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Bürgenstock Resort 28. August 2017

Kontrolliert gesteuert

Auf dem Bürgenstock entsteht ein neues Resort. Die luxuriöse Anlage wird ab Sommer 2017 Touristen von nah und fern auf den Berg am Vierwaldstättersee locken. Gekühlt und geheizt wird mit Energie aus dem See – rund 300 Quadratmeter Wasser werden dafür pro Stunde auf den Berg gepumpt.

Zur luxuriösen Anlage auf dem Bürgenstock gehören mehrere Fünf-Sterne-Hotels.
Zur luxuriösen Anlage auf dem Bürgenstock gehören mehrere Fünf-Sterne-Hotels.

Gesteuert wird die Seewassernutzung mit der Gebäudemanagementplattform Desigo CC von Siemens. Nach dem Bau des ersten Hotels im Jahr 1873 und in den darauf folgenden Jahrzehnten entwickelte sich auf dem Bürgenstock ein erfolgreiches Zentrum für Gastronomie und Tourismus. Während der Blütezeit des Resorts nach dem zweiten Weltkrieg entdeckte die Prominenz aus Politik, Wirtschaft und Gesellschaft das Bürgenstock Resort für sich. Um den Jahrtausendwechsel änderten die Besitzverhältnisse mehrfach, bis 2008 die Katara Hospitality – eine Tochtergesellschaft des Staatsfonds Qatar Investment Authority – die Hotels und zahlreiche weitere Gebäude übernahm. Die neuen Besitzer haben rund 550 Millionen Franken investiert. Damit realisiert die Katara Hospitality ein autofreies Resort mit vier Hotels mit drei bis fünf Sternen, insgesamt 800 Betten, 68 Suiten und einem 10.000 Quadratmeter grossen Alpine Spa. Die Räume des Konferenzzentrums bieten Platz für mehr als 800 Gäste, dazu gehören 31 Sitzungszimmer und ein Ballsaal für 500 Personen.

Energieversorgung aus dem See

Damit die Energieversorgung mit der Vergrösserung und Modernisierung der Anlage Schritt halten kann, wurde als Herzstück des Resorts eine neue Energiezentrale gebaut. Diese verknüpft fast 130-jährige Tradition mit neuester Technik: Wie schon 1888 wird das Wasser des Vierwaldstättersees vor Kehrsiten gefasst und auf den Bürgenstock gepumpt. Damals diente dies der Trinkwasserversorgung, heute ist das Seewasser Energiequelle für das Resort. Das Prinzip ist einfach: Wärmepumpen gewinnen die Energie aus dem Seewasser, die zum Heizen der Gebäude genutzt wird.

Neue, leistungsstarke Pumpen befördern 78 Liter Wasser pro Sekunde auf den Berg, der Höhenunterschied beträgt 500 Meter. Auf dem Bürgenstock dient das alte Frischwasserreservoir als «Speichersee», von wo aus das Wasser weiter in die Energiezentrale geleitet wird. Wärmepumpen mit 1,3 Megawatt Leistungsspitze erwärmen das Wasser im System – je nach Aussentemperatur – auf 45 bis 55 Grad Celsius. Dieses wird auf die verschiedenen Bauten verteilt und dort auf zwei Arten genutzt: einerseits direkt für die Heizungen, andererseits ist es Energiequelle für die Wärmepumpen der Gebäude, die das Brauchwasser auf 65 Grad Celsius erhitzen. Dieses zweistufige System hat einen guten Grund: Würde 65 Grad heisses Wasser verteilt, wäre der Energieverlust beim Transport wesentlich höher als bei 45 bis 55 Grad und die Leistungszahl (COP) der Wärmepumpen entsprechend tiefer. Für die Kühlung wird das Seewasser direkt genutzt. Denn 37 Meter unter der Wasseroberfläche liegt die Temperatur während des ganzen Jahres bei kalten fünf bis sieben Grad. So deckt das Seewasser 70 bis 90 Prozent des Wärmebedarfs und übernimmt die ganze Kühlung. Das genutzte Wasser wird wieder in den See geleitet. Dabei fliesst es durch eine Turbine, die einen Teil der Energie zurückgewinnt, die zum Hochpumpen des Wassers verwendetet wird.

