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BDSW: Herausforderungen und Chancen für die Sicherheitswirtschaft

Florian Graf, der jetzt seit einem Jahr Hauptgeschäftsführer des BDSW und der BDGW ist, zu den Herausforderungen für die Sicherheitswirtschaft 2023.

Florian Graf, Hauptgeschäftsführer des BDSW und der BDGW, äußert sich zu den Herausforderungen und Chancen für die Sicherheitswirtschaft 2023.
Florian Graf, Hauptgeschäftsführer des BDSW und der BDGW, äußert sich zu den Herausforderungen und Chancen für die Sicherheitswirtschaft 2023.

Nach einem Jahr im neuen Amt befragte PROTECTOR Florian Graf, den Hauptgeschäftsführer des BDSW und der BDGW, zu den besonderen Herausforderungen, vor denen die Sicherheitswirtschaft 2023 steht, und Chancen, die sich der Branche bieten.

Herr Graf, was hat Sie im vergangenen Jahr in Ihrer neuen Funktion am positivsten überrascht?

Jeden Tag stelle ich in meiner Funktion immer wieder aufs Neue besonders positiv fest, mit welcher Vielfalt an Tätigkeiten unsere Branche mit ihren rund 265.000 Beschäftigten tagtäglich einen wichtigen und unverzichtbaren Beitrag zur Sicherheit in Deutschland leistet. Hierzu zählen beispielsweise der Schutz von militärischen und polizeilichen Liegenschaften, der Schutz des Öffentlichen Personenverkehrs, der Schutz von Flüchtlingsunterkünften, die Sicherheit an Flughäfen und die Sicherstellung kritischer Dienstleistungen wie zum Beispiel der Bargeldversorgung. Das Wirken unserer Unternehmen hat doch gerade in den jetzigen Krisenzeiten zu einer verstärkten öffentlichen Wahrnehmung und Bedeutung der privaten Sicherheitswirtschaft geführt.

Sie kommen aus der Politik – wie konnten Sie Ihre politische Erfahrung bisher für BDSW und BDGW einsetzen?

Für den BDSW und die BDGW ist ein intensiver Austausch mit den politischen Entscheidungsträgern von entscheidender Bedeutung. Mir war deshalb von Beginn an wichtig, den Dialog mit der Politik auf allen Ebenen zu intensivieren, die Politik für unsere Themen zu gewinnen und damit unserer Branche voranzubringen. Dabei bringe ich meine vielfältigen Erfahrungen in der Politik und in Verbänden der Wirtschaft ein. Im vergangenen Jahr sind wir auf sehr viel Offenheit und Interesse für unsere Themen gestoßen, gerade in Bezug auf den Schutz der Kritischen Infrastrukturen.

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Wir befinden uns in einer Phase der „Polykrisen“ – international wie auch national, Stichwort Hochwasserkatastrophe. Wie kann die Sicherheitswirtschaft das „Krisenmanagement“ des Staates unterstützen?

Unser Aufgabenspektrum hat sich in den letzten Jahren enorm erweitert und wird sich auch weiterhin stetig verändern. Unsere Branche ist bereit, sich auf die Übernahme neuer Aufgaben durch Qualifizierung und technische Ausrüstung vorzubereiten und dadurch die Polizeien und Sicherheitsbehörden nach Kräften optimal zu unterstützen. Die Sicherheitswirtschaft kann und will mehr leisten und sollte zukünftig in das Krisenmanagement der Bundesrepublik strategisch und operativ einbezogen werden! Aber diese strategische Ausrichtung des Sicherheitsgewerbes wird nur dann gelingen, wenn die Politik dieses durch eine rasche und wirksame Verbesserung der rechtlichen Rahmenbedingungen unterstützt und unseren Unternehmen Planungssicherheit gibt. Genau deshalb erwarten wir, nach dem intensiven Vorlauf der letzten Jahre, nun dringend die neuen gesetzlichen Regelungen für unsere Branche.

BDSW-Präsident Gregor Lehnert forderte auf der 55. Jahresmitgliederversammlung erneut ein eigenständiges Gesetz für die Sicherheitswirtschaft.
55. Jahresmitgliederversammlung des BDSW
Im Rahmen seiner Jahresmitgliederversammlung betonte BDSW-Präsident Gregor Lehnert die Bedeutung eines Gesetzes für die Sicherheitswirtschaft.

Damit sprechen Sie eine „Altlast“ an, die Sie geerbt haben. Wie ist hier der aktuelle Stand beim Sicherheitsgewerbegesetz?

Wir sind sehr optimistisch, dass das im Koalitionsvertrag festgelegte Projekt eines „Sicherheitsgewerbegesetzes“ in diesem Jahr endlich zu einem Abschluss gebracht wird. Aktuell arbeitet das Bundesinnenministerium immer noch an einem Referentenentwurf. Das Gesetz ist erforderlich, um gerade in sensiblen Einsatzbereichen unserer Branche, speziell beim Schutz Kritischer Infrastrukturen, bundesweit verbindliche, einheitliche Qualitätsstandards festzulegen. Der BDSW möchte so das Qualitätsniveau für alle Marktteilnehmer erhöhen und damit Deutschland im Ergebnis noch sicherer machen.

