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Kommunales Sicherheitsmanagement

Urbane Sicherheit ist auf der Agenda der Kommunen angekommen. Wie das kommunale Sicherheitsmanagement in Essen aussieht, beschreibt Teil 1 des Beitrags.

Ein kommunalen Sicherheitsmanagement bewirkt, dass urbane Sicherheit in Kooperation mit verschiedenen Beteiligten umgesetzt wird. Denn in Medien und Politik ist die Sicherheit heute in aller Munde. In der Öffentlichkeit beruft man sich auf sie, und die politischen Entscheidungsträger werden nicht müde, von ihr zu reden: Man bedauert, dass sich das Unsicherheitsgefühl verschärfe; man doziert, dass Sicherheit die wichtigste Freiheit sei, so der Autor Frederic Gros im Vorwort seines Buches ‚Die Politisierung der Sicherheit‘. Und unter Bezugnahme auf zahlreiche Meinungsumfragen stellt man fest, dass die Sicherheit zusammen mit Klimawandel und Arbeitslosigkeit zu den Hauptsorgen der Bevölkerung zählt. Kein Wunder also, dass auch in der kommunalen Politarena der „Produktion von Sicherheit“ ein bedeutender Stellenwert zugemessen wird.

Sicherheit vom Schreibtisch aus

Wenn man die Entwicklung der Sicherheitsverwaltung im kommunalen Raum betrachtet, stellt man fest, dass die Ordnungsverwaltung in den ersten Jahrzehnten des Bundesrepublik „Sicherheit vom Schreibtisch“ aus war. Eine Beschwerde ging ein. Man verschickte einen Anhörungsbogen, machte vielleicht einen Vorort-Termin. Und erließ dann gegebenenfalls eine Ordnungsverfügung. Manchmal folgte noch die Bearbeitung eines Widerspruchs. Die Akte wurde dann geschlossen.

Dieses sicherlich etwas triste und behäbig wirkende – aber immer noch wichtige – Verwaltungshandeln findet heute eine Reihe von Erweiterungen. Längst ist ordnungsrechtliches Handeln im kooperativen Schulterschluss mit vielen Partnern ein wichtiger Pfeiler urbaner Sicherheit geworden. Denn die Beteiligten haben den ungeheuren Wert der unzähligen ordnungsrechtlichen Eingriffsmöglichkeiten zur Bekämpfung eines Sicherheitsproblems erkannt und zu nutzen gelernt.

Nehmen wir nur das Beispiel der „Problemimmobilien“, die in den letzten Jahren immer wieder den Weg in die Medien gefunden haben. Dahinter steht ein perfides Geschäftsmodell. Der Eigentümer der Immobilie sucht sich Mieter, oftmals aus Südosteuropa. Dann beginnt eine systematische Ausbeutung: horrende Mietzahlungen für „Bruchbuden“ bei gleichzeitiger Überbelegung, Vorenthalten von Gas, Wasser und Strom durch Nichtzahlung an die Versorgungsunternehmen, „Unterstützung“ bei der Beantragung von Sozial- und sonstigen Transferleistungen gegen Abtretung eines beträchtlichen Anteils, „Vermittlung“ der Mieter auf den Arbeits- beziehungsweise Straßenstrich. Ein Insider, oder besser gesagt Täter, gestand dem Geschäftsmodell einmal bessere Gewinnmöglichkeiten zu als dem Verkauf von Drogen.

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Abschreckende Wirkung dank kommunalem Sicherheitsmanagement

Auf diesem Feld sind die Ordnungsämter vieler Städte im Ruhrgebiet, aber auch darüber hinaus tätig geworden und zwar so erfolgreich, dass sich in den Kreisen der Täter herumgesprochen haben soll, dass das Gewinnmodell „Problemimmobilien“ nicht länger funktioniert. Durch unzählige Meldeüberprüfungen in den frühen Morgenstunden haben beispielsweise in Essen eine Vielzahl von Ämtern unter der Leitung des Ordnungsamtes und Amtshilfe von Polizei, Zoll und Steuerfandung den Markt regelrecht ausgetrocknet.

Das Zauberwort heißt „Kooperationsmanagement“. Das Ordnungsamt handelt heute nicht mehr alleine. Es sucht sich vielmehr Partner, um gemeinsam die Schlagkraft zu erhöhen. Denn jeder der Partner bringt etwas mit: Zuständigkeiten und damit Eingriffsmöglichkeiten. Wenn das Ordnungsamt, das Bauordnungsamt, das Amt für Wohnungsaufsicht, das Jugendamt, das Jobcenter, die Finanzvollstreckung, die Lebensmittelaufsicht, das Umweltamt und Polizei, Zoll und Steuerfandung sich ein Projekt vorgenommen haben, dann ist erfolgreiches Verwaltungshandeln der kommunalen Ordnungsverwaltung fast schon garantiert.

