Mit dem nunmehr zehn Jahre zurückliegenden Anschlag auf das World Trade Center am 11. September 2001 begann eine neue Zeit im Luftverkehr. Nicht nur wurden die Sicherheitsmaßnahmen für Passagiere und deren Gepäck drastisch hochgefahren, sondern in der Folge ab 2006 auch die Sicherheit der Fracht genauer unter die Lupe genommen und komplett umgekrempelt. Eine überfällige Maßnahme, denn sechzig Prozent der Luftfracht werden mit Passagiermaschinen, als Beipack gewissermaßen, transportiert. Mit steigender Sicherheit explodierten auch die Frachtpreise, dennoch hat die Globalisierung, 9/11 zum Trotz, der Luftfracht einen Anstieg um achtzig Prozent in den letzten zehn Jahren beschert.
Versender und Logistikunternehmen haben eine Vielzahl von sich häufig ändernden Gesetzen zur Sicherheit im Luftverkehr zu beachten. Die des Versandlandes, gegebenenfalls die des Transitlandes und natürlich die des Ziellandes. Außerdem sind alle Verordnungen der EU, der Luftverkehrsgesellschaften und der Postdienstleister zu berücksichtigen. Obendrein müssen die Frachtführer sicherstellen, dass die versandten Waren den Zollvorschriften des eigenen Landes und vor allem des Ziellandes entsprechen.
Sichere Lieferkette
Um den Ablauf des Frachtversandes nach den gesteigerten Sicherheitskriterien zu ermöglichen, wurde ab 2006 das System der sicheren Lieferkette entwickelt mit dem Ziel, die Sicherheitskontrollen möglichst weit ins Vorfeld des Flughafens zu legen. Das bedeutete, dass die zu versendende Ware vom Ursprung, also dem Hersteller, bis zur Verladung ins Flugzeug ständig beobachtet und gesichert sein muss.
Um nun nicht jedes Frachtstück einer Firma, die ständig Waren mit Luftfracht verschickt, einzeln zu überprüfen, wurde der „Bekannte Versender“ eingeführt. Diese versendenden Firmen unterschrieben bei ihrem Speditionspartner, der ein vom Luftfahrt-Bundesamt (LBA) zugelassener (zertifizierter) „Reglementierter Beauftragter“ sein musste, eine „Sicherheitserklärung“ mit einer Gültigkeit von drei Jahren. Damit garantierten sie die Sicherheit für ihr aufgegebenes Frachtgut. Der Status des bekannten/sicheren Versenders ermöglicht den Transport der nun garantiert sicheren Fracht direkt zur sicheren Frachtannahme und weiter zum sicheren Vorfeld und spart den Unternehmen Geld und Zeit, denn die Ware muss vor der Abfertigung nicht mehr kontrolliert werden.
Lückenlose Dokumentation
Der zertifizierte Spediteur, der für die Sicherheit der Sendungen verantwortlich ist, hat dafür zu sorgen, dass die einzelnen Frachtstücke beziehungsweise die Sammelcontainer (ULD), in denen er die Sendungen von unterschiedlichen sicheren Versendern transportiert, so ausgestattet sind, dass sie die Idee der sicheren Lieferkette stützen. Alle Sendungen von nicht als sicher anerkannten Firmen müssen vom reglementierten Beauftragten auf ihre Sicherheit überprüft werden. Dazu bedienen sich diese Unternehmen des vollen Arsenals der Sicherheitssysteme: RFID, Netzwerkkameras, Wärmebildkameras, Detektionssysteme für blinde Passagiere und Flüssigkeiten, Röntgen unter anderem für Waffen, Snifferhunde für Drogen und Sprengstoffe sowie falls nötig eine Sicherheitslagerung.
Die Logistikunternehmen müssen sich auch hier den ständig wandelnden Anforderungen des eigenen Landes, aber auch und vor allen Dingen der Zielländer anpassen und sich beispielsweise von der Federal Aviation Administration (FAA) zertifizieren lassen. Eine lückenlose Dokumentation der Transporte ist zwingend erforderlich und wird durch das LBA regelmäßig überprüft.
„Unbekannt“ ist verdächtig
Ein unbekannter Versender, der ganz normal Fracht versenden will, muss sich eingehender Kontrollen durch den reglementierten Beauftragten unterziehen. Zu Recht, wenn man an die vereitelten Paketbombenanschläge des letzten Jahres aus dem Jemen denkt, die wohl eher zufällig entdeckt wurden, denn auf Basis gut durchgeführter Sicherheitskontrollen. So nimmt es nicht Wunder, dass die Amerikaner rasch reagierten und seit dem 3. August diesen Jahres das komplette Screening (Röntgen) von Luftfracht, die auf Passagiermaschinen transportiert wird, vorschreibt. Diese Maßnahme wird in Europa aber vermutlich aus Kostengründen nicht eingeführt.