Das Sicherheitsdienstleistungsgesetz (SDGL) soll für mehr Qualität in der Sicherheitsbranche sorgen.
Sicherheitsgewerbegesetz: Mehr Qualität in der Sicherheit?
Das Sicherheitsgewerbegesetz soll für mehr Qualität in der Sicherheitsbranche sorgen, allerdings lässt die Umsetzung noch auf sich warten.

Und das Bewacherregister? Es ist ja seit vergangenen Herbst beim Statistischen Bundesamt angesiedelt. Hat sich hier schon etwas an den Abläufen verbessert?

Durch den Wechsel des Bewacherregisters (BWR) auf das Statistische Bundesamt liegt nun, wie von uns immer gefordert, die Gesetzgebungszuständigkeit für unsere Branche sowie die Aufsicht über das BWR endlich in einer Verantwortlichkeit, nämlich beim Bundesinnenministerium. Die Prozessstruktur des BWR selbst hat sich nicht verändert. Die Probleme für die Sicherheitswirtschaft bei der Nutzung des BWR liegen leider immer noch primär bei den häufig viel zu langen Bearbeitungszeiten der Gewerbebehörden beim Vollzug der Zuverlässigkeitsüberprüfungen neuer Mitarbeiter unserer Branche. Aber selbst bei der Bearbeitung von Bestandsmitarbeitern gibt es teilweise noch heute einen Bearbeitungsstau. Hier müssen die Vollzugsbehörden in den Ländern viel schneller werden, denn sonst können wir unsere Kunden nicht zeitnah und verlässlich bedienen. Die Länder und Kommunen stehen hier in der Verantwortung, diesen Zustand dringend zu optimieren.

Eines der heißesten Themen überhaupt, das die gesamte Wirtschaft in Deutschland umtreibt, ist der Fachkräftemangel. Welche Ideen hat der Verband, um hier seine Mitgliedsunternehmen unterstützen zu können? Was wird bereits erfolgreich umgesetzt?

Der Personal- und Fachkräftemangel ist ein so massives Thema für die gesamte Wirtschaft, sodass wir - als vergleichsweise kleine Branche - diesbezüglich in den nächsten Jahren nicht unerhebliche Anstrengungen unternehmen müssen.  Der BDSW engagiert sich bereits seit vielen Jahren für stetig steigende Qualität in der Branche – begonnen bei den Ausbildungsbetrieben, den Qualifizierungen und vielem mehr. Nach meiner Ansicht werden die hoffentlich zeitnahen Veränderungen auf Grundlage des Sicherheitsgewerbegesetzes diese noch einmal erheblich steigern. Mit steigender Qualität in der gesamten Branche lassen sich dann sowohl Vergütung- als auch Imageaspekte nochmal aus einem anderen Blickwinkel angehen. Zusammengefasst: Wir müssen die Attraktivität der Arbeitsplätze, der Tätigkeiten und der Branche im Allgemeinen weiter steigern. Dann wird es uns auch in Zukunft gelingen, genügend qualifiziertes Personal zu gewinnen.

Sehen Sie noch weitere besondere Herausforderungen in nächster Zeit?

Ein Ereignis nationaler und internationaler Aufmerksamkeit wird die sichere Durchführung der Fußball-Europameisterschaft 2024 in Deutschland sein. Ein solches Turnier ist für unsere Mitglieder eine große Herausforderung, die wir zusammen mit der Polizei, dem DFB und der Uefa bewältigen werden. Gemeinsam mit dem DFB arbeiten wir seit Jahren an der Qualitätsverbesserung der eingesetzten Ordner und Sicherheitskräfte. Für eine sichere Europameisterschaft spielt der Einsatz zahlreicher qualifizierter Sicherheits- und Ordnungskräfte der privaten Sicherheitsunternehmen eine entscheidende Rolle. Das betrifft nicht nur die Sicherung der Spiele in den zehn Stadien der EM 2024, sondern auch Public Viewing Events, Fanmeilen und nicht zuletzt müssen die Quartiere der teilnehmenden Mannschaften gesichert werden.

Vom Fachkräftemangel haben wir bereits gesprochen. Kann moderne Technik den Mensch nicht nur ergänzen, sondern sogar ersetzen, Stichwort Drohnen, Roboter, KI?

Der Einsatz von Robotic-Lösungen findet auch in der Sicherheitsbranche bereits im rechtlich möglichen Rahmen Anwendung. Der steigende Mangel an Fachkräften wird das Interesse an innovativen Lösungen weiter verstärken. Als Verband begleiten wir diese Themen aktiv auf der europäischen Ebene sowie unter Einbeziehung der Wissenschaft. Es ist aber auch klar, dass es in unserer Branche keinen vollständigen Ersatz von Menschen durch Roboter kommen wird. Das Zusammenspiel von Menschen und Technik wird in jedem Fall das Qualifikationslevel unserer Mitarbeiter verändern. Damit wird die Branche auch attraktiver für neue Mitarbeiter.

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