Umfassende Gebäudeautomation mit hoher Sicherheit

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Gesteuert wird die Energiezentrale mit Systemen von Siemens. Thomas Guebey, Teamleiter Kundendienst und Gesamtleiter der Siemens-Projekte auf dem Bürgenstock, erzählt: «Es ist ein riesiges Projekt, bei dem die Sicherheit von Anlagen und Personen sowie eine unterbruchsfreie Versorgung vorrangig waren.» Das Seewasser bewegt sich in einem fast geschlossenen System, nur für die Bewässerung der Grünanlagen wird Wasser entnommen. «Die Sicherheit ist nicht mehr gewährleistet, wenn irgendwo ein Schieber defekt ist, ein Rohr bricht oder sich Überdruck entwickelt. Deshalb erfassen wir an allen wichtigen Stellen ständig Daten.» Diese werden in der Gebäudemanagementplattform Desigo CC gesammelt und aufgezeichnet. Dazu Guebey: «Stimmen die Werte nicht, schaltet das Siemens-System automatisch ab und meldet dies den Verantwortlichen.»

Doch nicht nur Heizung und Kühlung werden mit Desigo CC gesteuert, überwacht und visualisiert. «Lüftungen, Sanitäranlagen, Raumautomation sowie Beleuchtung und Sicherheit des Areals sind ebenfalls integriert», erklärt Guebey. Das System erfasst Störmeldungen der Elektroanlagen, Messdaten aus der Energieversorgung und erteilt übergeordnete Befehle an Storen oder Lichtanlagen. Die Sinamics-Frequenzumrichter von Siemens tragen zu einem bedarfsabhängigen und ökologischen Betrieb der Gebäudetechnik bei und sorgen im Zusammenspiel mit anderen Gewerken dafür, dass im richtigen Mass geheizt, gekühlt oder belüftet wird. Dank der durchgängigen Systemstruktur sind die einzelnen Komponenten ideal aufeinander abgestimmt und über die Gebäudemanagementplattform einfach und intuitiv zu bedienen. Für die Sicherheit auf dem Areal sorgen Videoüberwachungssysteme von Siemens. «Dank dieser Lösung aus einer Hand kann auch das Ersatzteillager klein gehalten werden», ergänzt Guebey.

Im Gegensatz zu den Hotels ist die Energiezentrale bereits in Betrieb. Im eigens dafür errichteten Gebäude befindet sich auch die Leitzentrale mit dem dazugehörigen Rechnerraum. «Die ersten Erfahrungen sind sehr gut», sagt Guebey: «Seit der Inbetriebnahme im Januar 2016 musste der technische Dienst nur einige „Kinderkrankheiten“ beheben.» Der grösste Teil davon waren fehlerhafte Störungsmeldungen der Steuerungen oder fehlerhafte Schieber, die ersetzt werden mussten. «Seit Februar 2016 läuft alles fast fehlerfrei», freut sich Guebey. Die Gebäude werden nun nach und nach angeschlossen. Auf Volllast getestet wurde die Energiezentrale noch nicht, auch im sehr kalten Januar 2017 lief sie nur auf etwa einem Fünftel der maximalen Leistung.

Riesiges Potenzial

Auch das Wasser anderer Seen wird als Energiequelle genutzt. Schon seit 30 Jahren kühlt Siemens die Gebäude am Hauptsitz der Division Building Technologies (BT) in Zug mit Wasser aus dem Zugersee. Beim neuen Siemens-Campus, der im Sommer 2018 eröffnet wird, setzt das Unternehmen ebenfalls auf diese umweltfreundliche Energieversorgung (siehe Kasten 2). Der ungleich grössere Vierwaldstädtersee bietet entsprechend ein riesiges Potenzial für die Seewassernutzung: Er könnte jedes Jahr 2‘900 Gigawattstunden (GWh) Energie liefern. Zum Vergleich: Der Wärmebedarf von 100´000 Einwohnern beträgt 700 bis 900 GWh. Der See könnte also die ganze Region mit Energie versorgen. Dank Siemens-Produkten wärmt und kühlt er vorerst die Gebäude des Bürgenstock Resorts.

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