Noch mehr Sicherheit gefordert
Auch in Europa befürworten einer PwC-Umfrage bei Luftfrachtunternehmen zufolge fast drei Viertel der Umfrageteilnehmer eine Steigerung der Qualität der Kontrollen. Mehr als zwei Drittel fordern darüber hinaus ein vollständiges Screening der gesamten Luftfracht, wobei nicht nur hehres Sicherheitsdenken die Unternehmen umtreiben dürfte: Schließlich verdienen sie auch an den zusätzlichen Sicherheitsmaßnahmen, die die Frachtkosten allein in Europa um immerhin rund 200 Millionen Euro steigen lassen würden. Ganz abgesehen davon, dass sich diese Maßnahme momentan aus rein technischen Gründen nicht bewerkstelligen ließe.
Nicht alles neu
Die „Sichere Lieferkette“ sieht ab dem 25. März 2013 vor, dass auch jeder bekannte/sichere Versender vom LBA zugelassen werden muss. Alle Unternehmen, die am 28. April 2010 vom Luftfahrt-Bundesamt als bekannte Versender oder reglementierte Beauftragte anerkannt waren, werden noch bis einschließlich 25. März 2013 als solche geduldet. Danach wird’s ernst. Bleibt beim reglementierten Beauftragten faktisch alles beim Alten (er hat nur die Änderungen beim sicheren Versender zu berücksichtigen), muss nun aber auch jeder sichere Versender vom LBA anerkannt sein, das bedeutet volles Programm nicht nur für die rund 65.000 sicheren Versender sondern vor allem für das LBA, das nicht nur die Zertifizierung abnehmen, sondern auch ständig die Einhaltung der Vorgaben überprüfen muss.
Umfassender Sicherheitsplan
Die Latte zur Zertifizierung liegt hoch: Ein umfassender Sicherheitsplan muss vorliegen. Mindestens ein Sicherheitsbeauftragter und ein Stellvertreter sind zu benennen. Sämtliche Mitarbeiter, die in irgendeiner Form in sicherheitsrelevanten Bereichen des Flughafens tätig sind oder mit zu versendender Fracht in Berührung kommen können, müssen beim LBA angemeldet sein und sich regelmäßig einer umfangreichen Zuverlässigkeitsüberprüfung unterziehen.
So haben beispielsweise der „Beauftragte für die Sicherheit“ und sein Stellvertreter Nachweise über eine erfolgreich bestandene Luftsicherheitsschulung, eine positiv beschiedene Zuverlässigkeitsüberprüfung nach dem Luftsicherheitsgesetz und ein Befähigungszeugnis einzureichen. Auch die örtlichen Gegebenheiten werden überprüft. Von den Bauplänen der Logistikgebäude, in denen mit Luftfracht umgegangen wird, bis hin zu Nachweisen von Brandschutz oder Zutrittskontrollen gibt es eine Reihe von Fragen, die für die Zulassung relevant und wichtig sind. Selbstverständlich werden auch die Transportsysteme und -wege zum reglementierten Beauftragten begutachtet.
Mit Spezialisten
Firmen, die sich zertifizieren lassen wollen, sollten sich Hilfe von versierten Qualitätsmanagement-Auditoren beschaffen. Deren Einsatz erleichtert die neue Zertifizierung beim Luftfahrt-Bundesamt, weil sie die Abläufe des Zertifizierungsverfahrens kennen und sie erheblich vereinfachen können. Dazu gehört auch die „Übersetzung“ der oft schwer verständlichen Behörden-Richtlinien in praktikable Aktionen und die Beurteilung und Verwendung von bereits existierenden Sicherheitsmaßnahmen.
Das LBA weist bereits heute darauf hin, dass Anträge auf behördliche Zulassung als bekannter Versender frühzeitig gestellt werden sollten, da es ansonsten im letzten Jahr des dreijährigen Übergangszeitraumes zu einem Antragsstau kommen könnte. Tatsächlich haben sich bis zum Ende letzten Jahres lediglich etwa 3.000 von den insgesamt rund 65.000 Firmen, die nach dem alten System als sichere Versender klassifiziert waren, der behördlichen Prüfung gestellt.