in der Gesamtheit immer noch das flexiblere Einsatzmittel!“
  • Schleswig-Holstein: Wie der Pressesprecher Matthias Felsch vom Landespolizeiamt in Kiel mitteilt, werden die meisten Schutzhunde im nördlichsten Bundesland weiter Verwendung finden. „Stachelhalsbänder kamen in der Vergangenheit vereinzelt als letztes Mittel in der Ausbildung eines Schutzhundes zum Einsatz, wenn dessen Ansprechbarkeit durch den Hundeführer einer Extremsituation nicht mehr gegeben war. Im Einsatz wurde dieses Hilfsmittel in der Regel nicht genutzt.“ Die große Mehrheit der Polizeihunde könne auch weiterhin als Schutzhund eingesetzt werden. Deshalb sieht die Landespolizei SH die Ausbildung von Schutzhunden nicht generell als gefährdet an. Felsch weiter: „Zunächst erfolgte eine Überprüfung der Hunde, bei denen aufgrund der neuen Rechtslage auf spezielle Halsbänder verzichtet werden musste. Jeder Hund wurde getestet, sodass wir feststellen können: Die große Mehrheit der Hunde kann als Schutzhunde eingesetzt werden.“ Die Prüfungsordnung für die Hundeführer wurde geändert: Der Hundeführer kann jetzt bei der Prüfung und somit auch im Einsatz an den Hund herantreten, wenn dieser nicht vom Täter ablässt.
  • Hamburg: Laut Polizeipressesprecher Florian Abbenseth setzt die Polizei Hamburg ein arretierendes Gliederhalsband bei Schutzhunden ein. Man prüfe, ob es sich in der Zukunft bewährt.
  • Mecklenburg Vorpommern und Sachsen-Anhalt: Die Schutzhunde in MV legten eine Zwangspause ein. Eine Prüfung auf Verwendbarkeit bestehe noch. Ergebnisse liegen nicht vor. Sachsen-Anhalt prüft neue Methoden der Ausbildung
  • Berlin: Berlins neue Innensenatorin Iris Spranger hat kürzlich entschieden: Die verschärfte Verordnung betreffe nur die Ausbildung, Erziehung und Training der Schutzhunde. Ihr Einsatz sei deshalb weiterhin möglich. Allerdings müsse geklärt werden, wie deren Ausbildung in Zukunft durchgeführt werden muss.
  • Nordrhein - WestfalenIn NRW bleiben die Diensthunde auch nach der Änderung der VO im Einsatz. „Die Polizei NRW verzichtet bei der zentralen Fortbildung bereits seit mehreren Jahren erfolgreich auf den Einsatz von Stachelhalsbändern“ sagt Polizeisprecher Markus Niesczery. Insbesondere bei Hunden aus der landeseigenen Zucht sei eine Aus- und Fortbildung mit positiver Verstärkung regelmäßig erfolgreich. Niesczery weiter: „Nur bei einer sehr geringen Anzahl von Schutzhunden muss eine Überprüfung auf Verwendbarkeit vorgenommen werden. Fälle von Ausmusterung seien noch nicht bekannt“.
  • Baden – Württemberg und Bayern: Anlässlich einer Kleinen Anfrage im Landtag erklärte die Regierung Ende April, dass 363 Schutzhunde im Einsatz seien. Ab Gesetzeskraft der Verordnung wurde auf die Verwendung von Stachelhalsbändern oder schmerzhafter Mittel bei der Hundeaus- und -fortbildung verzichtet. Man rechne mit einer Nichtverwendung von Schutzhunden, dazu wurde keine konkrete Aussage getroffen. Die Bayerische Polizei analysiert die Auswirkungen der Verordnung auf die Schutzhundeausbildung und die Verwendung. Eine Auflösung des bayerischen Schutzhundewesens ist nicht geplant.
  • Sicherheitswirtschaft: Vom Verbot der neuen Verordnung waren besonders Schutzhunde bei Bewachungen von militärischen Liegenschaften betroffen. Außer einer berufsgenossenschaftlichen Richtlinie der BGV C7 / DGUV 23 (Arbeitsschutz) und Prüfungen sowie Befähigungsnachweis durch den Bundesverband der Wach- und Diensthunde liegen bei der Qualifikation von Hundeführern und dem Einsatz von Schutzhunden keine gesetzlichen Bestimmungen vor. Dadurch ist „Wildwuchs“ entstanden, weil Kunden zum Schutz von Liegenschaft und Objekten keine Nachweise der Qualifikationen verlangen. Hier sei die Frage erlaubt, ob eine Regelung in ein zukünftiges Sicherheitsgewerberecht aufgenommen werden muss.
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Klaus Kapinos, ehemaliger  Geschäftsführer des Studiengangs Sicherheitsmanagement an der Hochschule der Polizei Hamburg und Fachautor
Interessenskonflikt: Schutzhundwesen vor dem Aus?
Über das Schutzhundwesen wird heftig gestritten. Den Interessenskonflikt zwischen Tierschutz und Sicherheitswirtschaft/Polizei kommentiert Klaus Kapinos.

Interessenskonflikt aufgelöst – Einsatzkonzepte umschreiben

„Es wird nicht so heiß gegessen, wie es gekocht wurde“. Diese Weisheit hat sich mal wieder gezeigt. Fast alle Stakeholder des Schutzhundewesens haben sich mit den rechtlichen Bestimmungen arrangiert, werden aber ihre Einsatzkonzepte umschreiben müssen.

Klaus Kapinos für PROTECTOR

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