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Konvergenz der Gewerke

Die Zeit der Inseln scheint vorbei – auch für die Videoüberwachung, die lange Zeit als isoliertes System in Unternehmen ein eher unbehelligtes Dasein führte. Doch immer häufiger findet sich Videotechnik heute als Bestandteil integrierter Gesamtlösungen, in denen auch Zutrittskontrolle, Brandmeldeanlage und Gebäudetechnik vereint werden. Welche Chancen das bietet und wie weit das Verschmelzen in Zukunft gehen könnte, war deshalb auch Thema des diesjährigen PROTECTOR Forums Videoüberwachung.

Die Kraft der Konvergenz zeigte sich auch unmittelbar während der Veranstaltung: Der inhaltliche Tenor vom Zusammenwachsen wirkte sich sogleich auf die Form aus und ließ die Teilnehmer nahtlos den Punkt Standardisierung mit der Integration verbinden. Dabei wurde deutlich, dass diese Themen einige Berührungspunkte besitzen und Standards und Schnittstellen nicht umsonst als Voraussetzung für wirksame Integration gelten.

Triebfeder des Verschmelzens ist die gemeinsame Technologie – mit IP-Technik als Grundlage liegt es nahe, dass sich der Trend weiter verstärken wird. So sieht es auch Martin Scherrer von Siemens: „Es begann damit, dass IT und Video immer stärker zusammenwuchsen, jetzt weitet sich das gewerkeübergreifend aus, weil immer mehr Komponenten und Systeme IP-basiert arbeiten. Es gibt zunehmend auch ein Verschmelzen von Zutritt und Video, in Deutschland kommt man hierbei eher aus Richtung Video, in den USA eher aus Richtung Zutritt. Das Stichwort lautet in Zukunft noch viel häufiger Interoperabilität.“

„Ich frage mich, wie sich die Rolle des Videomanagements bei zunehmendem Verschmelzen von Gewerken verändern wird. Ist man in der Lage, bei großen Projekten noch mehr Funktionalitäten aufzunehmen – auch aus der Zutrittskontrolle oder Gebäudetechnik? Oder wird womöglich künftig ein Gebäudemanagementsystem einfach die Videofunktionen mit einbinden?“
Bertrand Völckers, Regional Business Development, Central Europe, Flir Commercial Vision Systems

„Man muss sich als Anbieter fragen, wer ist unser Partner von morgen? Wir reden einerseits von den klassischen Installateuren aus der Brandmelde- oder Videotechnik, die sich teilweise immer noch mit der IP-Technik schwertun und andererseits über IT-Häuser, für die Netzwerke ein Klacks sind, die aber kaum Erfahrung mit Sicherheitstechnik haben. Man hat also trotz Verschmelzen zwei Kundenkreise, die man beide supporten muss.“
Ralf Balzerowski, Country Manager DACH, Samsung Techwin Ltd.

Diese Entwicklung findet Stephan Beckmann von Tyco einleuchtend und durchaus vorteilhaft: „Ich bin als Produktmanager für Video und Zutrittskontrolle zuständig, weil für uns ganz klar ist, dass diese beiden Systeme zusammengehören. In unserem Konzern haben wir drei Zutrittskontrollmarken und diverse Videoprodukte, die alle miteinander integriert werden. Den Weg der Integration sehen wir konzernübergreifend, weil das eine Notwendigkeit ist, damit alle nötigen Bausteine in einem Sicherheitssystem zusammenarbeiten können – denn das sind die Anforderungen des Marktes.“

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Schlüssel zum Verschmelzen

Den Schlüssel für gelungene Integration sieht Dr. Magnus Ekerot von Mobotix ebenfalls in der Verbreitung von IP-Lösungen: „Durch die IP-Technik wird es viel einfacher, Gewerke systemtechnisch zusammenzuführen, denn man ist sich schon bei der Basis einig. Die IP-Videotechnik wird in Zukunft als ein Teil des gesamten Netzwerks mit eingebunden sein. Und ich bin davon überzeugt, dass auch die Zutrittskontrolle diesen Weg geht. Das wird die Möglichkeit ergeben, alle miteinander zu verknüpfen, egal ob man nun Hardware oder Software herstellt.

