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Aktives Management von Krisen

Die diversen Krisen der letzten Monate zeigen, dass es viele Unternehmen mit einem unausgereiften Risikomanagement gibt.

Lieferengpässe gibt es nicht erst seit der Pandemie oder dem Ukraine-Krieg. Gut vorbereitete Unternehmen betreiben ein aktives Krisenmanagement. 
Lieferengpässe gibt es nicht erst seit der Pandemie oder dem Ukraine-Krieg. Gut vorbereitete Unternehmen betreiben ein aktives Krisenmanagement. 

Ein Gesamtrisikomanagement muss in der eigenen Organisation leben; allerdings werden Krisen oft nicht aktiv gemanagt. Dabei ist ein Blick in die Antike hilfreich: Dem römischen Politiker, Schriftsteller und Philosoph Marcus Tullius Cicero wird das Zitat zugeschrieben: „Ein Brief errötet nicht.“ Damit ist gemeint, dass Papier geduldig ist. Und was Cicero vor Jahrhunderten schon erkannte, besitzt auch in unseren Tagen eine gewisse Gültigkeit. Hierzu genügt ein Blick auf die Unternehmenswelt mit ihren Strategien, Unternehmensleitlinien sowie Risikoberichten. Letztere sind für viele Organisationen eine gesetzliche Notwendigkeit, in denen theoretische Abhandlungen zu Risiken und Chancen sowie die Aussichtspflichten niedergeschrieben sind. Die Praxis sieht indes in vielen Fällen anders aus, mit einem wenig ausgereiften Risikomanagement in Unternehmen samt mangelnder Zukunfts- und damit Chancensicht. Zu beobachten ist dies nicht erst inmitten der aktuellen Krise des Ukraine-Krieges.

Vor der Krise bereit sein

So deckt eine Benchmarkstudie der Unternehmensberatung Deloitte aus dem Jahr 2020 die Mängel im Gesamtrisikomanagement vieler Industrieunternehmen auf. Demnach sehen 60% der befragten Risikomanager einen „wesentliches Optimierungspotenzial“ bis hin zu „dringendem Handlungsbedarf“ in den Segmenten „Risikosteuerung“, „Risikokultur“ und „Risikobewertung“. Dies vor Augen, fordern Experten seit Jahren, das Risikomanagement in der eigenen Organisation nicht nur auf dem Papier zu ordnen. Zu dieser Erkenntnis kommt unter die RMA Risk Management & Rating Association e.V. Deren Vorstandsvorsitzender Ralf Kimpel unterstreicht die Notwendigkeit eines gelebten Gesamtrisikomanagements in der eigenen Organisation. „Eine professionelle Herangehensweise an das Thema Risikomanagement erlaubt Unternehmen, den Blick nach vorne zu richten“, so Kimpel. Und er ergänzt: „Damit einhergehen nicht nur juristische Fragen samt Aufsichts-, Überwachungspflichten. Es geht vielmehr darum, ein Unternehmen vor einer möglichen Krise das notwendige Rüstzeug für den Ernstfall mitzugeben sowie die notwendigen Schritte und Prozesse darauf auszurichten.“

Vom aktiven Management der Risikolandkarte

Von daher ist es für Unternehmen und deren Entscheider wichtig, sich des Themas eines übergreifenden Risikomanagements vor einer Krise anzunehmen. Denn ist das sprichwörtliche Kind erst einmal in den Brunnen gefallen und tritt das Risiko ein, ist es meist zu spät, um sich dann über ein mögliches Risikomanagement Gedanken zu machen. Von daher kommt es vor allem darauf an, die Risikomanagement-Weichen in die richtige Richtung zu stellen. Das heißt, ein aktives Management potenzieller Risiken zu betreiben. Kimpel sieht dies als unerlässlich an, um als Organisationen im Fall der Fälle handlungsfähig zu bleiben und nachhaltig zu agieren: „Dieser Fall wird kommen, früher oder später. Und dann zeigt sich, wer in Sachen Risikomanagement seine Hausausgaben gemacht hat und trotz Krise die Chancensicht nicht verliert.“

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Dass die Kontrolle dieser Hausaufgaben nicht immer positiv ausfällt, zeigt nicht zuletzt die aktuelle Situation rund um den Ukraine-Krieg. Ein Blick in die damit zusammenhängende Risikolandkarte offenbart die Bandbreite potenzieller Risiken – angefangen bei Lieferengpässen und Sanktionen über Finanzmarktrisiken bis zu Cybergefahren. Für Unternehmen absehbare Risiken, die sich spätestens seit dem Kriegsausbruch zwischen der Ukraine und russischen Separatisten im Jahr 2014 abzeichneten. Deutlich werden die Versäumnisse eines professionellen Risikomanagements unter anderem in der aktuellen Diskussion um die Energieversorgung hierzulande, aber auch europaweit.

Damit einhergehen massive Preissprünge in energieintensiven Bereichen, sei es beispielsweise in der Stahlindustrie oder der Transportbranche. Ein Umstand, den Politik und Wirtschaft viele Jahre mit teils halbherzigen Strategieversprechen in puncto einer alternativen und vor allem zukunftsweisenden Energieversorgung vergeudeten.

Nachhaltigkeit berücksichtigen

Im Umkehrschluss heißt das: Entscheider müssen eben frühzeitig Entscheidungen treffen. Kimpel verweist in diesem Zusammenhang auf das Beispiel der Lieferengpässe. Diese treten nicht erst seit der Coronapandemie auf. Schon im Zuge der Nuklearkatastrophe von Fukushima im 2011 war die Verwundbarkeit internationaler Lieferketten deutlich spürbar. Daher sollten sich seiner Meinung nach Unternehmen konkret die Frage stellen, ob Lieferantenketten rund um den Globus gespannt werden müssten oder ob es nicht Alternativen in Europa oder gar Deutschland gäbe. Diese Alternativen scheinen auf den ersten Blick teurer, aber im Zuge zunehmender Krisen, Kriege und Handelsbeschränkungen haben solche Überlegungen durchaus ihre Berechtigung. Ganz zu schweigen von wichtigen Aspekten der Nachhaltigkeit, die bei Arbeitsbedingungen vor Ort anfangen und bei langen Transportwegen mit einem hohen CO2-Ausstoß noch nicht aufhören.

Verbandswissen, um Krisen zu meistern

Für Kimpel ist die aktuelle Risikolandkarte keine Terra incognita. Denn viele der momentan auftretenden Risiken sind Teil der Verbandsarbeit innerhalb der RMA. „Im Rahmen unserer Verbandsarbeit setzen wir auf ein breites Spektrum an Themen, die sich auf der aktuellen Risikolandkarte ablesen lassen. Seien es Finanzrisiken, Lieferkettenprobleme, Cybergefahren oder Risiken rund um die Energieversorgung.“ Zu all diesen Themen arbeitet der Verband der Risikomanager mit seinem Know-how in eigenen Expertengremien mit Unternehmen des Mittelstandes und auf Konzernebene zusammen. Dieser regelmäßige Austausch ermöglicht einen Blick hinter die Kulissen ganzer Branchen und gibt Unternehmensvertretern wichtige Impulse und Ideen für ihre eigene Risikomanagementarbeit. „Im Grunde blicken wir mit unserer Gremienarbeit über den Tellerrad der eigenen Organisation. Dies ist ein wichtiger Faktor unserer Verbandsarbeit, um das Thema des Risikomanagements aus der grauen Theorie in die gelebte Praxis zu heben und damit die Chancensicht zu wahren“, resümiert Kimpel. Cicero würde es freuen.

Andreas Eicher, freier Autor

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