Seit dem 24. April 2011 gilt die neue europäische Bauproduktenverordnung (BPV, englisch: Construction Product Regulation, CPR) Nr. 305/2011. Dazu gibt es eine Berichtigung der deutschen Version vom 12. April 2013. Mit dieser Verordnung werden auf europäischer Ebene erstmals Kabel und Leitungen – und dazu gehören auch Datenkabel – als Bauprodukte brandschutztechnisch klassifiziert. Zuvor wurde das Brandverhalten von Kabeln und Leitungen fast ausschließlich nach DIN VDE beurteilt. Diese Prüfungen sind mit denen der BPV aber nicht vergleichbar.
Leistungserklärungen
Die BPV-Klassifizierungstabelle umfasst sechs Klassen von A bis F. Diese werden anhand der Kriterien Wärmefreisetzung und Flammenausbreitung vergeben. Für die Zusatzanforderungen wie Rauchentwicklung (s), Azidität (a) und brennendes Abtropfen (d) gibt es jeweils drei zusätzliche Klassen.
Wesentliche Teile der neuen BPV traten – Artikel 68 entsprechend – am 1. Juli 2013 in Kraft. Die Hersteller und Verwender von Bauprodukten hatten somit eine mehr als zweijährige Übergangszeit, die mit der Verordnung verbundenen Änderungen umzusetzen. Zu diesen Änderungen gehört auch die Verpflichtung für die Hersteller, in einer Leistungserklärung zu jedem Produkt unter anderem die Stufen oder die Klassen zur Beurteilung des Brandschutzes für Bauwerke anzugeben.
Verzögerungen
Für Kabel und Leitungen sind diese Leistungserklärungen zum Stichtag 1. Juli 2013 jedoch nicht realisierbar. Der Grund dafür ist, dass die entsprechenden DIN EN-Standards noch nicht gültig sind.
Bei diesen Standards handelt es sich erstens um die DIN EN 50575 (VDE 0482-575:2012-07) „Starkstromkabel und -leitungen, Steuer- und Kommunikationskabel – Kabel und Leitungen für allgemeine Anwendungen in Bauwerken in Bezug auf die Anforderungen an das Brandverhalten“. Die zweite relevante Norm ist der Entwurf der DIN EN 13501-6:2011-11 „Klassifizierung von Bauprodukten und Bauarten zu ihrem Brandverhalten – Teil 6: Klassifizierung mit den Ergebnissen aus den Prüfungen zum Brandverhalten von elektrischen Kabeln“.
Die Umsetzung der in der neuen Bauproduktenverordnung verlangten Leistungserklärungen wird in den nächsten Monaten auch deshalb nicht möglich sein, weil die von den Mitgliedsstaaten benannten Prüf- und Anerkennungsstellen, zum Beispiel der VDE in Offenbach, erst nach der Einführung der oben genannten DIN EN 50575 akkreditiert werden können. Es gab zu diesem Normentwurf aber wiederholte Einsprüche, wodurch sich die Einführung immer wieder verzögert. Im günstigsten Fall könnte die Norm Ende des Jahres 2013 verabschiedet werden.
Wenn es die neuen Normen für Kabel und Leitungen erst einmal gibt, dann müssen sich nicht nur die nationalen Normungsgremien sondern auch die Bundesländer (Baurecht) und die Sachversicherer (VdS-Richtlinien) Gedanken darüber machen, welche Kabel mit welchen Brandschutzeigenschaften sie bestimmten Gebäudearten und -teilen zuordnen, also was wo installiert werden soll. Die Kabelindustrie hat dazu bereits einen Vorschlag erarbeitet, der bestimmte Brandschutzklassen in Abhängigkeit vom Sicherheitsbedarf verschiedener Gebäudearten und -teile definiert (Gebäudeklassenzuordnung).
Dätwyler gibt den Verantwortlichen drei Tabellen an die Hand, die ihnen zumindest eine Orientierung über die aktuellen Anforderungen gibt, und die zugleich als ein „Bindeglied“ zwischen den bisher gültigen Bestimmungen und den zukünftigen Anforderungen dienen können.
Die Tabelle 1 listet einzelne Kabeltypen – Energie- und Datenkabel – und zeigt ihre Klassifizierung im Entwurf der DIN EN 13501-6:2011-11 sowie ihre entsprechende „Baustoffklasse“ gemäß DIN 4102.
Die Tabellen 2 und 3 geben einen Überblick über die geltenden baurechtlichen Mindestanforderungen und die jüngsten Vorschläge der Kabelindustrie. Zusätzlich sind in beiden Tabellen die bestehenden Anforderungen an das Brandverhalten von Kabeln und Leitungen mit aufgeführt, wie sie zuletzt in der DIN VDE 0100-420 vom Februar 2013 und der VdS-Richtlinie Kabel und Leitungen VDS 2025 definiert wurden.
Orientierungshilfe
Diese Zuordnung sollte nur als eine Orientierungshilfe verstanden werden. Eine pauschale Vergleichbarkeit der bisher vom VDE als „Kabel mit verbessertem Verhalten im Brandfall“ beschriebenen Typen zu den zukünftigen europäischen Klassifizierungen ist nicht möglich. Denn die Kabel sind normalerweise nicht nach DIN 4102-1 klassifiziert.
Auch können Kabel, die aus den gleichen Werkstoffen bestehen, aufgrund verschiedener Dimensionen völlig unterschiedliche Brandeigenschaften aufweisen – man denke hier nur an ein N2XH mit 30 mal 1,5 Quadratmillimetern und an denselben Typus mit einem mal 300 Quadratmillimetern.
Dennoch können diese Vergleiche hilfreich sein. Sie ermöglichen es jedem, selbst zu entscheiden, welche Produkte er in der Übergangsphase einsetzen will oder sollte. Nach Baurecht besteht für die meisten Gebäudearten und -klassen die Mindestanforderung, dass die Kabel „normal entflammbar“ sind.
Das entspricht der bisherigen DIN-Anforderung B2 und der zukünftigen EU-Anforderung ECA. Doch wenn man einen Versicherer finden will, sollte man sich vielleicht lieber nicht für das billigste PVC-Kabel entscheiden sondern für ein Produkt, das wenigstens halogenfrei und raucharm ist, wie es bisher auch vom VDE empfohlen wurde. Die Preisunterschiede sind häufig gar nicht groß.
Bei den Datenkabeln, deren Bauarten nur wenige Varianten aufweisen, lassen sich nach dem derzeitigen Stand schon recht gute Prognosen zur neuen Klassifizierung machen. Gerade in Rechenzentren werden seitens des Kabelverbandes, der Sachversicherer und der DIN VDE 0100-420 schon immer besondere brandschutztechnische Anforderungen an die dort eingesetzten Kabel und Leitungen gestellt.
Eigene Untersuchungen zeigen, dass die meisten CU-Datenkabel-Konstruktionen von Dätwyler im Bereich der kunststoffisolierten Kabel die bestmögliche Klassifizierung erreichen.
Peter Pardeyke, Produktmanager Fire Safety & Building Automation bei der Dätwyler Cables GmbH