Bieter gehen in Ausschreibungen der öffentlichen Hand häufig an und manchmal auch über ihre finanzielle Schmerzgrenze, um bei der Vergabe eine Chance auf den Zuschlag zu haben. Manche suchen auch den Weg über Rechtsmittel. Beide Wege zur Auftragsgewinnung sollten gut durchdacht sein, damit sie sich nicht nachteilig für den Dienstleister auswirken.
Dienstleister mahnen häufig Mängel bei der Vergabe an
Gerne schöpfen Dienstleister für die Auftragsgewinnung alle rechtlichen Mittel aus: Sie rügen die Vergabestellen wegen (vermeintlicher) Mängel in den Ausschreibungsunterlagen oder stellen Nachprüfungsanträge bei den Vergabekammern. Mal liegen tatsächlich substanzielle und gerechtfertigte Gründe vor, aber in vielen Fällen scheint dies reine Taktik zu sein. Bildlich gesprochen packt der Beschwerdeführer einfach die (rechtliche) Schrotflinte aus und schießt grob in Richtung der Vergabestelle – in der Hoffnung, dass eines der vielen (Argumentations-)Kügelchen trifft.
Angebotsabgabe und Nachprüfungsantrag bei Ausschreibungen der öffentlichen Hand
Dass ein solcher Schuss auch nach hinten losgehen kann, belegt ein Urteil der Vergabekammer Baden-Württemberg (Az.: 1 VK 44/21, www.landesrecht-bw.de, Kurzlink https://bit.ly/3IaPQXo) aus diesem Jahr: Ein Auftraggeber veröffentlichte Ende März 2021 eine europaweite Ausschreibung im offenen Verfahren. Ein Bieter rügte insgesamt zwölf vorgebliche Vergaberechtsverstöße, die seiner Ansicht nach eine seriöse Kalkulation unmöglich machen würden. Da die Ausschreibungsunterlagen nicht vorliegen, kann nicht beurteilt werden, ob die Beschwerde an sich plausibel war. Es ist für den weiteren Verlauf aber auch unerheblich. Die Vergabestelle wies die Rüge jedenfalls als unbegründet zurück. Trotz seiner formulierten Bedenken reichte der Bieter form- und fristgerecht ein Angebot ein. Direkt im Anschluss stellte er bei der zuständigen Vergabekammer einen Nachprüfungsantrag.
Unzulässiger Nachprüfungsantrag
Nun schlug Murphys Gesetz zu: Zehn Tage später, am 19.7.2021, teilte der Auftraggeber dem Beschwerdeführer mit, dass er beabsichtige, dessen Angebot anzunehmen und ihn nach der Stillhaltefrist formal mit der Leistungserbringung zu beauftragen. Die Vergabekammer fragte daraufhin den Bieter am 21.7.2021, ob er seinen Antrag zurücknehmen wolle. Dieser verneinte mit dem Hinweis, dass der Zuschlag noch nicht endgültig sei. Am 23.7.2021 wies die Vergabekammer den Nachprüfungsantrag zurück. Begründung: Da die Vergabestelle beabsichtige, dem Beschwerdeführer den Zuschlag zu erteilen, fehle diesem die Antragsbefugnis. Dafür müsse ein Schaden vorliegen oder zumindest drohen, was aufgrund der beabsichtigten Zuschlagserteilung jedoch nicht der Fall sei.
Angebot führt Antrag ad absurdum
Die Kammer führte außerdem an, dass der Antrag offensichtlich unbegründet sei, denn der Beschwerdeführer habe ein zuschlagsfähiges Angebot abgegeben, was für die Kammer den Schluss zuließe, dass die behaupteten Kalkulationsrisiken tatsächlich nicht unzumutbar gewesen sein können. Letztendlich muss der Bieter also mit seinem abgegebenen Angebot leben. Es bleibt sowohl für ihn als auch den Auftraggeber zu hoffen, dass die Preise auskömmlich kalkuliert waren.
Angebote realistisch kalkulieren
Es mag seltsam klingen, aber wenn man ein Angebot abgibt, muss man auch damit rechnen, dass es angenommen wird. Sieht man als Bieter aufgrund fehlender oder unzureichender Angaben das Risiko, keine kaufmännisch seriöse Kalkulation erstellen zu können, muss man darauf verzichten. Die Praxis zeigt leider, dass dieses einfache Prinzip von vielen Dienstleistern nicht verstanden wird.
Rechtsmittel richtig einsetzen
Der vergaberechtlich bessere Weg wäre vermutlich gewesen, einen Nachprüfungsantrag zu stellen, ohne zuvor ein Angebot abzugeben. Ein solches ist nämlich keine Voraussetzung, um die Vergabe überprüfen zu lassen. Das Argument, wegen der vermeintlichen Fehler in den Unterlagen an der Abgabe eines belastbaren Angebots gehindert worden zu sein, hätte wahrscheinlich auch mehr Aussicht auf Erfolg gehabt.
Erschienen in Sicherheits-Berater 6/2022