„Copy and paste“ - gemeinsam insbesondere mit der Polizei haben die Städte dieses Erfolgsmodell auf einen Vielzahl von Kriminalitätsphänomenen übertragen. Mal führt die Polizei wie zum Beispiel bei der Bekämpfung der Clan-Kriminalität, mal führen die Städte.

Bemühungen verstärken

Man fragt sich: Warum die Mühe? Warum haben die Mitarbeiter der Ordnungsämter den Schreibtisch verlassen, warum führen sie zur nachschlafenden Zeit Razzien durch? Warum trimmen sie eine ganze Kommunalverwaltung auf die Verbesserung der Sicherheitssituation in den Städten?

Die Kommunen in Deutschland sind – von Ausnahmen abgesehen – sichere Orte, und das soll auch so bleiben; womit die Hauptmotivation kommunalen Sicherheitsmanagements genannt ist. Die Kriminalität ist im europäischen Vergleich gering. Und doch sind die Bemühungen auf dem Feld der urbanen Sicherheit in den letzten Jahren kontinuierlich gestiegen. Neben vielen Gründen zur Stärkung urbaner Sicherheit nimmt dabei ein Motiv einen immer größeren Stellenwert ein: „Sicherheit als Standortvorteil“. Aber wie muss ein kommunales Sicherheitsmanagement aussehen, damit Unternehmen die Städte als „sichere Städte“ wahrnehmen und in der Folge eine positive Investitionsentscheidung treffen?

<em>These 1</em>: Kommunales Sicherheitsmanagement darf die Kernaufgaben kommunaler Sicherheit nicht vernachlässigen

„Die Mitarbeiter sind die wichtigste „Ressource“ meines Unternehmens. Daher investiere ich in der Stadt, in der meine Mitarbeiter gerne leben“, so die Geschäftsführerin eines großen mittelständischen Unternehmens in einem Gespräch beim Oberbürgermeister der Stadt Essen vor einigen Jahren. Bevor als Kommunalverwaltung über Fragen des Wirtschaftsschutzes intensiv nachgedacht wird, müssen die Basics urbaner Sicherheitsverwaltung geleistet werden. Das sicherheitspolitische Grundrauschen muss stimmen. Stadt und natürlich Polizei müssen die objektive Sicherheit im Gemeinwesen kontinuierlich verbessern und dürfen auch das subjektive Sicherheitsgefühl nicht vernachlässigen. Denn wenn die Mitarbeiter, die ja zugleich auch Bürger sind, die Stadt als unsicher empfinden und angebliche oder wirkliche kriminogene Räume meiden, dann ist der Imageschaden als Wirtschaftsstandort unvermeidlich. Und dann helfen auch große Unterstützungsleistungen auf anderen Feldern der „Economic Security“ nicht wirklich weiter.

Gerade dem subjektiven Sicherheitsgefühl kommt heute eine immer größere Bedeutung zu. Die Richterin am Bundesverfassungsgericht, Evelyn Haas, hat dies einmal wunderbar zum Ausdruck gebracht: „Aus der Freiheit von Furcht erwächst dem Einzelnen die Freiheit zu selbstbestimmten Tun, zur Entfaltung seiner Persönlichkeit und damit seiner Fähigkeiten!“ Nach unserer Rechtsordnung rechtfertigt die Verbesserung des subjektiven Sicherheitsgefühls keine Grundrechtseingriffe. Aber dies macht die Städte nicht handlungsunfähig. Zu nennen ist hier nur das weite Feld der Kriminalprävention, eines der großen gemeinsamen Themen von Stadt und Polizei. Die bauliche Entwicklung von
„Essen 51“ in der Stadt Essen ist ein gutes Beispiel dafür. Auf dem ehemaligen Kruppschen Industriegelände wird ein ganzer Stadtteil neu erschaffen, viele Menschen werden dort wohnen und leben, manche dort auch arbeiten, andere werden von dort zu ihrer Arbeit pendeln. Der Investor, Polizei und Stadt haben die Chance erkannt, dem Thema Sicherheit sozusagen „von der ersten Schüppe an“ einen wichtigen Stellenwert einzuräumen. Mit den Instrumenten der städtebaulichen Kriminalprävention wollen die Partner objektive und subjektive Sicherheit stärken und die gewonnen Erkenntnisse auf andere Stadtteile übertragen. Gewinnt somit die Stadt an Sicherheit, gewinnt auch der Wirtschaftsstandort an Profil.

(Die weiteren Thesen folgen in Ausgabe PROTECTOR 4/2020).

Christian Kromberg, Geschäftsbereichsvorstand Allgemeine Verwaltung, Recht, öffentliche Sicherheit und Ordnung der Stadt Essen

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