Hier spielen vielleicht auch Onvif oder PSIA eine Rolle, wenn es darum geht, die Systeme zu verbinden.“ Schnittstellen sind tatsächlich enorm wichtig, um „die Säulen eines Sicherheitssystems“ wirkungsvoll zu verknüpfen, wie Hardo Naumann von Accellence findet: „Die einzelnen Systeme sollten offene Schnittstellen zu den anderen Gewerken haben. Denn prinzipiell gibt es in einem Gesamtsystem die verschiedenen Säulen für Video, Alarm, Brand und Zutritt – und darüber agiert ein übergreifendes Managementsystem, das diese Gewerke mit einer gewissen Logik verwaltet. An einer vernünftigen Integration führt also kein Weg vorbei, wenn verschiedene Gewerke miteinander zusammenarbeiten sollen.“

Die übergreifende Sicht der Managementebene stellte Harald Zander von Milestone dar: „Wir bieten eine offene Schnittstelle zu jedem, der sie benötigt. In der Regel ist es ja so, dass beim Kunden zunächst eine Anforderung entsteht – er hat einen gewissen Baukasten vor Augen und packt sich die Dinge zusammen, die er benötigt. Video ist da oft so etwas wie ein Vehikel; oder eben ein Instrument, das gewisse Anwendungen ermöglicht. Da kommen viele Themen auf, die nicht in erster Linie mit Überwachung zu tun haben. Es kann ja sein, dass der Anwender im Retail-Bereich Kundenströme messen will. Oder aber er verwendet Video als Kriterium, um seine eigenen Prozesse im Objekt zu steuern. Für solche Anwendungen bietet man als Softwarehersteller eine Plattform auf IP-Basis an, die sich in viele Richtungen öffnet und Integrationsmöglichkeiten bereitstellt.“

Im Großen wie im Kleinen

Der Anwender profitiert also von dem Verschmelzen der Systeme, denn so sind auf einfache Art und Weise komplexe Anforderungen zu erfüllen, die vorher kaum realisierbar waren oder für die ein immenser Integrationsaufwand getrieben werden musste. Aber nicht nur das komplexe Großprojekt kommt in den Genuss der Vorteile einer übergreifenden Interoperabilität, auch im Kleinen kann sich das auszahlen, wie Stephan Beckmann weiß: „Es muss nicht immer das Großprojekt sein.

Solche Lösungen funktionieren auch in einem Büroumfeld mit drei Türen oder als Anwendung in Wohnhäusern, wo die Bewohner ein Bild auf ihren Tablet-PC oder ihr Smartphone gesendet bekommen, sobald jemand an der Tür klingelt. Egal, ob man dazu eine intelligente Türsprechanlage nutzt oder eine Kombination aus verschiedenen Produkten, das alles ist heute zu Kosten verfügbar, die für Privatanwender erschwinglich sind. Man muss nicht in Hunderttausender- oder Millionen-Projekten denken.“

Und Martin Scherrer gibt sogleich ein konkretes Beispiel: „In der Gebäudetechnik bieten wir schon länger ein kleines System an, das an Intrusionstechnik und auch an Video angeschlossen ist. Wenn zu Hause beim Anwender die Tür aufgebrochen wird, bekommt er eine Meldung auf sein Handy. Da sind drei Disziplinen in einer ganz einfachen Installation bereits vereint. In großen Lösungen geht es natürlich noch um viel mehr, da wird beispielsweise gezählt, wie viele Personen im Raum sind, oder berechnet, wann die Klimaanlage geregelt werden muss. Das ist eine ganz andere Ebene, die auch die Haustechnik mit einbezieht.“

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